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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Sprengler-Ruppenthal, Anneliese [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 1. Teil): Stift Hildesheim, Stadt Hildesheim, Grafschaft Oldenburg und Herrschaft Jever — Tübingen: J.B.C. Mohr (Paul Siebeck), 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.32954#0279
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Grafschaft Oldenburg

Haben auch die gleubigen und
bekerten sünde?
Antwort:
Ja. Und diese sünde der gleubigen heissen peccata
venialia, dieweil sie nicht sind wider den glauben
und das gewissen, und derwegen die gleubige person
nicht verdampt wird, sondern hat und behelt den
glauben, heiligen Geist, Gottes gnade, vergebung
der sünd und das ewige leben11.
Wie und woher kümpt das, das in den
Christen etliche sünde nicht verdamlich,
etliche aber tödtlich und verdamlich
sind?12
Antwort:
Es kömpt nicht daher, das einige sünde an sich
selbst für Gottes gericht so ein liederlich, schlecht,
gering ding sey. So kömpt es auch daher nicht, als
ob etzliche sünde so gros und schwer weren, dafür
Christus nicht gnug getan hette, oder die durch den
glauben umb Christus willen nicht könten vergeben
werden; denn Ambrosius13 hat der schrift meinung
in einem schönen, kurzen spruch gefasset: Omne
peccatum per poenitentiam fit veniale. Sondern der
grund und die ursache stehet in diesen zweyen
stücken: buss und glauben, nemlich ob wir an der
sünde ein misfallen haben, der feind sein, ihr wider-
streben, sie kreuzigen und tödten, oder aber, ob wir
gefallen, lust und liebe zur sünde haben, allerley
gelegenheit darzu suchen, ihr folgen, ins werk
bringen etc. Item ob wir suchen der sünden loss zu
werden oder derselbigen mehr zu machen. Dis kan
ein jeder einfeltiger verstehen und bey sich selbst
finden. Und wenn die lere de peccato mortali et

Kurzer, einfeltiger... bericht...; Sehling VI, 1,
103. Der Anfang dort (mitten im Absatz): ,,Inson-
derheit aber fordert die hohe, grosse noth...".
11 In diesem Absatz teils wörtliche Anlehnung an
Chemnitz, Kurzer, einfeltiger... bericht...; Seh-
ling VI, 1, 104. — Vgl. Melanchthon, Examen
ordinandorum, CR 23, 13: ,,Peccatum non regnans,
quod nominatur veniale, id est, propter quod non
amittuntur gratia, Spiritus sanctus et fides, est in
renatis in hac vita malum originis, et dubitationes et
incendia malorum affectuum, quibus tamen re-
pugnant renati, ne ruant contra conscientiam...".

veniali auf diese probam gelegt wird, so kan ein
jeder Christ in teglicher ubung diese lere nützlich
brauchen, wie sie auch dahin sol gerichtet sein und
werden, das ein jeder sich selbs prüfe, das er ja
nicht in tödtlichen, verdamlichen sünden stecke
und darin durch Gottes gerichte angetroffen werde,
sondern bey zeit busse tu.
So ist nun und wohnet in diesem leben die erb-
sünde noch in allen heiligen und ist nicht gar todt
und stille, sondern reget sich, reizet und gibt sich
an mit gedanken, lüsten, begirden, zuneigungen,
Rom. 6 [12f.] und 7 [14ff.], Jacobi 1 [14f.]. Wenn
nun ein fromer Christ an solchen bösen gedanken,
lüsten und reizen ein misgefallen hat, folget ihnen
nicht, bringets nicht ins werk, sondern kreuziget
die lüste des alten Adams, Galat. 5 [24], und tödtet
die geschefte des fleisches, Rom. 8 [13], so ist da
noch verhanden rechtschaffene busse. Wenn er nu
daneben von herzen suchet, bittet und begeret, das
ihm Gott umb Christus willen solchen mangel nicht
wolle zurechnen, sondern gnediglich vergeben und
zudecken, so ist da ein rechter, warhaftiger glaube,
welcher Christum mit alle seinem verdienst er-
greifet und annimpt, und wo Christus in warer
busse durch den glauben ergrieffen ist und wonet,
da ist und bleibet Gottes gnadt, vergebung der
sünden und die seligkeit, und also wenn14 dis ein
peccatum veniale, dabey Gottes gnad, vergebung
der sünden und ewige seligkeit bleibet und behalten
wird; denn es ist und bleibet da busse, glauben,
heiliger Geist und Christus selber. Darumb und aus
dem grunde sagt Paulus Rom. 8 [1]: So ist nun
nichts verdamlichs an denen, so in Christo Jhesu
sind, die nicht nach dem fleisch, sondern nach dem
Geist wandeln.
Zu dieser Frage vgl. Chemnitz, Kurzer, einfelti-
ger... bericht...; Sehling VI, 1, 104: ,,Nun ist die
frage, wie und woher das komme, das in den Christen
etliche sünde nicht verdamlich, etliche aller tödtlich
und verdamlich sey."
13 Vermutlich ist gemeint Pseudo-Augustin, De
vera et falsa poenitentia, dort cap. XVIII, 34; MSL
40, 1128: Quaedam enim peccata sunt, quae sunt
mortalia, et in poenitentia fiunt venialia.
Chemnitz, Kurzer, einfeltiger... bericht...; Seh-
ling VI, 1, 105: wird.

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