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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band: Niedersachsen ; 2. Hälfte): Die welfischen Lande: Halbbd. 2, Die Fürstentümer Calenberg-Göttingen und Grubenhagen mit den Städten Göttingen, Northeim, Hannover, Hameln und Einbeck. Die Grafschaften Hoya und Diepholz. Anhang: Das freie Reichsstift Loccum — Tübingen, 1957

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https://doi.org/10.11588/diglit.30041#0520
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Hoya

Die andern landleufer und gartbrüder44 haben
wir hiebevor durch ein offentlich mandat aus
unsern landen und gebieten verwiesen, dabey wir
es nachmals beruhen lassen. Und wollen unsern
amptsverwaltern hiemit auferlegt und befohlen
haben, das sie berürte landstreicher aus unsern
gebieten verjagen und unsere arme unterthanen,
die wir zu beschützen schüldig, von ihrer prache-
rey, mutwillen und uberfall erretten sollen.
Soviel die rechten armen in unserm lande fer-
ner belanget, ordnen wir, das man in den stedten
und flecken alle Sontage, auf den dörfern aber
alle vierzeitsfeste45 mit dem beutel umbgehen
und für die armen almosen samlen sollen, und
sollen die pastorn die leute zu solcher mildigkeit
fleissig vermanen. Es sollen auch die bürger-
meister und rhat in den stedten, die amptleute
aber in den flecken und dörfem insonderheit
darauf achtung geben, das die almosen den rech-
ten, waren, kenndlichen armen gereicht werden
und die, so der almosen unwirdig, den rechten
armen die almosen nicht entziehen mögen, wel-
ches denn auch die vorsteher der armen, ge-
schworne der kirchen sampt unsern pastorn und
predigern in gute achtung nemen sollen.
Wir ordnen auch, das man den betlenden kna-
ben und megdlein, so zur lehr tüchtig und doch
von den eltern zur schule nicht gehalten wer-
den, sondern ledig gehen und mit fluchen, schwe-
ren, stelen und nemen ihre büberey treiben und
die leute beschweren, nichts geben sol, nachdem
sie solcher almosen und handreichung zur boß-
heit mißbrauchen.
XX.46
Von den kirchengütern, zur fabrica oder
gebeude gehörig.
Dieweil etliche unser unterthanen, so von den
geschwornen der kirchen äcker, wiesen, weide

44 = Landsknechte, die auf der „gart“ (vom
franz. garde) umziehen, zunächst im krie-
gerischen Sinn gebraucht, dann im Sinne des
Bettelns: die dauernd auf der Wacht sind.
„Brüder“, weil sie sich selbst als Bruder-
schaft ansahen; vgl. Grimm, Deutsches Wör-
terbuch IV, 1, 1 (1878), 1382 ff.

und kohlhöfe in besitzung haben, untreu befun-
den werden und mit denselben gütern ohne vor-
gedachte unserer vorsteher wissen und willen
nach ihrem gefallen handeln, dieselben kaufen,
verkaufen, versetzen, erblich verschreiben und
ihren kindern mitgeben, ist unser wille, das die
diaken oder altarleute neben dem pastorn und
fürnembsten des kaspels solche ungetreue, mut-
willige leute (mit rhat unsers consistorii) ent-
setzen mögen und die güter in fromer leute
hende thun, damit die kirche ihre jherliche auf-
kunft nach der güter vermögen bekomen mögen.
Damit auch sich niemand einige erbgerechtigkeit
in solchen neulich angenomenen und ausgethanen
gütern anzumassen habe, sollen die altarleute
dieselben nach verlauf weniger jhar verendern
und andern leuten umb einen jherlichen cano-
nem47 zu gebrauchen einthun. Und so sich hierin
jemand wiederspenstig machen würde, sol ver-
zeichnet und unserm consistorio ubergeben werden.
Wir ordnen auch, das die geschworne der kir-
chen in flecken und dörfern ohn des pastors
vorwissen und willen mit den gütern der kir-
chen nichts handeln oder auch aufheben und
ausgeben sollen, es werde dann von dem pastor
in der kirchen register verzeichnet. Derwegen
sie denn auch zwey register, das eine zu behuff
der einnam, das ander zu behuff der ausgabe,
haben sollen.
XXI.48
Von straff der laster in gemein48a.
Ehebruch, offentliche, mutwillige, strassenrüch-
tige, unverschembde hurerey, megde-, jungfrauen-
und witwenschender, heimlich zusammenlaufen,
blutschenderey und andere unehrliche und un-
ziemliche, unzüchtige mißhandlung und laster,
umb welcher willen der zorn Gottes uber die
welt, land und leute kompt, ordnen wir mit ge-
45 Vgl. oben S. 1151, Anm. 92.
46 Druckvorlage: XXI.
47 = Zins.
48 Druckvorlage: XXII.
48a Dieser Artikel entspricht wesentlich KO 73,
Art. XXVI (Funck, 162).

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