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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Sprengler-Ruppenthal, Anneliese [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 1. Teil): Stift Hildesheim, Stadt Hildesheim, Grafschaft Oldenburg und Herrschaft Jever — Tübingen: J.B.C. Mohr (Paul Siebeck), 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.32954#0182
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Schulordnung 1574/1618

Der erste und unterste haufe wird wiederumb
also abgeteilet, das auf die eine seiten gesetzet wer-
den die kleinen ankommenden und anfahenden kin-
der, so da buchstaben kennen, syllaben und wörter
zusamen machen und lesen lernen und in catechis-
mo3 und beten geubet werden, biß sie das konnen.
Auf die andere seiten werden verordnet diejenigen
kinder, mit welchen die declinationes getrieben
werdenm und neben dem catechismo auch teudsch
und lateinisch zu schreiben teglich in der letzten
stunde vormittage angewehnet werden. Dießen
classem, weil eß nur ein gemach, gleichwoll, wie
jetz gemeldet, abgeteilet, nennet man quintam, da
er doch der erste, da man anfahen muß und also
immer per gradus höher steigen, aber wir wollens
bey der alten gewonheit und namen bleiben laßen.
Will man die anfahende sextaner nennen, leßet man
geschehen, damit also beßer ordnung in acht ge-
nommen werde.
Der ander haufe heißet quarta classis, und sitzen
darinnen solche knaben, die da neben dem declini-
ren, compariren, conjugiren auß dem Donato4 ler-
nen, und denen auß dem Compendio Grammatices
die rudimenta latinae linguae5sollen gewiesen und
auf einfeltigste proponiret werden. Dieße sollen
allezeit die letzte stunde entweder analyses machen
oder zu einer guten hand lateinisch und teudsch zu
schreiben angehalten werden, damit also die kinder
von jugend auf zu einer guten handschrift sich ge-
wehnen und die eltern desto weniger ursach umb
schreibens willen sie in die winkel6- und buben-
schulen zu schicken und uber die schulen zu klagen
haben mugen.
m 146/24: ,,werden" fehlt.
n 146/24: + deutlich [darübergeschrieben]
o 146/24: + schwarzen [darübergeschrieben]
p 146/24: waß
3 Vgl. oben S. 873 mit Anm. 20.
4 Vgl. oben S. 873 mit Anm. 22.
5 Möglicherweise der Auszug aus Melanchthons
Grammatica latina, der ursprünglich für die Würt-
tembergische Schule bestimmt war (Compendium
Wirtembergense); vgl. CR 20, 234, 7; Sehling VI,
1, 229, Anm. 30; F. Koldewey, Schulordnungen
des Herzogtums Braunschweig = MGP VIII. 1890,
604. Grammatik Melanchthons erwähnt als Schul-
grammatik bei J. Brandis'des Jüngeren Diarium,
488.

Der dritte haufe heißet tertia classis, darinnen die
knaben in grammatica latina fundamentaliter un-
terwiesen werden und die rudimenta graecae lin-
guae7 anfahen zu lernen, wozu denn ein oder mehr
gute autoren in lateinischer sprache ihnennexpliciret
und furgelesen, argumenta auß denselbigen dictiret
und an dero taffel ihnen alles grundlich gezeiget und
sie in stylo also informiret und abgerichtet werden.
Der vierte haufe, so secunda classis genennet wird,
begreift die knaben, so dahin kommen, das ihnen
vonnöten und nutzlich, dasjenige, sop sie in den
inferioribus classibus angefangen, noch außfuhrli-
cher und grundlicher zu faßen, daher sie dan in
graecis decliniren et conjugiren, item in syntaxi und
prosodia latinae grammaticae und in andern guten
lateinischen autoribus, sowoll solutae alß ligatae
orationis, unterrichtet, die scansiones und transpo-
sitiones versuum und neben dem Catechismo Lu-
theri8 dehnitiones locorum theologicorum ex Chy-
traei Catechesi9lernen, im stylo und in andern
exercitiis, auch der musica so und dermaßen abge-
richtet, das sie endlich mit nutz und frucht ihrer
studien ad primam et supremam classem können
promoviret werden.
Der funfte und letzte haufe wird prima classis
genennet, darumb, das darinnen die primani, pri-
marii, furnembste und gelehrteste knaben begrieffen
werden, so ihre grammaticam latinam et graecam
notwendigk gelernet und ihre notturft erfordert,
das sie auch neben dießen dialecticam, rhetoricam
und andere feine autores in griechischer und lateini-
scher sprache hören und studieren, das exercitium
soluti et ligati sermonis, auch disputationum und
6 Vgl. litterae annuae 1601: ,,amant Hildesienses litte-
ras suosque liberos fere omnes doctos esse cupiunt,
eoque nomine suis filiis libentissime paedagogos
alunt nec parcunt minervali, quod ne decedat, prae-
ceptores in sollicitudine haerent". J.G. Müller, Zur
Geschichte des Collegii und Gymnasii Josephini,
in: Schulprogramme des Josephinums 1867/68, 4.
7 ,,Rudimenta graecae grammaticae" erwähnt die
Wolfenbüttler KO von 1569; vgl. Sehling VI, 1,
234 mit Anm. 49.
8 Bek. Schr., 501 ff.
9 David Chytraeus, Catechesis 1554, in vielen Aus-
gaben lange Zeit verbreitet und für Universitäten,
Gymnasien und Volksschulen empfohlen; vgl. Seh-
ling VII, 1, 241, Anm. 90 (Lit.).

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