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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sprengler-Ruppenthal, Anneliese [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 1. Teil): Stift Hildesheim, Stadt Hildesheim, Grafschaft Oldenburg und Herrschaft Jever — Tübingen: J.B.C. Mohr (Paul Siebeck), 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.32954#0110
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Kirchenordnung 1544

hören, wenn wy sterven, unde hebben den hilligen
Geist unde solcken mot unde kindlick3 herte to
Godde, dat wy yn allen nöden lives unde der seelen
to öhm alse de kinder tom Vader lopen können unde
bidden van öhm ym namen Christi allent, wat wy
willen. Ys dat nicht eine grote unutsprecklike gnade
Goddes dorch Christum allene, de uns ym evangelio
angeboden wert, unde wy se annemen mit dem ge-
loven an Christum, alse Christus secht Johan. 14
[6]: Ick byn de wech, de warheit unde dat levent.
Nemant kümpt tom Vader, allene dorch my. Unde
Petrus Act. 4 [12]: Nen ander name ys den lüden
gegeven under dem hemmele, dardorch se können
salich werden, sunder allene de name Jhesu Christi.
Unde Paulus Gala. 2 [16]: Scientes quod non iusti-
ficatur homo ex operibus legis, nisi per fidem in
Christum. Den articulum iustificationis, dat ys, wo
wy unser sünden loss unde rechtverdich werden vor
Godde geachtet, nömlick allene dorch den geloven
an Christum, schal me uns flitich und reine predigen,
dat wy Jhesum Christum, den Söne Goddes, umme
unsentwillen minsche geworden, recht leren, mit
syner erlösinge erkennen und van dage to dagen
wassen und tonemen yn syner erkentnisse, Phil. 3
[8ff.] etc. [vgl. 2. Petr 3, 18]. Wente wenn men des
artikels iustificationis feilet, so ys alles vorloren.
Wenn men överst den artikel flitich mit der lere
drivet, so wert uns gewisse salicheit angeboden yn
Jhesu Christo, unsem Heren. Amen.

Tom andern schöllen unse predicanten darna ock Gude werke.
leren, dat de kinder Goddes ock gude werke don
unde heven an, den olden Adam yn sick to dödende
mit synen lüsten, dat wy nicht don allent, wat uns
gelüstet, Ephe. 4, 5, 6. Gude werke överst synt
allene, de Godt yn den tein geboden van uns förde-
ren, de heten: Godt leven unde unsen negesten
leven [Mt 22, 37-40]. Dar wörde wy alto vele to
donde krigen, alse dat wy ock noch möten ane un-
derlat beden: Vorgiff uns unse schuld, alse wy vor-
geven unsen schüldigern [Mt 6, 12]. Minschenge-
boden unde minschenlere schöllen uns nicht mer er-
dichtede gude werke unde valsche goddesdenste
maken. Wente Christus secht ut dem Jhesaia,
Mathe. 25 [Mt 15, 9]: Vorgeves denen se my (dat ys,
alle öhre goddesdenst ys vorloren unde nicht), de-
wile se leren minschenlere unde minschengebode.
Nen bischop hefft macht, uns nye goddesdenst to
makende, de uns van Godde nicht synt bevolen4.
Tom drüdden schöllen unse prediger van der döpe Döpe.
unde aventmale Christi leren, worto uns solcke sa-
cramente gegeven synt, unde dat men se nicht anders
geven edder nemen, ock nicht anders lere to gevende
noch to nemende, denn alse Christus se yngesettet
unde bevolen hefft. Papensantelent unde -smerent5
dörve6 wy tor döpe nicht, wy willen nicht anders
edder beter gedofft syn, denn alse Christus ynge-
settet unde bevolen hefft, unde alse de leven apostele
geleret unde gedofft hebben, welck klar ys ut der

82 f. 124. 151. Entsprechend KO für Dänemark
usw. 1537; E.Feddersen, 10f.). Von entscheiden-
dem Einfluß, insbesondere bezüglich der jeweiligen
Herausstellung von Buße, Glauben und guten Wer-
ken in den drei Hauptstücken der Lehre, dürfte Me-
lanchthons Unterricht der Visitatoren an die Pfarr-
herrn im Kurfürstentum zu Sachsen (Michelsen weist
auf die Bedeutung von Melanchthons lateinischer
Vorarbeit hin: Articuli de quibus egerunt per visita-
tores in regione Saxoniae. 1527; CR 26, 7ff.) gewesen
sein (Sehling I, 152f.). Sündenerkenntnis, Glaube,
gute Werke als Wesensinhalt der ev. Predigt lassen
sich freilich auch schon aus Bugenhagens kirchen-
rechtlichem Konzept von 1526 (vgl. oben S. 834,
Anm. 33) erkennen. Nach der Darlegung der Lehre
die Wendung: ,,To sülker lere överst bedarf me gude
predyckere...". (Bl. Zr u. S. CCXXXVIII). - In
unserer Hildesheimer KO stimmt das Kapitel fast
wörtlich (nur geringfügige Varianten, die hier nicht
aufgeführt werden) mit dem entsprechenden der

Wolfenbüttler KO von 1543 überein. Bemerkens-
wert ist, daß auch hier die Vorstellung des tätigen
Lehrens beherrschend ist. ,,Lehre" bedeutet noch
kein formelhaft erstarrtes Lehrgebäude.
2 Druckvorlage: Gott.
3 Druckvorlage: bindlick.
4 Schon 1526 stellt Bugenhagen als allein zu befolgen
das göttliche Liebesgebot heraus. Zusammenfassend
aaO. Bl. Y III v: ,,To dem ersten schal me leren unde
weten dat gesette, dat ys, de teyen gebade Gades,
unde de nicht vorstän allene na den utwendygen
werken alse de phariseyere Matt. 5, sünder weten,
dat dat gesette geystlick sy, Ro. 7, dat ys, dat ydt
van uns fördert geystlike dynge, ein nye herte, de leve
Gades baven alle unde de leve unses negesten gelyck
uns sülvest...". (vgl. auch 2.Aufl.., S. CCXXXIII).
5 = Pfaffenweihen, -segnen bzw. = -schmieren, sal-
ben, ölen; vgl. Lasch und Borchling III, 27. 295f.
6 = bedürfen, brauchen; vgl. Schiller und Lübben
I, 555f.; Lasch und Borchling I, 460.

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