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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band: Niedersachsen ; 2. Hälfte): Die welfischen Lande: Halbbd. 2, Die Fürstentümer Calenberg-Göttingen und Grubenhagen mit den Städten Göttingen, Northeim, Hannover, Hameln und Einbeck. Die Grafschaften Hoya und Diepholz. Anhang: Das freie Reichsstift Loccum — Tübingen, 1957

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https://doi.org/10.11588/diglit.30041#0242
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Northeim

verwilligte ordnung zu handlen gelusten liesse,
der oder die sollen einem erbarn radt zu straffen
heimgefallen sein.
Ich wil dich aber, freundlicher, lieber leser,
gebeten haben, du wollest uns, ob etwas den
schwachen were nachgegeben, das man wol an-
ders hette machen und ordnen können, nicht
verdenken. Denn du hast dich zu erinnern,
das man mit denen, so frisch zum worte komen,
anders, denn mit denen, so das wort lange ge-
hort und im erkentnis Christi erwachsen sein,
handlen mus. Wie auch Sanct Paul seinen Co-
rinthern aufs erst nicht harte speise, sondern
als kindern in des glaubens sache milch gegeben
hat, 1. Cor. 3 [2]. Wird danach, wenn das wort
ein jar oder zwey getrieben und gedanhelt, die
not erfordern, das man etliche punkte endern
oder bessern sol, in dasselbige endern oder bes-
sern wird sich der predicant mit zuthun3 eins
erbarn radts und der gildenmeister wol zu schicken
wissen. Gott gebe allein gnad, das wir itzt wie
denn, denn wie itzt nichts anders denn sein
ehre und unser seelen heil suchen. Amen. Datum
Northeim am Freitag nach Reminiscere etc.
neununddreissig.
Folget die ordenunge.
Wie es auf die Sontage mit dem predigampt
und gottsdiensten, desgleichen in der wo-
chen auf den Mitwochen und Freitag gehal-
ten werden sol.
Auf die Sontage zwischen fünfen und sechsen
sol man zur metten leuten lassen und dieselbigen
mit dreien psalmen, einer lection, einem respon-
sorio und dem Te Deum laudamus4 singen und
halten. Und wiewol man die latinische sprache
aus der kirchen gar nicht komen lassen sol, so
ist aber doch fur gut angesehen, das das Te
Deum, damit auch in der kirchen die gemeine
nicht vergeblich sey, auf die Sontage und hei-

3 Druckvorlage: = zuthum.
4 Vgl. oben S. 792, Anm. 75; das Te Deum
deutsch (Uebersetzung v. Luther): Wacker-
nagel III, Nr. 31. Ev. Kgb. Nr. 137.
5 Vgl. oben S. 792, Anm. 76.

ligen tage deudsch gesungen werde, doch also,
das der chor einen vers, die ganze kirche den
andern singe.
Wenn das Te Deum aus ist, sol der kapellan
ein capitel aus dem neuen testament one aus-
legung, auf das das volk im text der schrift
leuftig werde, furlesen und darnach mit dem
Benedictus5, deudsch oder lateinisch, und einer
christlichen collecten gemelte metten beschlos-
sen sein lassen.
Zwo predigt sollen auf den Sontag geschehen,
eine in der mess, wenn das Patrem6 gesungen
ist, doch das allezeit hie die sontagsevangelia
bleiben, die ander, wenn die glocke zwelfe
schlecht. Die erste sol durch den predicanten
und pastor selbs, er würde denn trauen durch
krankheit odder andere zufellige sache verhin-
dert, die ander durch den kapellan geschehen.
Und dieweil vorhin das evangelium von der zeit
gehandelt, wird fur gut angesehen, das auf solche
tage die epistel auch verlesen und ausgelegt
werde.
Die vesper sol man auch halten mit etlichen
psalmen, antiphen, hymno und dem Magnificat7,
doch also, das christliche freiheit hierin be-
stehe und, ob man deudsch odder lateinisch
singen würde, gehalten werde. Nach dem Magni-
ficat sol der schulmeister mit der jugent ein
virtel von einer stunde den wittenbergischen
catechismum 8 treiben und im selbigen allen vleis
ankeren, das gemelte jugent in sachen, den
glauben und alles, was dem Christen zu wissen
von nöten, belangen, ernstlich angehalten und
erzogen werde. Denn wozu sie erstlich gehalten
wird, beim selbigen pflegt sie gemeiniglich, wenn
sie erwechset, zu bleiben, wie die schrift sagt:
Adolescens iuxta viam suam, etiam cum senuerit,
non discedet ab ea. Wie man einen knaben ge-
wehnet, so trit er nicht davon, wenn er gleich
alt wird, Prover. 22 [6].
6 = das Nicänum oder Luthers Glaubenslied;
vgl. unten bei Anm. 11 u. 12.
7 Vgl. oben S. 789, Anm. 69.
8 Bek. Schr. 507 ff.

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