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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 1. Halbband): Erzstift Bremen, Stadt Stade, Stadt Buxtehude, Stift Verden, Stift Osnabrück, Stadt Osnabrück, Grafschaft Ostfriesland und Harlingerland — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30042#0700
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IV. Lutherische Kirchenordnungen mit beschränktem Geltungsbereich
20. Armenordnung für Stadt und Kirchspiel Aurich

1578 l.

Wy Edtzarclt, grave und herr zue Ostfrießland
etc., bevelen unsern ambtleuten, drosten, bürge-
meistern, raetsverwandten 2 und kirchschworen al-
hier zu Awrich:

Nachdeme wy berichtet werden, dat idt ein tidt-
lang nit allerding so ordentlich zwischen den inlen-
dischen bekanten und utlendischen frembden bette-
leren, ock in utdielung der almosen und sonsten, wie
sich woll gepüret hätte, togangen were, diese na-
beschriebene ordnunge ins werk to richten und ernst-
lich daraver to holden.

1 Druckvorlage: Ch. Funck III, 6, 208-211. - Die
Überschrift haben wir hinzugefügt.

2 Seit Erteilung des Stadtprivilegs für Aurich 1539
(gedruckt bei Ch. Funck II, 4, 208ff.) bestand der
Rat aus zwei Bürgermeistern, einem Stadtschreiber
und zwei Oldermannen, an deren Stelle bald die
Ratsherren traten. Bereits 1543 heißt es „Bürger-
meister und Rat der Stadt Aurich“. 1561-1588
Bürgermeister Caspar Freemse; 1570-1591 Bürger-
meister Berend Neyer. Vgl. H. Reimers, Alt Aurich.
1925, 14ff.; E. Keyser, 25; auch Wiarda, Bruch-
stücke zur Geschichte und Topographie der Stadt
Aurich. 1835, 18 f.

3 Diesen Gesichtspunkt betont auch die Emder Ar-
menordnung von 1576; vgl. oben S. 455 f. — Die Em-
der Armenordnung, die ja auch vom gräflichen Dro-
sten approbiert worden war, kann zur Auricher Ar-
menordnung wohl mit die Anregung gegeben haben.

4 = Kirchspiel; vgl. oben S. 22, Anm. 28. - Das
Kirchspiel Aurich mit der Kirchspielskirche St. Lam-
berti (zur Geschichte der Kirche s. Wiarda, aaO.
56ff.; Anklam, Die Lambertikirche zu Aurich.
1928) hat in seinem Bereich neun bis ins Mittelalter
zurückreichende Dörfer (Logen). 1408 werden „Ro-
de“ und „Poppenzen“ (= Rahe und Popens) genannt
(Urkundenbuch I, Nr. 214); 1431 erscheinen Namen
von Einwohnern vier weiterer Logen: Thiarch Men-
ghersna, Nonna Bengana to Hastum (= Haxtum),
Nonna Lyuddisna to Extum, Thiarch Sunkana to

Wallinghusen und Hayo Rynana to Egelstum
(= Egels) (Urkundenbuch I, Nr. 398). Die restlichen
Logen sind Walle, Kirchdorf und Sandhorst. Vgl.
Ch. Funck I, 1, 39. 40 ;W. v. Hodenberg, Die Diö-
cese Bremen II. 1858, 103f. (nach U. Emmius,
Frisiae orient. descr. chorogr. 1616); H. Reimers,

Alt Aurich, 4. 8ff. Vor der Reformation besaß der
Graf von Oldenburg an der Kirche das Patronats-

recht. Der Chronik von Johannes Schiphover (Chro-
nicon Archicomitum Oldenburgensium, in: H. Mei-
bom, Rerum Germanicarum Tom. II. 1688, 151f.)

Alle unnodige bedelers, alß die der untucht, un-
godtlichen levens und des leddigangs rüchtig, sollen
die almißen to genieten nicht gestadet werden 3.

Alle frembde bedelers, die in der stadt noch die-
sem kaspel 4 nicht verarmet seind, sondern mit dem
beddelende sich hergesettet, oder noch um to bedde-
lenden anhero kommen, die sollen wedder wegkge-
wiset werden 5.

Alle die armen, den die almißen gestadet to sam-
len, sollen angeschreven sein 6 und ein teken 7 von
den vorstendern gegeven dragen.

zufolge soll die Kirche St. Lamberti um 1270 vom
Grafen von Oldenburg gestiftet worden sein. Doch
ist die Kirche älter, während das Patronatsrecht sich
anscheinend erst viel später mit Sicherheit nach-
weisen läßt (Stader Copiar von 1420: Item presen-
tatio ecclesie in Aurica spectat ad comitem in Alden-
borch, investitura vero ad scholasticum [= Dom-
scholaster von Bremen]. Item ibidem consuerunt
esse duo rectores... [v. Hodenberg, Bremer Ge-
schichtsquellen I. 1856, 53; Die Diöcese Bremen I.
1858, 224]; aus dem 1428 angelegten Lagerbuch des
Drosten Jacob van der Specken: Dit sint de geyst-
liken leenware, de van den heren to Oldenborch to
lene gan, int erste de kerke to Awerke, und dat
hebbet twe leenwesen und twe kerkheren, item en
vicarie in dersulven kerken, de her Johan van Re-
den, de kerkhere, gemaket heft[H. G. Ehrentraut,
Friesisches Archiv I. 1849, 487; vgl. auch ebd. 451]).
Vermutlich ist aber mit dem „verus praesentator“
in der anläßlich einer Vikariegründung aufgestellten
Urkunde von 1408 (Urkundenbuch I, Nr. 214) be-
reits der Graf von Oldenburg gemeint, der ja auch
1428 ausdrücklich als Patron dieser Vikarie genannt
wird. Noch 1565/67 versuchte der Oldenburger Graf
seine Lehnshoheit über die Kirche geltend zu ma-
chen, fand damit aber keine Beachtung. Vgl. Rei-
mers, Kirchenpatronat, 162ff.; ferner O. G. Hout-
rouw II,93f.; H.W.H.Mithoff VII, 29.Der heilige
Lambertus war Bischof von Maastricht, f 705/06 zu
Lüttich.Gedenktag: 17. September (vgl. oben S. 538).
Vgl. F. v. Sales Doyé, Heilige und Selige der röm.
kath. Kirche I. 1929, 665f.; Butler’s Lives of the
Saints, edited, revised and supplemented by H. Thur-
ston and D. Attwater, III. London 1956, 579f.

5 Hiermit entspricht unsere Ordnung einer Bestim-
mung der Landespolizeiordnung von 1545; vgl.
oben S. 400 f.

6 So auch die Emder Armenordnung von 1576, oben
S. 455.

7 = Zeichen (Armenzeichen); vgl. oben S. 301, Anm. 6.

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