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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band = Niedersachsen, 1. Hälfte, 1. Halbband): Die Fürstentümer Wolfenbüttel und Lüneburg mit den Städten Braunschweig und Lüneburg — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1955

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https://doi.org/10.11588/diglit.30040#0690
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Lüneburg

wort trösten mugen, wie ein jeder nach seinen
gaben darin wird weiter zu vorfharen wissen,
das ehrs vor unserem Hern Godt zu seiner zeit
zu verantworten habe. Wan aber einer von einem
kranken gefordert wird, ihnen zu unterrichten,
zu trösten, zu absolvieren und das heilige sa-
crament des wahren leibs fund bluts Christi zu
reichen, so ist es nodt, das ehr sich mit sonde-
rem vleisse erkunde bey den, so bey den kran-
ken sein, auch von ihme selbst, ob er uber die
leibliche schwackheit auch innerliche beschwe-
rung und anfechtung habe, als ob ehr mit be-
findung seines schwachen glaubens und unwir-
digkeit oder tentatione particularitatis ange-
fochten werde, ob ehr mit betrachtung seiner
grossen mannigfeltigen sunden beschweret, ob
ehr mit dem schrecken des zorns Gottes, des
ewigen todes und vordamnus beengstiget oder
uber den abschied von dieser welt und den sei-
nen bekummert oder ander dergleichen anfech-
tung in seiner conscientien habe. Und wan man
nach solcher vleissigen erforschung erfheret,
worin der kranke zum högsten angefochten wird
oder worumb ehr vornemblich bekummert und
betrubet ist, so muß man auch die vormhanung
und trost darnach richten, damit dem kranken
solche anligende beschwerunge aus dem sinne
gebracht werde, und doch nicht viel spruche
auf einen haufen werfen, sondern weinig und
auserlesene liebliche spruche fuhren, damit sie
der kranke, betrubte mensche desto besser
fassen muge.

Da man auch dem kranken die beicht hören
soll, da ist es radtsiam, das die andern per-
sonen, so da zugegen seind, ein weinig abtret-
ten und entweichen, damit der kranke mit dem
beichtvatter insonderheit desto vortraulicher
alleine reden muge.

Nachdem aber die beicht gethon und gehöret,
der kranke nach notturft aus Gottes worte ge-
tröstet, zu bestendigem warhaftigem glauben
auf die gottsahligen zusagen und Christi vor-
dienst zu christlicher gedult, ungezweifelter hoff-

nung, andechtigem gebett, feuriger liebe des neg-
sten und ganzem neuen gehorsam vormhanet
und nun die communion darauf soll erfolgen,
so bereitet man zu der behueff einen tisch fein
ehrlich mit feinen reinen tucheren, mit brodt
und wein zur communion, und weil solche hei-
lige action nicht eine winkelmesse sein, son-
dern allwege nach der lehre des heiligen Pauli
[1. K 11, 33] in coetu quodam geschehen soll, so
ist es billich, das dazu aueh das gesinde und
kinder im hause sampt anderen, so man von den
nachbarn und freunden haben kan, gefordert
werden, da alsdan eine kurze erinnerung von
dem hochwirdigen abendmahle geschicht unddas
volk zum ernstlichen gebete fur den kranken
vormhanet wird.

Nach solcher vormhanung spricht der diener
Gottes das Vatter unser fein langsam undlaute,
damit die kranke person und das ganze volk
mitbeten konne, negst dem Vatter unser reci-
tieret ehr das erste theil der worter Christi von
der einsetzung des abentmals: Unser Herre Je-
sus Christus, in der nacht, da ehr vorraten wart
etc. und reichet uff diese wort dem kranken den
leib des Hem Jesu Christi. Darnach recitieret ehr
das ander theil der wörter Christi von der ein-
setzung des abentmals: Desgleichen nam der
Herr Jesus Christus auch den kelch etc. und
reichet uff dieselben dem kranken das blutt Jesu
Christi, und darnach spricht ehr: Lasset uns
beten 94: Wir danken dir, almechtiger Herr
Godt, das du diesen unseren bruder oder schwe-
ster durch diese heilsame gabe hast erquik-
ket, und bitten deine barmherzigkeit, du wollest
ihme oder ihr solches gedeyen lassen zu star-
kem glauben gegen dir und zu herzgrundlicher
lieb unter uns allen umb Jesu Christi, unsers
Hern willen. Amen. Sampt dem segen: DerHerre
segne dich und behuete dich, der Herr erleuchte
sein angesichte uber dich und sei dir gnedig,
der Herr erhebe sein angesichte uber dich und
gebe dir seinen friede durch Jesum Christum,
unsern Hern. Amen.

94 Vgl. Luther, Deutsche Messe. 1526; Sehling I,
S. 16.

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