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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band = Niedersachsen, 1. Hälfte, 1. Halbband): Die Fürstentümer Wolfenbüttel und Lüneburg mit den Städten Braunschweig und Lüneburg — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1955

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https://doi.org/10.11588/diglit.30040#0359
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St. Cyriaci, sowie die Klöster St. Aegidii und St. Crucis lagen auf herzoglichem Gehiete.
Über sie hatte der Rat keinerlei Verfügungsgewalt (vgl. Hassehrauk 1, S. 15). Wenn
der Rat sich über das herzogliche jus patronatus hinwegsetzte und eigenmächtig die städti-
schen Pfarrkirchen neu besetzte, außerdem einen Stadtsuperintendenlen und dessen Koad-
jutor gemäß der KO ohne des Herzogs Einwilligung einführte, so waren schwere Kämpfe
mit dem Landesherrn, auf dessen Seite auch der Mainzer Erzbischof und namentlich der
Kaiser standen, unausbleiblich. Dem Rat mußte alles daran gelegen sein, die katholisch ge-
bliebenen Stifter und Klöster der neuen Lehre zuzuführen, um die bereits durch sie in der
Stadt entstandenen Unruhen, verschärft durch Uneinigkeit unter den evangelischen Predigern,
zu unterbinden (vgl. Reste, S. 28 //.; T uni c a, S.285ff.). Zunäclist konnte nur im Bene-
diktinerinnenkloster St. Crucis die 1529 begonnene Reformation 1532 zwangsweise zu Ende
gebracht werden (vgl. T u n i c a, S. 289 ff.). Der Rat traf Anordnungen für die Weiterführung
des Frauenklosters in evangelischem Sinne unter Leitung eines Prädikanten (vgl. Stadt A.
Braunschweig, Urk. des Rates Nr. 1381). Ebenso regelte der Rat 1532 die Verhältnisse im
Hospital Beatae Mariae Virginis und im Siechenhause St. Leonhard (vgl. Tunica, S. 300;
Rehtmeyer III, S. 104/5).

Seit Sommer 1531 stand Braunschweig dem schmalkaldischen Bunde nahe, sechs lahre
später wurde die Stadt Mitglied. Das verschärfte den Gegensatz zum Landesherrn, stärkte
aber auch den Mut zum Widerstand in kirchlichen Angelegenlieiten, so namentlich beim
Kampf um die Stifter St. Blasii, St. Cyriaci und das Kloster St. Aegidii (vgl. Hasse-

brauk I, S. 18 //.; zu St. Aegidii auch 7. G o tt s chalk, S. 15 f.).

Durch den zunächst erf'olgreichen Krieg der Schmalkaldener gegen Herzog Heinrich d. 7. ge-
langte die Stadt an dasZiel ihrer Wünsche. In einzelnen Verträgen sicherte sich der Rat denBe-
sitz nahezu aller kirchlichen Stiftungen in der Stadt. Die schmalkaldischen Bundesoberhäupter und
ihre Räte vermittelten die Beilegung des Streites zwischen dem Rat und dem Stift St. Blasii
im Oktober 1542, indem sie die kirchlichen Gebräuche im Stifte in evangelischem Sinne ord-
neten. Die Stiftsherren mußten ihnen und dem Rat einen Treueid schwören und die bisher
von ihnen innegehabten Pfarrlehen St. Bartholomäi und St. Jacobi mit ihren Einkünflen an

den Rat abtreten (vgl. Stadt A. Braunschweig, Urk. des Rates Nr. 1455 und 1461; Stadt A.

Wolfenbüttel L Alt Abt. 11, Nr. 1 a, Bl. 88 ff.). Ebenso bewirkten die Räte des sclimal-
kaldischen Bundes, daß der Komtur des 7ohanniterordens zu Süpplingenburg am 29. Novem-
ber 1543 die zu seinem in Braunschweig befindlichen Prioratshof gehörige Johanniskirche
dem Rat der Stadt Braunschweig überließ, damit dieser dort die Reformation einführen
konnte (vgl. StadtA. Braunschweig, Urk. d. Rates Nr. 1468). Der Vertrag, den der Rat mit
dem Abt des Klosters St. Aegidii, Dietrich Koch, am 10. Oktober 1542 schloß und in dem
er sich das Kloster mit allen Gütern und Einkünften, darunter die Kirche St. Magni, über-
tragen ließ, mußte von vornherein in den Augen des Herzogs Heinrich d. 7. rechtsunkräftig
sein, denn dieser Abt wurde von Ileinrich wegen seiner lutherischen Gesinnung in seiner Stel-
lung nicht mehr anerkannt. Ebenso mußte der Herzog den Vertrag vom 17. Dezember 1545
ansehen, den der Rat mit der Domina und den Jungfrauen des aufgehobenen Klosters St. Cru-
cis abschloß und in dem diese dem Rat alles klösterliche Gut überschrieben (vgl. StadtA.Braun-
schweig, Urk. des Rates Nr. 1482; Tunica, S. 304 ff.).

Unbekümmert um derartige Einsprüche betrachtete sich der Rat nunmehr förmlich als
Patronatsherr sämtlicher braunschweigischen Stadtkirchen. Als solcher erkannte er 1544 den von
Herzog Heinrich d.J. mit der Pfarre zu St.Ulrici belehnten Pfarrer Johannes Kötterle nicht an

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