Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Sprengler-Ruppenthal, Anneliese [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 1. Teil): Stift Hildesheim, Stadt Hildesheim, Grafschaft Oldenburg und Herrschaft Jever — Tübingen: J.B.C. Mohr (Paul Siebeck), 1980

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.32954#0172
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Sittenordnung 1562

strafft werden8 . So auch eine geschwegte weibsper-
son im hare gehend9 befunden und ihre haupt mit
einem tuch nicht decken wurde, sol dieselbe mit
rauten gestaupt und auß unser stadt vorweiset
werden.
Wan uns auch vielfeltig furkumpt, das von etli-

8 Zur Strafe vgl. die Peinliche Halsgerichtsordnung
von 1532: ,,123 Straff der verkuppelung und helfen
zum ehehruch. Nachdem zum dickernmall die un-
verstendigen weibsbilde, und zuvor die unschuldi-
gen meydlin, die sunst unverleumbt eerliche perso-
nen seind, durch etliche bose menschen, mann und
weiber, boser betruglicher weiss, damit ihne ir junk-
fraulich oder fraulich eere entnomen, zu sündlichen
fleischlichen werken gezogen werden, dieselben boss-
haftigen kupler und kupplerin auch diejennen, so
wissentlicher, geferlicher und bösshaftiger weiss ire
heuser darzu leyhen oder solliches in iren heusern
zu gescheen gestatten, sollen nach gelegenheit der
verhandlung und rat der rechtsverstendigen, es sey
mit verweisung des lands, stellung in branger, ab-
schneydung der oren oder aushauunge mit ruten
oder anderm, gestrafft werden"; vgl. J. Kohler -
W. Scheel, Die Carolina und ihre Vorgängerinnen,
Bd. 1, Die Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls
V. Constitutio criminalis carohna. 1900, 64; Koch-
Senckenberg, Neue und vollständigere Samm-
lung der Reichsabschiede. 1747, Th. 2, 385.
9 Langes, frei herabfallendes Haar war bei den Ger-
manen das Zeichen der unberührten Ehre, während
gefallenen und unfreien Weibern die Haare gescho-
ren wurden; vgl. K. Weinhold, Die deutsche Frau
in dem Mittelalter. Ein Beitrag zu den Hausalter-
thümern der Germanen. 1851, 451. Da das lang
herabfallende Haar ein Zeichen der Unverheirateten
war, schlug die Neuvermählte es in einen Knoten
oder band es; vgl. J. Grimm, aaO. 612. Die Hildes-
heimer Statutensammlung von 1440 enthält eine
Bekleidungsvorschrift für unehrenhafte Frauen:
,,Wur se gan uppe den straten, so schullen se de
hoyken [mantelartiger Überwurf, der über den
Kopf genommen wurde; vgl. Grimm, Deutsches
Wörterbuch IV, 2, 1731] uppe oren hoveden hebben
eder se schullen den regendok, den se dragen, mit
dem hoyken uppe dem hovede eder schulderen be-
decken"; vgl. Urkundenbuch IV, Nr. 371. Der Ehe-
ordnung von 1605 zufolge durften nur Jungfrauen
unbedeckten Hauptes zur Kirche gehen; vgl. F. E.
Pufendorf, Observationes juris universi.IV, 1770,
Appendix 15, 317. Für Peine galt als Privileg, daß
die Töchter der Freien, ,,wan sie heiraten, auch
wenn sie zur copulation nach der kirchen gehen, die
haare auf den rücken hängen und fliegen lassen dür-
fen, welches sonst keiner bauerstochter erlaubet
wird"; vgl. R. A. Nolten, Diatribe de iuribus et
consuetudinibus circa villicos. 1738, 150.

chen unsern borgern und burgerschen ubermessige
vorzinsunge auf ausgeliehen geld wird genomen,
setzen, ordnen und wollen wir, das hinfuro kein
unser burger oder burgersche von dem andern uff
hundert gulden furgestreckts gelds mer dan funf
gulden10 der ausgeliehen werunge pro interesse soll

10 Obwohl das Nehmen von Zinsen in der Kirche
schon früh verworfen wurde, beschränkte sich die
offizielle kirchliche Gesetzgebung im allgemeinen
darauf, die Kleriker mit entsprechenden Verboten
zu belegen; vgl. z.B. Konzil von Nicäa 325, c. 17,
im Corp. iur. can., Decr. Grat. I, dist. XLVII, c. 2
(Friedberg I, 169f.) u. ebd. II, caus. XIV, quest.
IV, c. 7 (aaO. 737). Die bedeutendsten Kirchenleh-
rer traten jedoch dafür ein, daß alle Christen ohne
Zinsen leihen sollten; so auch Leo I. in einem Brief
von 447, dessen einschlägigen Passus Gratian auf-
genommen hat: aaO. II, caus. XIV, quest. IV, c. 8
(Friedberg I, 737). Im fränkischen Reich wurde
das Zinsverbot auf die Laien ausgedehnt. Die Ad-
monitio generalis von 789, c. 5 (MG Capit. Reg.
Franc. I, 54) bestimmte allgemein: ,,In eodem con-
cilio (Nicaeno) seu in decretis Leonis necnon et in
canonibus quae dicuntur apostolorum, sicut et in
lege ipse Dominus praecepit, omnino omnibus inter-
dictum est ad usuram aliquid dare." Ein allgemeines
Zinsverbot für die abendländische Christenheit
wurde auf der 2. Lateransynode 1139 erlassen; vgl.
Mansi XXI, 529f.; C. J. v. Hefele, Concilienge-
schichte V2. 1886, 441; dazu ebd. 249. Entspre-
chende Verbote bzw. Ausführungsbestimmungen
dazu ergingen noch häufig. Zur vielfältigen Umge-
hung des Zinsverbotes z. Z. des Frühkapitalismus
vgl. bes. E. Salin, Politische Ökonomie. 1967,
32 ff. 37 f. Erlaubt war der sog. Rentenkauf; von
Anfang an von der Kirche geduldet, wurde er 1425
durch Papst Martin V. definitiv als zulässig erklärt.
Es handelt sich dabei um eine Kapitaleinlage auf ein
Grundstück o.ä., wobei der Grundstücksbesitzer als
Rentenverkäufer, der das Kapital Einlegende als
Rentenkäufer auftrat; entsprechende Kapitalein-
lagen wurden dann auch bei Handelsunternehmun-
gen getätigt. Luther gegen das Zinsnehmen beim
einfachen Darlehen: ,,wyr sollen geben frey umb-
sonst yderman, der seyn bedarf odder begeret";
Großer Sermon vom Wucher. 1520; WA 6, 41. L.
zeigt aber auch die Gefahr und Unsolidität der auf
Kreditwesen aufgebauten frühkapitalistischen Wirt-
schaft auf; vgl. Von Kaufshandlung und Wucher.
1524; WA 15, 293ff. (hier wendet er sich z.B. auch
gegen das Monopolwesen, gegen Kartelle und Syn-
dikate). Weiter vgl. An die Pfarrherrn, wider den
Wucher zu predigen, Vermahnung. 1540; WA 51,
331ff. (nur in wenigen Ausnahmefällen darf mehr
genommen werden, als geliehen worden ist; z.B.
wird Witwen, Waisen und dürftigen Personen, die
897
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften