Schulordnung 1574/1618
sunden, undankbarkeit und unbußfertigkeit er-
wecken muge, wie eß dan albereit leider fur augen
und numehr in dießen letzten zeiten keines beßern,
sondern vielmehr ergers (wo nicht Gott mit sonder-
lichen gnaden darein sehen wird) zu hoffen und zu
gewarten ist; uber das braucht der teufel nicht
allein den griff, das er rechtschaffene, christliche
schulen zerruttet und denen, so unter dem namen
warer, christlichen lehre und schein der Augspur-
gischen Confession8 allerley irrtumb außspeyen und
außbreiten, freye, offentliche hoheschulen, so doch
billig nach den worten des Herrn Christi rechte
mordergruben genennet werden mugen [vgl. Mt 21,
13; Mk 11, 17; Luk 19, 45f.], eingereumet, sondern
er wil auch nu bey seinen getreuen bauchknechten
seine conventicula oder morderschulen haben und
halten, derwegen hat er in dießen letzten zeiten den
neuen orden deren, so sich felschlich, bößlich und
teuflischerweise Jesuiter oder Fratres Jesu9nennen,
da sie doch billig Jesuwiederwertigen sich nennen
solten, alß sie auch in der warheit sind, erwecket
und alß sein rechtes letztes unkraut unter dem
christlichen namen und samen mit untergeseet,
8 Gemeint ist die Confessio Augustana Variata, die
1540 durch Melanchthon besorgte lat. Quartausgabe
der CA mit Änderungen auch dogmatischer Art, ins-
besondere einer Abänderung des Artikels X (De
coena Domini) unter Berücksichtigung der Witten-
berger Konkordie von 1536. Abdruck der Conf. Aug.
Var.: MW VI, 12ff. Vgl. dazu Sehling VII, 1, 265f.
mit Anm. 11.
9 Erster Jesuitenpater in Hildesheim war Johann
Hammer vom Kollegium in Heiligenstadt. Weih-
nachten 1587 predigte er zuerst in der Antoniuska-
pelle. Im folgenden Jahr begann der katechetische
Unterricht. 1590 kam Martinus Petz nach Hildes-
heim; den Patres wurde eine Wohnung und Ein-
künfte zugewiesen. Die pastorale und katechetische
Tätigkeit in der Stadt und den umliegenden Dörfern
erweiterte sich schnell. Gepredigt wurde im Dom;
man verhandelte über die Ubernahme der Dom-
schule. 1595 am 3. April wurde im alten cubiculum
des Propstes über der Antoniuskapelle die erste
grammatische Klasse eröffnet, in die 60 Schüler der
Domschule aufgenommen wurden. (Als Elementar-
schule blieb diese jedoch bestehen.) Erster Lehrer
war Paulus Cewin. Im Okt. wurde die 2. grammati-
sche Klasse eingerichtet. 1597 sind 3 Klassen genannt.
1606 wurde die Hildesheimer Niederlassung der Je-
suiten zum Kollegium erhoben. 1603 wurden die
Klassen in ein Gebäude zusammengelegt und das
Glockenzeichen zu Anfang und Ende der Lektion
eingeführt. Mit einer classis humanitatis (Poetica)
durch die, alß in welcher aller mund, er ein rechter
giftiger lugengeist ist, er das ganze bapstumb mit
aller gewaft verhofft, wieder in sein ess10 und vori-
gen stand zu bringen, der Herr Jesus wehre und
steure ihnen. Amen.
Die sind nu nicht der hundischen bauchknechte
und unfletigen mastseue, wie das ander pabsts-
gesinde ist in ihren klöstern und stiften, wiewoll sie
in deme an ihn auch nicht mangeln laßen, sondern
sie werden von jugend auf zum studieren gehalten
und darinnen erzogen, das sie der freyen kunsten
und sprachen recht kundig werden, darnach richten
sie hin und herwieder schulen an, hengen die jugend
mit list und schmeichlerey an sich, laßens ihnen
sauer werden mit studieren, leren und predigen, auf
das sie also alß treue diener des bapsts, ihrer mutter,
und dargegen warhaftige wiedersacher Jesu Christi
erfunden werden mugen. Was aber ihr gebuhren
lohn sein solle, wird sich an jenem tage woll finden.
