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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Sprengler-Ruppenthal, Anneliese [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 1. Teil): Stift Hildesheim, Stadt Hildesheim, Grafschaft Oldenburg und Herrschaft Jever — Tübingen: J.B.C. Mohr (Paul Siebeck), 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.32954#0031
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1. Das Stiftsgebiet

Der Sturz Heinrichs des Löwen hatte in Niedersachsen die territorialen Gewalten auf den Plan
gerufen. In der Defensive gegen Heinrich begann die Territorialpolitik der Bischöfe von Hildesheim.
Mit der Aufteilung des Lehensbesitzes Heinrichs war die sächsische Vorherrschaft in Norddeutschland
gebrochen1. Die bischöfliche Politik setzte ein mit der Herstellung des Immunitätsgebietes durch die
Rückbildung der Vogteiverfassung, deren Anfänge bis vor 1180 zurückgehen2. Ergänzt wurde sie durch
den Erwerb bzw. Rückerwerb von Grafschafts- und Gerichtsrechten, besonders unter Bischof Otto I.
(1260-1279)3. Die Immunität bedeutete eine Lösung des Immunitätsbezirkes von der königlichen Rechts-
gewalt; sie erstreckte sich immer auf den Besitzstand dessen, dem die Immunität verliehen worden war.
Demgegenüber war die Grafschaft an das Land gebunden4.

Der eigentliche Begründer des Stiftsgebietes ist Bischof Konrad II. (1221-1246) ; denn in seiner
Burgenpolitik ist nach maßgeblicher Ansicht der folgenschwerste Schritt zur endgültigen Landesherr-
schaft zu sehen5 Mit dem Bau bzw. dem Erwerb der Burgen wurde das Territorium in seinem Bestand
gesichert. Von den Burgen aus wurde eine straffe Verwaltung des kirchlichen Grundbesitzes möglich;
dahin wurden die Hoheitsrechte gezogen, und diese wurden territorialisiert. Gleichzeitig wurden die
Burgen Mittelpunkte der Außenpolitik, denn sie waren militärische Stützpunkte, von denen aus ein
weiteres Vordringen möglich wurde. Die Vereinigung von Burg und Grafschaftsbezirk hat für das Hil-
desheimer Bistum den Weg zur Landesherrschaft bedeutet. Die Burgen wurden grenzbildend6 , wurden
Scheidungspunkte, die nicht selten mit den Brückenpunkten zusammenfielen. Begriffe wie „Stift “,
„Gebiet“, „Fürstentum“ treten erst verhältnismäßig spät auf7. Die erst geschaffenen Verwaltungsmittel-
punkte wurden sehr häufig verpfändet8, so daß die einzelnen Teile des Hoheitsgebietes in ständiger
Bewegung blieben.

Die eigentliche bischöfliche Residenz wurde Steuerwald. Entstanden war es, ebenso wie Marienburg9,
im ersten Drittel des 14. Jh.s zur inneren Konsolidierung des Stiftsgebietes im Kampf mit der Stadt
Hildesheim10.

Zu Beginn des 16. Jh.s umfaßte das Stiftsgebiet 23 Amtseinheiten, die jedoch keine festgeschlos-
sene Gebietsmasse bildeten. Teilweise überschritten sie die Diözesangrenzen, teilweise erreichten sie sie

1 Vgl. F. Güterbock, 24ff. ; A. Bertram I, 180ff.; zur Aufteilung des Besitzes nach dem Tode Heinrichs d. Löwen
durch seine Söhne vgl. L. Hüttebräuker, 3ff.

2 K. Janicke-H . Hoogeweg I, Nr. 295 zeigt die sich verhärtende Front gegen die Vögte; Kaiser Friedrich fordert
den Bischof Bruno auf, nicht zu dulden, daß die Vögte sich des Nachlasses der verstorbenen Geistlichen bemächtigen ‚'
vgl. Janicke-Hoogeweg I, Nr. 395, Kaiser Friedrich gestattet dem Hildesheimer Domkapitel, die Vogteirechte
durch Geldentschädigungen an sich zu bringen. Die Immunität wird von Kaiser Heinrich II. 1013 erneuert und
bestätigt, vgl. MGH Diplomata III, Heinrich II. Nr. 256b. Unter Nr. 256a. findet sich ein nicht bestätigtes Diplom,
das die südliche (geforderte?) Grenze des Bistums beschreibt; vgl. dazu W. Heinemann, 31 mit Anm. 140-145.
277 f. Zu den Vogteien und deren Rückkauf vgl. H. A. Lüntzel, Geschichte der Diöcese und Stadt Hildesheim II,
6ff.; A. Barth, 332ff.; A. Werminghoff, 224ff.

3 Vgl. A. Bertram I, 284f.

4 H.-W. Klewitz, 19ff.

5 Friedrich II . bestätigt 1226 dem Bischof das Recht, die zu Lehen gegebenen Vogteien zurückzukaufen; vgl. K. Ja-
nicke-H. Hoogeweg II, Nr. 161. 171; A. Bertram I, 229. Zur Burgenpolitik Janicke-Hoogeweg II,
Nr. 25. 57 u.ö.; Bertram I, 229ff.

6 Vgl. W. Heinemann, 317.

7 Zu dem erst recht spät auftretenden flächenhaften Territorialbegriff vgl. H.-W. Klewitz, 41 f.

8 Vgl. H.—W. Klewitz, 45ff.

9 Vgl. H. A. Lüntzel, Geschichte der Diöcese und Stadt Hildesheim II, 314f.; A. Bertram I, 331f.; J. Gebauer
I, 95 f.

10 Vgl. H. A. Lüntzel, aaO. II, 285f.; A. Bertram I, 316; J. Gebauer I, 85f.

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