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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sprengler-Ruppenthal, Anneliese [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 1. Teil): Stift Hildesheim, Stadt Hildesheim, Grafschaft Oldenburg und Herrschaft Jever — Tübingen: J.B.C. Mohr (Paul Siebeck), 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.32954#0196
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Schulordnung 1574/1618

und abgemahnet werden, denn es heisset: Quo semel
est imbüta recens servabit odorem testa diu: das ist
auf deutsch: Jung gewehnet, alt bedent19, und ist
kein zweifel, wenn solchs oft geschicht, es werde bei
vielen ohn grossen nutz nicht abgehen, wie beim
propheten Esaia zu lesen ist. Zudem soll alles lie-
gen20, stelen, teuschen, kaufen, verkaufen etc., auch
alle schandbare, unzuchtige wort, werke, gesenge,
bucher und was dergleichen ist, item neue zeitung
in die schul aus den heusern zu bringen und hin-
wiederumb aus der schulen zu schwatzen, den
knaben ernstlich verboden werden. Praeceptores
sollen auch die knaben nicht ausfragen und solcher
neuen zeitungen begierich sein, also das vatter und
mutter, herrn und frauen schier nicht ein wort
reden oder, wie man saget, einen finger in die aschen
stippen konnen21, der schulrat muß es uber die
ganze stad bringen, denn weil hierauß viel unrats
entstehet und die knaben des ausschwatzens, das
sie hernach nichts verschweigen können, gewohnen,
welches ein sehr böß vitiüm und manchen in not
bringet, so sollen die praeceptores hierinnen ein
ernstes einsehen gebrauchen, solch neu zeitungtra-
gen und aus der schulschwatzen ernstlich verbieten
und an den deliquenten gebürlich und nach gestalt
der ubertretung straffen, dabeneben nicht gestatten,
das etzliche discipuli sich unterstehen, zwischen den
praeceptoribus meyterei und zank zu erregen, oder
auch andern knaben bei den praeceptoribus un-
schuldiger und ungewisser weiße anzugeben und zu
verunglumpfen, denn hierauß nicht guts entstehet.

146/24: + nicht auf und nieder spazirengehen,
sondern an einem ort stille stehen oder sitzen und
n 146/24: ubertretter
o 146/24: discendi
non nisi summa vi queat adhibita cogi, ne, per
immedicabilis membri contagionem pars quoque
sincera trahatur, ad magistratum politicum per
ministros suos amandabitur coercendus. Quam
sibi eandem para ... et illi sentiunt poenam, qui
legis XX contumaces reperti fuerint transgressores.
Senatus enim huius urbis amplissimus, ut scholae
nostrae se patronum, et harum legum auctoritatis
protectorem fore pollicitus fuit, ita patrocinium
nobis implorantibus, et protectionem sub gravi et
severa poenarum executione clementissi[m]am,
impertiri procul dubio voluerit.
Consensu et iussu magistratus.

Gleiche gestalt sollen die knaben insgemein, sonder-
lich die symphoniaci22, zu feiner erlicher kleidung,
so studiosis wol anstehet, vermanet und keine
schendliche, ubermutige und studiosis ubel an-
stehende kleidung einzufuhren, bei willkurlicher
straff des rectoris gestattet werden.
6. Inter praelegendüm oder wenn die knaben
etwas recitiren, sollen die praeceptoresm fleissig auf-
sehen haben, das die knaben in der stille zuhören,
und, was man ihnen fursaget, begreifen mögen,
sollen auch sonsten die knaben fur dem glocken-
schlage oder zwischen den lectionibus, wenn sie
alleine, ganz stille sein, damit man sie nicht uber
den ganzen kirchoff höre und alle, so vorubergehen,
ohren und mund voll davon haben mögen, und sol-
len die delinquentenn nach gebur gestrafft werden.
7. Dieweil es auch nicht gnug ist, das die knaben
die lectiones hören und superficialiter oder obenhin
lernen, sondern sie mussen sie auch fleissig repetiren,
damit sie alles grundlich begreifen und behalten und
hernach gebrauchen können, und aber die knaben
darinnen fast nachlessig sein, so sollen die praecep-
tores erstlich allzeit, ehe sie fortlesen und pergiren,
das nötigste in der vorhergehenden lection repetiren
und examiniren, oder von etzlichen knaben repos-
ciren, damit sie sehen, wo fleiss oder unfleiss ver-
handen, und die nachlessigkeit möge gestrafft wer-
den, denn es heißet nach dem alten verß: Lectio lecta
placet, decies repetita placebit23. Ferner, dieweil
man sagt, stylus est optimus dicendio magister24, so
wollen wir, das das exercitium styli bey den kleinen
Typis Aeneis exscribebat Hildesiae Joachimus Go-
ßelius anno M. DC. XVIII [Expl. der Dombiblio-
thek Hildesheim].
19 Horaz, ep. I, 2, 69; vgl. A. Otto, Sprichwörter der
Römer. 1890, 346; K.F.W.Wander, Deutsches
Sprichwörter-Lexikon II. 1870, 1054, 25.
20 = lügen; vgl. Grimm, Deutsches WörterbuchVI,
1017.
21 Vgl. K.F. W.Wander, Deutsches Sprichwörter-
Lexikon I. 1867, 1017. 32: ,,Man kann nich en Fin-
ger in de Aske stecken, dat de Nabers nich wetet."
22 Gemeint sind anscheinend die Kurrendeschüler; vgl.
dazu unten S. 923.
23 Vgl. J.G.Seybold, aaO. 274; K.F.W.Wander,
Deutsches Sprichwörter-Lexikon III. 1873, 40. 74.
24Vgl. die analoge Bildung: optimus orandi magister
est necessitas; J. G.Seybold, aaO. 419.

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