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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sprengler-Ruppenthal, Anneliese [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 1. Teil): Stift Hildesheim, Stadt Hildesheim, Grafschaft Oldenburg und Herrschaft Jever — Tübingen: J.B.C. Mohr (Paul Siebeck), 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.32954#0236
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a Lascoschen und Micronschen Lehren. Erst unter der Führung Menso Altings entwickelten sich die
Reformierten Ostfrieslands, die noch am Ende des Jh.s von den Lutheranern als Zwinglianer bezeichnet
werden, zu eigentlichen Calvinisten28 .

Die Oldenburger KO beginnt also mit einem geprägten Lehrteil. Lehre ist zu dieser Zeit etwas Sta-
tisches geworden. Die Vorstellung des tätigen Lehrens, wie sie etwa die ältesten KOO Bugenhagens be-
stimmt, tritt hinter diesem statischen Bild zurück. Was die Zeremonien und die Kirchenverfassung be-
trifft, so hat Oldenburg auch hierin die Gemeinschaft mit anderen Partikularkirchen betont. Vorherr-
schend ist die Anlehnung an die Wolfenbüttler KO von 1569, die in den Zeremonien wieder weithin
mit der Lünebürger KO von 1564 übereinstimmt. Daneben kommt auch hier die Mecklenburger KO
von 1552 zur Geltung, dann die KO für Lippe, Spiegelberg und Pyrmont von 1571, auch die sächsische
KO inder Fassung von 1555, die Brandenburg-Nürnberger KO von 1533.— Die Merseburger Eheordnung
von 1548 ist für die Festlegung etlicher eherechtlicher Bestimmungen maßgeblich gewesen. So befindet
sich Oldenburg auch hier in guter lutherischer Gesellschaft. Seinerseits gibt es Gut weiter an die Hoyasche
KO von 158129 , die dann anscheinend auch in dem ganz lutherischen ostfriesischen Harlingerland be-
nutzt wurde30, und an die Verdener KO von 160631, die wohl auch zn lutherischen Gemeinden des Stifts
Osnabrück im Gebrauch war32. Entsprechend lutherischer Sitte Steht auch die Oldenburger KO vor, daß
am Sonntag die Metten- und Vespergottesdienste beibehalten werden. Bei der Beschreibung des Metten-
gottesdienstes lehnt sie sich stark an die Wolfenbüttler bzw. Lüneburger KO an. Doch springt eine kleine
Oldenburger Besonderheit in die Augen. Vor der Predigt soll ein deutscher Psalm aus Luthers Gesang-
buch gesungen werden. So steht es auch in der Vorlage. Es handelt sich also um ein Kirchenlied aus
einem der mit Luthers Namen versehenen Gesangbücher. Oldenburg macht nun gegenüber den Vorlagen
einen Zusatz: es soll sich um ein Gesangbuch handeln, „das an keinen verdechtigem ort gedruckt und
unvorfelschet ist"33. Tatsächlich hat man im benachbarten Ostfriesland reformierterseits auch Luthers
Lieder gesungen und entsprechend Gesangbücher gedruckt, die mit Luthers Namen geziert waren. Er-
halten ist das einer etwas späteren Zeit angehörige „Enchiridion Psalmen Davids unde geistlicke Leder
D. Mar. Luther‘, das anscheinend in Magdeburg gedruckt, aber zu Emden bei Johann Hindricks
„Böckvorkoper im de golden Bibel in de Bruggestrate“ 1589 verlegt worden war. Hs gibt Sich als unver-
änderter und unverfälschter Nachdruck eines früheren Gesangbuches und wurde herausgegeben, nach-
dem gegenüber dem älteren Gesangbuch von lutherischer Seite der Vorwurf reformierter Fälschung er-
hoben worden war. Eine Änderung hatten die Reformierten an Luthers Abendmahlslied „Jesus Chri-
stus, unser Heiland“ vorgenommen ; denn wenn sie sonst schon Luthers Lieder akzeptierten, offenbar
unter dem Einfluß lutherischer Nachbarschaft, wenn sie nicht nach Genfer Muster nur biblische Psalmen
sangen, so konnten sie doch unmöglich zugestehen, was Luther hier von Seiner Abendmahlslehre darbot. -
Hier begnügt sich Oldenburg also nicht damit, sich in guter lutherischer Gesellschaft zu befinden, sondern
setzt sich expressis verbis ab gegenüber Beeinträchtigungen seines lutherischen Standpunktes.

In diesem Zusammenhang ist noch auf eine weitere Feinheit hinzuweisen. Mit der Wolfenbüttler
KO ist vorgesehen, daß bei der Kommunion, auf daß sie mit um so größerer Reverenz gehalten werde,
den Kommunikanten Tücher untergehalten werden. Oldenburg fügt hinzu, daß diese Handlung entweder
von den Kirchherren oder von feinen züchtigen Knaben vorgenommen werden solle34 . Damit unter-
streicht es die Bedeutung und Würde dieser Maßnahme. Das Unterhalten von Tüchern war zum Aus-
weis lutherischer Abendmahlsfeier geworden. Im Hinblick auf den sich dann reformiert entwickelnden
28 Vgl. Sehling VII, 1, 333. 349. H. Garrelts, Die Reformation Ostfrieslands nach der Darstellung der Lutheraner

vom Jahre 1593. 1925, z.B. 136: „Die ceremonien sind in den hielendischen lutherschen kirchen den Zwinglianen
mehr als den Sachsen und Teutdschen geneyget...”.

29 Vgl. Sehling VI, 2, 1123. 1128 ff. 30 Vgl. Sehling VII, 1, 359.
31 Sehling VII, 1, 145 ff. 32 Vgl. Sehling VII, 1, 221.
33 Unten S. 1087. Unten S. 1093.

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14 Sehling, Niedersachsen II/2
 
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