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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Sprengler-Ruppenthal, Anneliese [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 1. Teil): Stift Hildesheim, Stadt Hildesheim, Grafschaft Oldenburg und Herrschaft Jever — Tübingen: J.B.C. Mohr (Paul Siebeck), 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.32954#0269
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Grafschaft Oldenburg

gemacht hat mittler für Gott12, vorsöner, nothelfer
etc., welch ehre alleine dem Herrn Christo und
Gott gehüret. Item, das in den iuramentis die eide
geleistet werden nicht allein bey Gott, sondern auch
bey den heiligen13, ist ein stück der antichristischen
abgötterey; denn die ehre wil Gott allein haben, das
man bey seinem namen schwere, wo es die nott
erfordert, Exod. 23 [1f.], Deut. 6 [13] und 10 [20],
Hierem. 4 [2] und 5 [2], Isa. 65 [16]. Und sollen die
leut zugleich gewarnet werden, das sie nicht neue
abgötter machen; denn alles, darauf der mensch
sein vortrauen setzet, das er mehr fürchtet und
liebet denn Gott, das ist sein abgott, und ist ein
greuliche sünde wider das erste gebot14.
Furnemlich sollen die pastores ihre zuhörer treu-
lich und vleissig auf den Herrn Christum und zu
seinem erkentnis und glauben an ihn weisen und in
allen predigten, wenngleich gesetzpredigt mit ein-
fallen, wegen der einfeltigen und zarten gewissen
solche lere des evangelii stetigs füren und die schwa-

lebte, während er heimlich durch Briefe weiter für
seine Lehre warb. Erst nach seinem Tod wurde die
Täuschung entdeckt und an seinem Leichnam die
Exekution vollzogen. Von seinen zahlreichen Schrif-
ten hat Gottfried Arnold etliche in seine Unpartei-
ische Kirchen- und Ketzerhistorie 1699 aufgenom-
men. Arnold hat Joris sehr geschätzt. Joris' Lehre
kam seiner Auffassung von den einander widerstrei-
tenden Prinzipien - Geist und Fleisch bzw. Feind -
entgegen. In ganz verwandter Weise sind Joris und
Arnold Vertreter des Toleranzgedankens (abgeleitet
aus der Freiheit des Geistes). Vgl. Sehling VII, 1,
401f., Anm. 56 (Lit.). G. Arnold, Unpartheyische
Kirchen- und Ketzer-Historie. Franckfurt am Mayn
1729, Th. II, B. XVI, CXXI, §44ff, S. 750ff. Ibid.
S. 758 ff.; ,,Unschuld David Joris. Gethan und
praesentirt an die wohlgebohrne Frau, Fr. Anna,
gebohrne Gräfin von Oldenburg etc. Gräfin zu Emden
etc. Ibid. Th. IV, Sect. II, Num. 32ff., S. 534ff.
12Vgl. z.B. Canon missae: ,,... Communicantes et
memoriam venerantes in primis gloriosae semper
virginis Mariae, genetricis Dei et Domini nostri Iesu
Christi, sed et beati Ioseph, eiusdem virginis sponsi,
et beatorum apostolorum ac martyrum tuorum,
Petri et Pauli, Andreae, Iacobi, Ioannis, Thomae,
Iacobi, Philippi, Bartholomaei, Matthaei, Simonis
et Thaddaei, Lini, Cleti, Clementis, Xysti, Cornelii,
Cypriani, Laurentii, Chrysogoni, Ioannis et Pauli,
Cosmae et Damiani, et omnium sanctorum tuorum,
quorum meritis precibusque concedas, ut in omnibus
protectionis tuae muniamur auxilio...". Vgl. dazu
z.B. Apologie XXI, Bek. Schr., bes. 319.; M.

chen, blöden herzen dadurch unterweisen, erquicken
und trösten.
Was hohe, grosse fragen sind, sollen sie, wie oben
auch vermeldet, für das einfeltige, arme volk leicht-
lich nicht bringen. Denn man kan so einfeltig,
schlecht und recht den catechismum von allen
stücken christlicher lere nicht treiben, es tut von-
nöten, und wie Augustinus15 sagt: Qui simpliciter
docet, optime docet. Der einfeltig leret, der leret
am besten. Also ist es durchaus in allen stücken der
christlichen lere. Es sollen sich auch gelerte pastores
erinnern der wort des Herrn Christi Matth. 11
[25f.]: Ich preise dich, Vater und Herr himels und
der erden, das du solches den weisen und verstendi-
gen verborgen hast und hast es den unmündigen
offenbaret. Ja Vater, denn es ist also wolgefellig
gewesen vor dir.
Und gehöret hierher die treue warnunge Constan-
tini Magni, wie dieselbig Eusebius, De vita Con-
stantini, lib. 2, cap. 6716 mit diesen worten erzelet:
Schmaus, Kath. Dogmatik III, 13-5 1958, 597ff.;
R. Klauser, RGG3 III, 171ff.; K. Nitzschke,
EKL II, 61 ff.
Dazu Gratian, Decretum II, caus. XXII, quest. I,
c. 7, Friedberg I, 863: ,,Per Deum iurare permittitur,
ne per idola iuretur...". Die in Übung gekommenen
ausführlicheren Eidesformeln hingen z.T. damit zu-
sammen, daß beim Schwören heilige Gegenstände,
so etwa Reliquien von Heiligen, berührt wurden.
So lautete ein feierlicher Eid z.B.: ,,so helfe mir
Gott und alle Heiligen". Der Augsburger Reichs-
abschied von 1555 bestimmte dem entgegen in § 107,
daß am Reichskammergericht die Eide auf Gott und
das heilige Evangelium zu leisten seien: ,,... dieweil
beyderseits religionsverwandte an dem kayserl.
cammergericht anzunehmen, aber sich der ein teil
den gewöhnlichen eyd, in der form, zu Gott und den
heiligen zu schweren, beschwert..."; vgl. Koch-
Senckenberg, Neue und vollständigere Sammlung
der Reichs-Abschiede. 1747, Th. 3, 33; dazu Seh-
ling, RE3 5, 248.
14 Dieser Absatz in enger, weithin wörtlicher Anleh-
nung an den ,,Kurzen, einfeltigen... bericht..." des
Chemnitz, aaO. 94. Dort fehlt die genauere Be-
nennung der ,,neuen ketzer" (,,Arrianer, Antitrini-
tarier, widerteufer, David Georgisten und derglei-
chen gottslesterer und schwermer, wo und wenn von-
nöten").
15 Vgl. De doctrina christiana. Prologus, 5; MSL 34, 17.
CSEL 80, 5.
16 De vita Constantini II, 69; MSG 20, 1041/44 (graec.).
1042 f. (lat.).

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