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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Sprengler-Ruppenthal, Anneliese [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 1. Teil): Stift Hildesheim, Stadt Hildesheim, Grafschaft Oldenburg und Herrschaft Jever — Tübingen: J.B.C. Mohr (Paul Siebeck), 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.32954#0114
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Kirchenordnung 1544

Alle stende.

steln tom Tito. Dat können unse predicanten alder-
meist don, wenn se den catechismum flitich leren,
dat se nicht allene des Söndages fro, sunder ock yn
sünderliken tiden des jars, na vorordeninge des
superintendenten, predigen schöllen.
To solcken leren unde wat se mer schöllen leren, Böke.
schöllen [se] flitich de biblia, dat ys de hillige schrift,
lesen unde hebben süs ock andere gude böke, Postil-
lam Lutheri22, Galathas23, ock Locos communes24,
Apologiam25, Romanos Philippi26, den Psalmum
Afferte etc. Pomerani27 van den kindern, de wy
gerne wolden döpen unde können nicht, unde andere
gude böke, nicht unnütte etc.

unde richten recht, dem armen alse dem riken, alse
de hillige könnink Josaphat syne richter unde ampt-
lüde vormanet, 2. Paralip.. 29 [= 2. Chr 19, 6f.].
Tom sövenden schöllen ock unse predicanten leren
unde underrichten alle stende, van Godde vor-
ordent: heren, underdanen, predicanten, hussheren
unde hussfrouwen, kinder, knechte unde megede21
(under welckeren stenden synt nicht de misspapen),
dat se trüwlick don, wat öhr ampt ys, dat synt öhre
guden werke. Unde dat se weten schöllen, dat se
Godde wolgefallen yn öhrem ampte, so se anders
Christen synt, so leren de leven apostel Petrus unde
Paulus, alse du aldermeist süst yn der korten epi-

21 Drei Stände sind es, die Luther zufolge von Gott ein-
gesetzt sind: das Priesteramt, der Ehestand, die
weltliche Obrigkeit (vgl. Vom Abendmahl Christi,
Bekenntnis. 1528; WA 26, 504 f.). Durch Zuordnung
zu diesen Ständen wird aber die gesamte mensch-
liche Gesellschaft gegliedert. Dem Priesteramt
werden neben den Predigern die Vorsteher des ge-
meinen Kastens, die Küster und Boten oder Knechte,
die solchen Personen dienen, zugerechnet. Zum Ehe-
stand, d. h. eigentlich Hausstand, zählen auch
Kinder oder Gesinde, Witwen und Jungfrauen, die
zum Haus und Haushalten gehören. Zum Stand der
weltlichen Obrigkeit gehören auch Richter, Amt-
leute, Kanzler, Schreiber, Knechte und Mägde und
alle, die solchen dienen, dazu alle die untertänig ge-
horsam sind. Der Ehe- oder Hausstand kann sich
dabei mit den anderen beiden Ständen überschnei-
den; im Sog der Zwei-Regimenten-Lehre gehört er
zum Bereich des weltlichen Regiments (vgl. oben
S. 833f., Anm. 31). Luthers Drei-Stände-Lehre setzt
also keine starre soziologische Schichtung, keine Ein-
teilung der Gesellschaft in Klassen. Sie ist bestimmt
von dem Gedanken an das Gott wohlgefällige
,,Werk", das jeder an seinem Platz auszuüben hat.
Oftmals hat Luther das Drei-Stände-Prinzip auch
selbst durchbrochen. Vgl. weiter zu Luthers Drei-
Stände-Lehre Kl. Katechismus, Die Haustafel (Bek.
Schr., 523ff.); Gr. Katechismus, Das vierde Gepot
(Bek. Schr., 586ff.); Von den Konziliis und Kirchen.
1539 (WA 50, 652). Dazu W.Elert, Morphologie des
Luthertums II2. 1958, 49ff.; Erik Wolf, Ordnung
der Kirche. 1961, 387. Aus Bugenhagens Konzeption
leuchtet die Drei-Stände-Lehre wohl hindurch; die
Dreizahl scheint er aber vermeiden zu wollen.
22 Luthers Kirchenpostille: WA 10 I, 1 u. 2; 17, II;
21/22. Die Kirchenpostille erschien seit 1522, zuerst
in Teilpostillen, 1527 in einer Ausgabe über die
,,Episteln vnd Euangelien durchs gantz jar". Biblio-
graphie in WA 10 I, 2, XIII ff. Vgl. auch K. Aland,
Hilfsbuch zum Lutherstudium3. 1970, 102. 187ff.
23 In epistolam S. Pauli ad Galatas commentarius, ex

praelectione D. M. Lutheri collectus. 1535 (nach
Luthers Vorlesung 1531); WA 40 I, 15-688; WA 40
II, 1-184. Vgl. K. Aland, aaO. 75f.
24 Melanchthon, Loci theologici, prima, secunda et
tertia eorum aetas, grundlegende Drucke: Witten-
berg 1521, 1535, 1543/44. Vgl. CR 21, 82ff.; MW II,
1, 3ff.
25 Bek. Schr., 139ff.
26 Commentarii in Epistolam Pauli ad Romanos etc.
a Philippo Melanthone, Anno 1532. Vgl. CR 15,
493ff.; MW V, 25ff.
27 Der XXIX. Psalm ausgelegt / Durch Doctor Johan
Bugenhagen / Pomern. Darinnen auch von der Kin-
der Tauffe. Item von den vngeborn Kindern / vnd
von den Kindern die man nicht teuffen kan. Ein
Trost D. Martini Luthers für die Weibern / welchen
es vngerat gegangen ist mit Kinder geberen. Anno
M.D.XLII. (Am Schluß:) Gedrückt zu Wittemberg
durch Joseph Klug. Anno M. D.XLII.(Quart, Expl.
der Nieders. Staats- und Universitätsbibliothek
Göttingen, Autogr. amic. Lutheri I, 11; vgl. auch G.
Geisenhof, Bibliotheca Bugenhagiana. 1963, Nr.
307ff.). Das Büchlein stammt hauptsächlich von
Bugenhagen. Als Bugenhagen mit seiner Schrift
fertig war, zeigte sich Luther damit nicht ganz zu-
frieden. Von Bugenhagen dazu aufgefordert, versah
er es mit einem Zusatz. Dazu Bugenhagen, aaO.
Bl. H. IV v/J: ,,Da ich dieses geschrieben hatte von
den kindlein, las es Doctor Martinus Luther und lies
es ihm gefallen. Er wolte aber, das ich auch hinzu solt
setzen einen trost den weibern, welchen es ubel vor
dieser zeit geraten ist mit der geburt und meinen, das
sie in solchen nöten nicht gebettet und Gott die
sache nicht befohlen haben. Denn es ist gewis war
(ob sie wol auch nicht wusten in solcher angst, das
sie betteten), das sie mit unaussprechlichem seufzen
(Rom. 8) gebettet haben und hetten gern gewolt
ihre eigen leben daran setzen und verlieren, das ihr
armes kindlein getauft hett mögen werden, welches
gebet gnug ist, wenn schon kein ander gebet da ist. -
Aber ich antwortet meinem lieben vatern und

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