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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band = Niedersachsen, 1. Hälfte, 1. Halbband): Die Fürstentümer Wolfenbüttel und Lüneburg mit den Städten Braunschweig und Lüneburg — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1955

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https://doi.org/10.11588/diglit.30040#0358
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'eit dem Mittelalter befand sich die Stadt Braunschxveig in gemeinschaftlichem Besitz
der verschiedenen Linien des Welfenhauses. Das wirkte sich dahin aus, daß die Stadt ein weit-
gehend selbständiges Regiment führte. Auch auf kirchlichem Gebiet hatte sich die Stadt bereits
vor der Reformation eine gewisse Selbständigkeit und mannigfache Freiheiten zu erwirken
gewußt.

über die Anfänge der Reformation vgl. Beste (S. 9 ff.), Tunica (S. 272 ff.), Reht-
meyer III (S.lff.). Zu der besonderen und für Braunschweig wohl eigentümlichen Stel-
lung der „Mietpriester“ vgl. J. Heepe (Die Organisation der Altarpfründen an den Pfarr-
kirchen der Stadt Braunschweig im Mittelalter. In: Jb. d. Gesch.Ver. f. d. Herzogtum Brschwg.
12, 1913, S. 1 — 68) und die kritischen Ausstellungen hierzu bei D. Pleimes (Weltliches
Stiftungsrecht. Gesch. der Rechtsformen, 1938, in: Forschungen zum deutschen Recht III, 3,
S. 130 f., 154 —157, sowie weitere dort angegebene Lit.). 1528 gibt der Rat seinen Wider-
stand auf und beruft zunäclist Heinrich Winkel, dann Johannes Bugenhagen nach Braunschweig
zur Neuordnung der kirchliclien Verhältnisse. Noch im gleichen Jahre verfaßte Bugenhcigen die
KO der Stadt Braunschweig. Zur Vorgeschichte vgl. Hänselmann, Einleitung. Zum Inhalt
vgl. H. Hering, Doktor Pomeranus, Johann Bugenhagen. 1888; G. Kawerau.Art. Bugen-
hagen, RE 3 3, S.531, dort ältere Lit.; ferner Scholz; H. Beck, Bugenhagens Person in
seiner KO für die Stadt Braunschweig. Braunschweig 1928; E. Wolf, J. Bugenhagen, Ge-
meinde und Amt; in Wolf, Peregrinatio. Studien zur reformator. Theologie. 1954, S.257 — 278.
Ausgaben durch Hänselmann in niederdeutschem Purismus; H. Lietzmann in: Kleine
Texte für Vorlesungen und übungen 88, 1912; neuhochdeutsche übertragung bei Ch. Beller-
mann, Das Leben des J. Bugenhagen. 1859, S. 107 ff. ünsere Ausgabe unter Nr. 1.

Die niederdeutsche Ausgabe fand bereits 1531 eine hochdeutsche Ubertragung in nahezu
wörtlicher Anlehnung (vgl. Ilänselmann, S. Ixvii und Ixix). 1563 veranstaltete der Rat der
Stadt einen Neudruck der Eassung von 1531 mit einigen Verbesserungen (vgl. H änselmann,
S. Ixix), und Hinzufügung folgender Stücke: Schmalkaldische Artikel von 1537, Augsburgische
Konfession und deren Apologie in Justus Jonas’ Verdeutschung, Erklärung der Tlieologen auf
dem Lüneburger Konvent 1561. Diese Ausgabe wurde als das Corpus doctrinae der Stadt
Braunschweig bezeichnet (vgl. Tschackert, S.615) und von dem Rat und allen Mitgliedern
des geistlichen Ministeriums der Stadt unterschrieben (vgl. StadtA. Braunschweig G 1 2 Nr. 75,
1. Stück und Relitmeyer III, S. 253 f.). In dieser Eorm behielt die KO von 1528 in der Stadt
Braunschweig bis zum Verlust ilirer Selbständigkeit 1671 Geltung.

Mit der zum Schluß des Druckes behaupteten „einmüthigen“ Annahme der KO durch
den Rat und die ganze Gemeinde am 5. September 1528 war keineswegs die Ruhe in der Stadt
wiederhergestellt. Zwar veranlaßte der Rat im Jahre 1531 die Geistlichkeit, zur Wahrung der
Lehreinheit ein Bekenntnis aufzustellen, das fortan feder Stadtprediger zu unterschreiben hatte,
wenn er nicht entlassen werden wollte (vgl. Hille-Kellner, S. 136; Abdruck bei Reht-
mey er III, Beilage S. 18 ff.). Auch versuclite der Rat indirekt durch das Echteding vom
22. August 1532 noch eine weitere juristische Befestigung der Reformation herbeizuführen (vgl.
die 1532 neugefaßten Punkte 1, 2 und 8 des Echtedings, Urk. Buch I, S. 326 und 331). Die
Besetzung der meisten städtischen Pfarren lag nämlich in den Händen der Stifter und Klöster,
die damit vom Herzog belehnt waren. Die Bestätigung aber war dem Herzog vorbehalten,
der dieses Recht auch für die Stellen beanspruchte, die seit undenklichen Zeiten vom Rat
oder von Privatpersonen besetzt wurden (St. Martini, St. Catharinen, St. Michaelis). Für St. VI-
rici und St. Magni behauptete der Herzog unmittelbares Besetzungsrecht. (Zu St. Magni und
dem dort wechselnden Patronatsrecht vgl. Brutzer, S. 60). Die Stifter St. Blasii und

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