Letztlich so gehet eß bey uns, die wir ja (Gott
lob) die rechte, reine lehre göttliches wortes noch
haben, (Gott gebe biß an jenen tag) auch gar
schwechlich und schwerlich zu, denn man siehet, wie
1604 und einer der Rhetorik 1607 hatte das Gym-
nasium 5 Klassen und unter dem Rektor Nicolaus
Hüneken (1610-1619) 300-320 Schüler. An der
Schule wurden Griechisch unterrichtetsowie theolo-
gische und philosophische Vorträge gehalten.
Obwohl auch protestantische Bürger ihre Kinder
zur Schule der Jesuiten schickten, hatten die Patres
unter den Anfeindungen und tätlichen Angriffen der
Bevölkerung zu leiden. 1604 wurde der Vorwurf laut,
Jesuitenschüler trieben magische Künste; die Schüler
flögen mit ihren Mänteln wie Vögel und machten
sich durch Salben unempfindiich gegen Schläge,
sagte das Gerücht. Verdächtige Schüler wurden ent-
lassen. Zur endgültigen Ausrottung des Übels wurde
eingeführt, daß am Schluß der Nachmittagslektion
die Lauretanische Litanei gebetet wurde ,,ad ma-
lum rei veneficae avertendum". In den litterae
annuae, dem handschriftlichen Jahresbericht des
Rektors des Kollegiums, heißt es 1604: ,,notatumque
fuit, scelestos non potuisse ferre, sed sese suis indi-
ciis soricibus prodentibus, scholas deseruisse". Ähn-
liche Vorwürfe kamen 1618 auf, die Jesuiten hätten
den ,,Huckup", spectrum diabolicum quod insiliebat
in tenebris ambulantium humeros, hergezaubert.
Vgl. J. G. Müller, Zur Geschichte des Collegii und
Gymnasii Josephini, in: Schulprogramm des Jose-
phinums 1867/68.
in esse bringen = in den Stand bringen; vgl.
Grimm, DeutschesWörterbuch III, 1159.
905
sunden, undankbarkeit und unbußfertigkeit er-
wecken muge, wie eß dan albereit leider fur augen
und numehr in dießen letzten zeiten keines beßern,
sondern vielmehr ergers (wo nicht Gott mit sonder-
lichen gnaden darein sehen wird) zu hoffen und zu
gewarten ist; uber das braucht der teufel nicht
allein den griff, das er rechtschaffene, christliche
schulen zerruttet und denen, so unter dem namen
warer, christlichen lehre und schein der Augspur-
gischen Confession8 allerley irrtumb außspeyen und
außbreiten, freye, offentliche hoheschulen, so doch
billig nach den worten des Herrn Christi rechte
mordergruben genennet werden mugen [vgl. Mt 21,
13; Mk 11, 17; Luk 19, 45f.], eingereumet, sondern
er wil auch nu bey seinen getreuen bauchknechten
seine conventicula oder morderschulen haben und
halten, derwegen hat er in dießen letzten zeiten den
neuen orden deren, so sich felschlich, bößlich und
teuflischerweise Jesuiter oder Fratres Jesu9nennen,
da sie doch billig Jesuwiederwertigen sich nennen
solten, alß sie auch in der warheit sind, erwecket
und alß sein rechtes letztes unkraut unter dem
christlichen namen und samen mit untergeseet,
8 Gemeint ist die Confessio Augustana Variata, die
1540 durch Melanchthon besorgte lat. Quartausgabe
der CA mit Änderungen auch dogmatischer Art, ins-
besondere einer Abänderung des Artikels X (De
coena Domini) unter Berücksichtigung der Witten-
berger Konkordie von 1536. Abdruck der Conf. Aug.
Var.: MW VI, 12ff. Vgl. dazu Sehling VII, 1, 265f.
mit Anm. 11.
