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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band = Niedersachsen, 1. Hälfte, 1. Halbband): Die Fürstentümer Wolfenbüttel und Lüneburg mit den Städten Braunschweig und Lüneburg — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1955

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https://doi.org/10.11588/diglit.30040#0603
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Visitationsartikel 1583

mit geburlichem ernst und christlichen eiver
strafen und ihr hohes ampt mit einem christ-
lichem leben zieren solten. Do sie aber exor-
bitirten, solten sie freundlich derwegen zu
rede setzen und sie zur besserung vermanen
und im fall der nichtbesserung solches an
generalsuperintendenten gelangen lasen sol-
ten mit gnugsamer verwarnung, do sie darin-
nen seumig, solten sie es nicht allein fur
u. g. f. und h., sondern auch fur Gottes an-
gesicht an ihrem letzten ende und am jung-
sten gerichte verantworten. Ich wolte himit
mein gewissen gereiniget und ihnen solches
zu verantworten in bosen geschoben haben.

2. Jerlich soll er zwei examina halten, sie
vleisig in furnembsten artikeln christlicher
lehre, auch in controversis articulis aus der
gewonlichen form der lehre examiniren und
was sie zwischen beiden examinibus in der
bibel gelesen, befragen, auch von ihnen die
dispositiones aller ihrer geschehen predigten
fordern und do sie nicht lehreten, das zur
erbauung dienlich, sie gutlich darinnen un-
terrichten.

3. Er solle sie auch oft unverwarneter sachen
hin beschleichen, ihre predigten horen, auch
ob sie vleisig studirten und ihres ampts
warteten, sich erkundigen, die mengel mit
rat der beampten abschaffen oder es zuruk
an generalsupermtendenten gelangen lasen.
Solches hat er mit mund und hand anstad
eines leiblichen eides verheisen und zugesagt.

Artikel, darauf die pastores semptlich ver-
abschiedet worden sind:

1. das sie jo vleisig studiren, die bibel vleisig
lesen und ihnen dieselbige gemein und be-
kant machen, auch die bücher, so der form
der lehre 6a eingeleibt sein, oft durchlesen,
sich fur falscher lehre treulich huten sollen,

2. das sie ihrem superintendenten schuldigen,
pflichtigen gehorsam leisten,

6a Gemeint ist wohl das Konkordienbuch.

3. uff ihre predigt in der furcht des Heren vlei-
sig studiren und alle dieselbigen zu dem ende
dirigiren und richten wolten, das sie zur lehr,
trost, warnung und vermanung gereichten,
und solten wol bedenken, das sie nicht
dechten, das sie allein die armen bauern,
sondern die ganze heilige dreifaltikeit zu
zuhorern hetten, die ein scharf gehor hetten
und sie derwegen am jungsten gericht setzen
wurde, den catechismum und die fragstuck
solten sie der jugend wol einbilden, damit
alte und junge uff die vorstend universal-
visitation wol antworten konten, denn da
wurde das werk den meister loben oder
schenden.

4. Die laster sollen sie mit geburlichem ernst
aus christlichem eiver, nicht aus privat-
affection, und also strafen, das menniglich
greifen möchte, das sie nicht mit den sundern
oder personen, sondern mit den sunden zor-
neten, denn wo die zuhorer merkten, das sie
der pastor feind weren und ihr verderben,
spott und schimpf suchte, so were der kol
schon versalzen und hette die strafe weder
kraft noch saft oder schmalz. Auch solten sie
die sunder erstlich privatim, volgends in bei-
wesen der juraten freundlich strafen, und do
kein besserung ervolgete, solches an ihren
specialsuperintendenten gelangen lasen, der
befel entpfangen solten, wie sie sich verner
weislich darinnen verhalten solten.

5. Sie solten auch als exemplaria gregis ihren
kaspelkindern gute exempel und beispil ge-
ben, nicht mit der einen hand reiner lehre
geben und mit der andern hand strefliches
handels und wandels solches wider nemen,
sondern solten wie man von origine schule
lehren, wie sie leibten und leben, wie sie
lereten, den wenn der apt wurfel auflegte,
spilten die brudern 7 und dechten, was ihrem
pastor tuglich, das were ihnen nicht tadlich,
sonderlich solten sie sich der kruge, spilens

' Vgl. das Sprichwort: Wor de abt de wörpel
drecht, dar hebben de bröder gud spelent,
Schiller u. Lübben V, S. 771.

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