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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Sprengler-Ruppenthal, Anneliese [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 1. Teil): Stift Hildesheim, Stadt Hildesheim, Grafschaft Oldenburg und Herrschaft Jever — Tübingen: J.B.C. Mohr (Paul Siebeck), 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.32954#0097
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dreas auf Befehl des Rates und der Samtregierung anstelle von Selneccer zum Superintendenten angenom-
men. Bei der rund drei Jahre zuvor erfolgten Berufung Selneccers hatte man dieselben Prinzipien befolgt,
dabei freilich der Berühmtheit Selneccers Rechnung tragend ; hier konnte man sich mit den vornehmsten
Theologen der deutschen Nation beraten. Die Pflichten des Superintendenten erstreckten sich auf die
Reinerhaltung der Lehre, Fürsorge für Frieden und Einigkeit unter allen Stadtbewohnern, für Innehal-
tung des Augsburger Religionsfriedens, der städtischen Polizei-, Kirchen- und Schulordnung. Als für
die Lehre maßgeblich erscheint es für Selneccer offenbar ausreichend, allein die Konkordienformel zu
nennen, während in Heßhusius’ Bestallungsurkunde auch die Augsburgische Konfession und die beiden
Bekenntnisschriften zugeordneten Apologien aufgeführt werden. Die Aufsicht darüber, daß auch andere
sich an diese Lehre und Bekenntnisschriften halten, ist eine der vornehmsten Pflichten des Superinten-
denten. Neben dem Predigtdienst obliegt ihm dann entsprechend der Bugenhagenschen KO die Abhal-
tung von theologischen Lektionen, weiter Schulvisitation, Mitarbeit im Konsistorium, Predigtvisitation
bei den anderen Mitgliedern des geistlichen Ministeriums. Den Superintendenten ist auch in besonderer
Weise die Kirchenzucht anvertraut. Doch ist man auf ein gutes Verhältnis zwischen der Stadiregierung
und den Superintendenten bedacht. Was die Besoldung betrifft, so beleuchtet Heßhusens Bestallungs-
urkunde nochmals die Tätigkeit der Kastenherren von St. Andreas, die für die Zahlung des Gehaltes
zuständig sind. Die Lektionen werden besonders honoriert, zur Hälfte durch den Rat aus der Stadt-
kämmerei.

Nach dem Fortgang Selneccers aus Hildesheim und seinem kurz darauf erfolgten Tod in Leipzig
am 24. Mai 1592 trat im Hildesheimer Superintendentenamt für kurze Zeit eine Vakanz ein. Der Samt-
rat und die 24 Mann beauftragten andere Pfarrer mit der Wahrnehmung des sonst vom Superintendenten
versehenen Predigtdienstes. Die Kastenherren von St. Andreas erhielten Anweisung, für eine angemes-
sene Besoldung zu sorgen. Den beauftragten Predigern wurde gestattet, zur Verrichtung der Wochen-
predigten auch die Schulgesellen heranzuziehen. Erwähnenswert ist der Vorgang insbesondere deshalb,
weil er das kirchenregimentliche Wirken des Rates beleuchtet, der bei den Belangen des geistlichen Mini-
steriums immer wieder seine Hand im Spiele hat7 .

9. Organist, Küster und Kastenherren

Die kleine Pfarre St. Paulus gewann bis zur Mitte des 16. Jhs ziemlichen Zulauf. Rat und Kasten-
herren sahen sich 1551 genötigt, eine Regelung über das Frauengestühl zu treffen, da es anscheinend
häufig vorkam, daß außerhalb der Parochie wohnende bzw. verzogene Frauen dorthin zum Gottesdienst
kamen. Das Frauengestühl wurde von den Kastenherren verkauft an Frauen der Parochie und blieb in.
deren Besitz, solange sie dort wohnten, ggf. auf Lebenszeit. Nach dem Tod eimer Frau konnte der Ehe-
mann den Platz innerhalb von vier Wochen einlösen, bei dem Tod einer Jungfrau deren Schwester1 .

Die kurze Bestallungsordnung für den Organisten Severin Kroschen an St. Andreas2 zeigt neben
dem dortigen Opfermann die Kastenherren am Wirken, wie wir sie auch zugunsten der Schule in

7 Ratsbeschluß vom 28. Nov. 1592; Stadt-A. Hildesheim, Akte 89/287a. Vgl. dazu Hs. Altstadt 154, Bd. 2, S. 36b—37:
„Radtschlag uf die prediger und schuldiener etc.“ vom 1. Nov. 1593 betr. die Besoldung der mit der Vertretung des
Superintendenten beauftragten Prediger und Schuldiener.

1 Text Nr. 4 nach dem Konzept im Stadt-A. Hildesheim, Akte 89/615a ,Zum Vergleich herangezogen ist eine Abschrift,
aaO. Akte 36/23. Unten S. 893f.

2 Text Nr. 6 nach dem Original aus dem Pfarrarchiv St. Andreae, A 241 (Kirchenbuchamt). — Organisten werden
1463 (Urkundenbuch VII, Nr. 472), 1474 (Urkundenbuch VII, S. 682) und 1477 (Urkundenbuch VII, S. 687)
erwähnt; jedoch wird die Kirche nicht genannt. Ebenso erscheinen im Unionsvertrag zwischen Alt- und Neustadt
von 1583 Organisten ( Urkundenbuch VIII, S. 820).

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