9 Erster Jesuitenpater in Hildesheim war Johann
Hammer vom Kollegium in Heiligenstadt. Weih-
nachten 1587 predigte er zuerst in der Antoniuska-
pelle. Im folgenden Jahr begann der katechetische
Unterricht. 1590 kam Martinus Petz nach Hildes-
heim; den Patres wurde eine Wohnung und Ein-
künfte zugewiesen. Die pastorale und katechetische
Tätigkeit in der Stadt und den umliegenden Dörfern
erweiterte sich schnell. Gepredigt wurde im Dom;
man verhandelte über die Ubernahme der Dom-
schule. 1595 am 3. April wurde im alten cubiculum
des Propstes über der Antoniuskapelle die erste
grammatische Klasse eröffnet, in die 60 Schüler der
Domschule aufgenommen wurden. (Als Elementar-
schule blieb diese jedoch bestehen.) Erster Lehrer
war Paulus Cewin. Im Okt. wurde die 2. grammati-
sche Klasse eingerichtet. 1597 sind 3 Klassen genannt.
1606 wurde die Hildesheimer Niederlassung der Je-
suiten zum Kollegium erhoben. 1603 wurden die
Klassen in ein Gebäude zusammengelegt und das
Glockenzeichen zu Anfang und Ende der Lektion
eingeführt. Mit einer classis humanitatis (Poetica)
durch die, alß in welcher aller mund, er ein rechter
giftiger lugengeist ist, er das ganze bapstumb mit
aller gewaft verhofft, wieder in sein ess10 und vori-
gen stand zu bringen, der Herr Jesus wehre und
steure ihnen. Amen.
Die sind nu nicht der hundischen bauchknechte
und unfletigen mastseue, wie das ander pabsts-
gesinde ist in ihren klöstern und stiften, wiewoll sie
in deme an ihn auch nicht mangeln laßen, sondern
sie werden von jugend auf zum studieren gehalten
und darinnen erzogen, das sie der freyen kunsten
und sprachen recht kundig werden, darnach richten
sie hin und herwieder schulen an, hengen die jugend
mit list und schmeichlerey an sich, laßens ihnen
sauer werden mit studieren, leren und predigen, auf
das sie also alß treue diener des bapsts, ihrer mutter,
und dargegen warhaftige wiedersacher Jesu Christi
erfunden werden mugen. Was aber ihr gebuhren
lohn sein solle, wird sich an jenem tage woll finden.
Letztlich so gehet eß bey uns, die wir ja (Gott
lob) die rechte, reine lehre göttliches wortes noch
haben, (Gott gebe biß an jenen tag) auch gar
schwechlich und schwerlich zu, denn man siehet, wie
1604 und einer der Rhetorik 1607 hatte das Gym-
nasium 5 Klassen und unter dem Rektor Nicolaus
Hüneken (1610-1619) 300-320 Schüler. An der
Schule wurden Griechisch unterrichtetsowie theolo-
gische und philosophische Vorträge gehalten.
Obwohl auch protestantische Bürger ihre Kinder
zur Schule der Jesuiten schickten, hatten die Patres
unter den Anfeindungen und tätlichen Angriffen der
Bevölkerung zu leiden. 1604 wurde der Vorwurf laut,
Jesuitenschüler trieben magische Künste; die Schüler
flögen mit ihren Mänteln wie Vögel und machten
sich durch Salben unempfindiich gegen Schläge,
sagte das Gerücht. Verdächtige Schüler wurden ent-
lassen. Zur endgültigen Ausrottung des Übels wurde
eingeführt, daß am Schluß der Nachmittagslektion
die Lauretanische Litanei gebetet wurde ,,ad ma-
lum rei veneficae avertendum". In den litterae
annuae, dem handschriftlichen Jahresbericht des
Rektors des Kollegiums, heißt es 1604: ,,notatumque
fuit, scelestos non potuisse ferre, sed sese suis indi-
ciis soricibus prodentibus, scholas deseruisse". Ähn-
liche Vorwürfe kamen 1618 auf, die Jesuiten hätten
den ,,Huckup", spectrum diabolicum quod insiliebat
in tenebris ambulantium humeros, hergezaubert.
Vgl. J. G. Müller, Zur Geschichte des Collegii und
Gymnasii Josephini, in: Schulprogramm des Jose-
phinums 1867/68.
in esse bringen = in den Stand bringen; vgl.
Grimm, DeutschesWörterbuch III, 1159.
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