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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Sprengler-Ruppenthal, Anneliese [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 1. Teil): Stift Hildesheim, Stadt Hildesheim, Grafschaft Oldenburg und Herrschaft Jever — Tübingen: J.B.C. Mohr (Paul Siebeck), 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.32954#0126
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Kirchenordnung 1544

Patri. Tom lesten: Te Deum laudamus25 mit einer
collecta unde Benedicamus.
Yn der vesper des Söndages edder festdage schal
alle dink ane de letanie geholden werden, alse to-
vören van den vespern der hilligen avende gesecht
ys. Overst na dem hymno schal balde de predige ge-
schen. Darna schal de ganze kercke singen dat
düdesche Magnificat unde Nunc dimittis26. Darna
eine collecta unde Benedicamus.
Wo överst dat singent to lank wörde, dat de
predige dardorch möchte vorhindert werden, so
mach de kerckhere dem scholmester gebeden, de
senge to vorkörten.
Van dem aventetende Christi des hilligen
dages1
Alle winkelmissen2 unde godtlose missen schöllen
ganz unde gar nu vordan affgedan syn unde by
unser högesten straffe vorboden. Wente dar schal
nicht mer denn eine gemene misse vor dejennen, so
sick berichten laten willen, geholden werden, wente
de misse ys nicht anders denn allene ein gebruck des
aventmals des Heren, to troste den kranken con-
scientien unde darbeneven, den dodt des Heren to
vorkündigen.
Eine gemene misse schal des Söndages vor de-

25 Vgl. oben Anm. 9.
Das Canticum Simeons (Luk 2, 29-32) gehört zum
Completorium; vgl. Sehling VII, 1, 153, Anm. 35
(Lit.).
1 Dies Kapitel lehnt sich weithin eng, teils wörtlich,
an das entsprechende der Wolfenbüttler KO von
1543 (Sehling VI, 1, 53ff.) an, weist jedoch auch
erhebliche Varianten auf. Wolfenbüttel ist oft aus-
führlicher. (Vgl. Anm. 7. 27. 28. 31. 33). Ein großer
Teil des Kapitels lehnt sich auch fast wörtlich an
Schleswig-Holstein 1542 an (das entsprechende Ka-
pitel bei E. Michelsen, 24-29; ebd. 26ff. weit-
gehende Übereinstimmung mit unserem Text hinter
Ziffer 11 ,, ... doch allene up düdesch ..." bis hinter
Ziffer 29 ,, ... hört ock up de sank", vor Ziffer 31
,, ... list de prester ..." bis zum Ende des Kapitels).
Ähnlich Dänemark usw. 1537 (E.Feddersen,
15-17). Vgl. des weiteren Braunschweiger KO von
1528 (Sehling VI, 1, 405-439); Hamburger KO von
1529 (Sehling V, 525-530); Lübecker KO von 1531
(Sehling V, 348); Pommersche KO von 1535 (Seh-
ling IV, 340-342). Dazu vgl. J.H.Bergsma, Die
Reform der Meßliturgie durch Johannes Bugen-
hagen (1485-1558). 1966.

jennen, so sick berichten laten willen, yn gewönt-
lickem misgewande geholden werden up einem
altare, dat darto beredet unde bedecket schal syn mit
gewöntlickem handgerede, alse kelcke, lichte etc.
Solcke gewöntlike eere der kleder unde der lichte
beholde wy allene des hilligen dages unde achten se
doch nicht vannöden tom sacramente. Dat bewise
wy darmede, dat unse predicanten des werkeldages
yn der kercken unde den kranken alletidt yn den
hüsen dat werdige sacramente na Christus bevele
handelen unde geven ane alle solcke geprenge.
Solcke dinge holde wy fry unde achtent nicht vor
sünde, went so nicht geholden wörde3. Darumme
dewile wy nu weten unse christlike fryheit yn den
dingen, de uns van Godde noch geboden noch vor-
boden synt, so wille wy nicht hören einen errigen
geist, de uns leren wille, dat me tom sacramente
möte hebben solcke kledere unde lichte, anders men
sündige. Desgeliken ock wedderumme wille wy ydt
nicht hören edder liden, wenn ein errich geist edder
nye swermer wil leren unde schrien, men möte nicht
solcke kledere unde lichte hebben by dem sacra-
mente, ydt sy sünde. Unde he könde ydt nicht över
syne conscientien bringen, dat he einen casel4
scholde anten. Wente se al beide van beyden syden
weten nicht, wat christlike fryheit ys, unde reden
lögen ut öhrem herten, maken uns nye gesette. Dat
2 = Privatmessen an Nebenaltären in den Winkeln
der Kirche. Vgl. dazu Luther, Von der Winkel-
messe und Pfaffenweihe 1533; WA 38, 195-256.
Ebd. 200 (zum Opferpfaffen gesprochen:) ,,Nu weis
die christliche gemeine von deiner messe nichts,
höret von dir nichts, empfehet von dir nichts, son-
dern du schweigest dort im winkel und frissest es
allein, der du doch ungleubig und unwirdig bist, und
speisest niemand damit, sondern verkeufest es als
dein ubrig gut werk ..."
3 Es geht hier um die Adiaphora, res mediae, Dinge,
die weder gut noch böse sind (so nach der stoischen
Ethik); vgl; W.Trillhaas, EKL I, 41f. Vgl. dazu
oben S. 833, Anm. 28.
4 = das eigentliche priesterliche Meßgewand (vestis
sacerdotalis), auch als planeta bezeichnet, ursprüng-
lich ein ärmelloser, lang herabfallender Mantel für
den Profangebrauch, zu Beginn des Mittelalters aus-
schließlich in den priesterlich-liturgischen Bereich
übergegangen, dann in der Form verschiedentlich
abgewandelt, in den Farben nach den Zeiten des
Kirchenjahres wechselnd, mit Verzierungen und Bil-
dern geschmückt. Als planeta erscheint dieses Klei-

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