Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band = Niedersachsen, 1. Hälfte, 1. Halbband): Die Fürstentümer Wolfenbüttel und Lüneburg mit den Städten Braunschweig und Lüneburg — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1955

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30040#0393
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Kirchenordnung 1528

Quackelpredigere hebbe wy genöch gehat, nu
me overs wil gude predigere hebben, kan me
kume eynen rechtschafenen treffen, alse Chri-
stus sede [Mt 9, 37]: De ernte is vele, der
arbeydere is weynich.

Wen wy overs also mit heymelikeme unde
apenbareme van deme predickstole gebede Gade
de sake, gude predigere to vorschaffen, bevalen
hebben, so wille wy ock dat unse darto dohn
unde laten id nergen ane feylen, dat wy sulke
denere des wordes mogen oberkamen.

Vam superattendenten unde synem hulpere.

Vor alle dynk möte wy unde willen ock hebben
eynen superattendenten, das is eynen upseher,
deme mit syneme adjutor de ganze sake aller
predigeren unde der scholen, so vele de lere
unde eynicheit bedrept, werde dorch den erbarn
radt unde de de 56a gemeyne darto vorordent, alse
synt de schatkastenheren, bevalen, uptosehn, wat
me leret unde wo etc. Sulck is van hogen nöden,
wente wy willen dorch Gades gunst eyndrech-
tige predigen nach deme wörde Gades hebben
över de ganze stadt, alse id ock van Gades
gnaden is angevangen unde geyt imme swange.

Wy willen nicht liden mit unseme wetende
sekten edder partyen des wördes halven. Ock
nicht liden mit valsche predigen wedder dat
evangelion, dat is wedder de gnade Gades, uns
dorch Jesum Christum, unsen Heren, geschen-
ket. Ock nicht wedder den bevehl unde in-
settinge der döpe unde des sacramentes des lives
unde bludes unses Heren Jesu Christi, van
Christo mit klaren worden ingesettet unde
bevalen.

56a ,,de“ fehlt in der Druckvorlage.

57 Thomas Müntzer erstrebte Beseitigung der
Pürstengewalt zu gunsten der Demokratie
(vgl. K. Holl, Ges. Aufs. z. Kirchengesch. I 2- 3,
1923, S. 454 ff.), bzw. der Christusherrschaft
(vgl. C. Hinrichs, Luther und Müntzer. 1952,
164 f.). Zur resignierten Haltung der schwei-
zerischen und süddeutschen Täufer vgl. Holl,
S. 458. Schwärmerische Ideen lebten nach
1525 bes. unter den Amhängern Hans Huts,
vgl. z. B. die Nikolsburger Artikel v. 1527:
„Bei den cristen menschen sol kein gewalt

Unlidelick schal uns ock syn sulke predige, de
darhen denet, dat me der overicheit nicht scholde
gehorsam syn, gelyck efft under den Christenen
nicht scholden weltlike heren syn 57. Wente
sulke heren, alse by uns unse erbar radt is,
konen wol dorch den loven vor Gade unse christ-
like brödere syn, dar is neyn ansehent der per-
sonen. Overs nach öreme ampte scholen se
sick holden vor heren unde slän rnit deme
swerde, en van Gade bevalen, de unchristliken
boven unde schelke up de köppe, dat is, se
straffen na rechte. Wen Got sulke overicheit in
der werlt nicht vorordenet hedde, so were wy,
unse wive, kyndere, güdere etc. nergend seker.
Darumme synt wy en schuldich schot, fruchte
unde ehre, nicht alleyne darumme, dat se uns
mochten straffen, sonder ock umme Gades wil-
len, alse id Paulus fyn bescrivet Rom. 13 [1 ff.],
unde Petrus vormanet 1. Pet. 2 [13 ff.]. Alleyne
wedder Gades wört schole wy nicht dohn umme
der overicheit willen, wente dar is Got de höge-
ste overicheit, alse Christus leret [Mt 22, 21],
dat me deme keysere geve, wat deme keysere
gehöret, unde Gade, wat Gade gehöret, de schal
alleyne over unsen loven herschen, darby schole
wy laten allent, wat wy sint unde hebben. In
allen anderen dingen, wen uns to vele wert
upgelecht, schole wy gehorsam syn etc. Darvan
mach me ock mehr lesen in der Underrichtinge
der visitatoren zu Sachsen etc. 58 unde in deme
boke Von der werliken övericheit 59.

De predikere scholen frylick sunde straffen,
doch unvormerket de personen, wente beteren
scholen se unde nicht schenden. Wolde doch
Christus den Judas nicht schenden unde straf-

noch oberkeit sein.” — Aussagen von Wie-
dertäufern 1527: „Wer ainicher obrigkeit ver-
wandt ist, mag nit selig werden, soll man
versteen, das kain obrigkeit sein soll.” in
Quellen u. Forschungen z. Reformationsge-
schichte 16. Quellen z. Gesch. d. Wiedertäufer,
Bd. II, 1934, S. 65 f.

58 Unterricht d. visitatoren...; Sehling I, S. 155 ff.,
164.

59 Luther, Von weltlicher Obrigkeit, wie weit
man ihr Gehorsam schuldig sei. 1523, WA 11,
S. 245—280.

373
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften