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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Sprengler-Ruppenthal, Anneliese [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 1. Teil): Stift Hildesheim, Stadt Hildesheim, Grafschaft Oldenburg und Herrschaft Jever — Tübingen: J.B.C. Mohr (Paul Siebeck), 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.32954#0289
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Grafschaft Oldenburg

leid lernen solle nicht aus dem gesetz, sondern aus
dem evangelio2, unter solchem schein, das man die
gewissen nicht so hart angreifen noch so heftig
schrecken solle, wie das gesetze tut. Aber die

und Agricola wurde Einigung erzielt, indem Agri-
cola im wesentlichen nachgab. Den Ertrag brachte
Melanchthon in den ,,Unterricht der visitatoren..
1528: ,,Denn wiewol etliche achten, man sol nichts
leren für dem glauben, sondern die busse aus und
nach dem glauben folgend leren, auf das die wider-
sacher nicht sagen mügen, man widerrüfe unser
vorige lere, so ist aber doch anzusehen, weil die
busse und gesetz auch zu dem gemeinen glauben ge-
hören (denn man mus ja zuvor gleuben, das Gott sei,
der da dreue, gebiete und schrecke etc.). So sei es für
den gemeinen groben man, das man solche stücke
des glaubens las bleiben, unter dem namen busse,
gebot, gesetz, forcht etc. Auf das sie deste unter-
schiedlicher den glauben Christi verstehen, welchen
die apostel iustificantem fidem, das ist, der da ge-
recht macht und sunde vertilget, nennen...". ,,Nu
haben wir oben angezeigt, das von nöten sei, busse
zu predigen, und das forchtlos wesen zu strafen, das
itzund in der welt ist, und zum teil aus unrechtem
verstand des glaubens kömpt, denn viel so sie gehört
haben, sie sollen gleuben, so sind ihnen alle sünde
vergeben, tichten sie einen glauben, und meinen, sie
seien rein. Dadurch werden sie frevel und sicher."
Vgl. Sehling I, 152. 161. — Seit 1537 griff Agricola
Luther an; der Streit dauerte bis zum Tod Luthers.
Vgl. Luthers 6 Thesenreihen und 3 Disputationen
gegen die Antinomer, WA 39 I, 334ff., auch bei
P. Drews, Disputationen Dr. Martin Luthers. 1895,
246ff., ibid. 611ff. die ebenfalls gegen die Antinomer
gerichtete Promotionsdisputation von Joachim
Mörlin vom 10. Sept. 1540; Wider die Antinomer
1539, WA 50, 461ff.; Wider den Eisleben 1540, WA
51, 425ff. In der 2. Disputation trägt Luther den
triplex usus legis vor; vgl. WA 39 I, 485: ,,Lex do-
cenda est propter disciplinam... Secundo. Lex do-
cenda est, ut ostendat peccatum... Tertio. Lex est
retinenda, ut sciant sancti, quaenam opera requirat
Deus..- Anläßlich der Eisenacher Synode von 1556
im Zusammenhang mit dem majoristischen Streit
über die Notwendigkeit guter Werke zur Seligkeit
bestritten u. a. Andreas Poach in Erfurt und Anton
Otho in Nordhausen jede Bedeutung des Gesetzes
für den Gläubigen (vgl. R. Seeberg, aaO. 488ff.).
Otho richtete seinen Kampf gegen den tertius usus
legis gegen Melanchthon. Gegen Otho: Joachim
Mörlin, Disputationes tres pro tertio usu legis
contra fanaticos. 1556, bei C. Schlüsselburg,
Catalogi haereticorum IV (1597), 65ff.; ebenso Joh.
Wigand, De legibus divinis. 1577. Gegen Mörlin
Andreas Poach, Contraria sententia et responsio

schwermer hat Lutherus aus gewaltigem grund
der schrift widerlegt3. Es ist auch das nicht war,
das etzliche schwermen, wenn erkentnüs der sün-
den, reu und leid uber die sünde aus dem ge-

eiusdem ad propositionem: Opera sunt necessaria ad
salutem in praedicatione legis, bei Schlüsselburg,
aaO. 265ff. Ibid. 283ff.: Responsio D. Morlini ad D.
Pontanum, qua diluit obiecta M.Poach. 1557. Ibid.
292ff.: Defensio M.Poach pro impossibilitate bono-
rum operum ad salutem, ad responsionem D.Joa-
chimi Morlini... 1558. - Schließlich richtete sich der
Vorwurf des Antinomismus auch gegen Melanchthon
und seine Schüler. Melanchthon in den Loci 1535 und
1543, CR 21, 415. 734; vgl. MW II, 1, 346: „Est...
evangelium praedicatio poenitentiae et promissio
...". Der ordinanden examen 1552, MW VI, 186;
Sehling V, 166: „Aber das evangelium ist eigentlich
die gnedige, fröliche predigt vom Son Gottes Jhesu
Christo... Diese predigt strafft erstlich alle sünd,
und furnemlich diese große sünd im ganzen mensch-
lichen geschlecht, das auch nach gegebner verhei-
ßung die welt den Son Gottes nicht erkennen wil...".
Vgl. auch CA var. V; CR 26, 354; MW VI, 16. Zum
Ganzen: G. Kawerau, RE3 1, 585ff.; P. Tschak-
kert, aaO. 478ff.; F. Brunstäd, Theologie der
luth. Bekenntnisschriften, 1951, 94ff.; A. Peters,
EKL I, 146ff. - Im übrigen vgl. FC, Epitome und
Solida declaratio V und VI, Bek. Schr., 790ff. 951ff.
2 Chemnitz, Kurzer, einfeltiger... bericht..., Seh-
ling VI, 1, 100 (mitten im Kapitel „Von under-
scheid des gesetzes und evangelii."): „Es sollen auch
die antinomi oder gesetzstürmer in diesen kirchen
nicht gedüldet werden, welche die predigt des ge-
setzes auß der kirchen wegwerfen und wöllen, das
man die sünde straffen, reu und leid leren solle nicht
auß dem gesetz, sondern auß dem evangelio...". FC,
Solida declaratio V, Bek. Schr., 956f.: „und werden
die antinomi oder gesetzstürmer billich verdampt,
welche die predigt des gesetzes aus der kirchen wer-
fen und wollen, daß man sünde strafen, reu und leid
nicht aus dem gesetz, sondern allein aus dem evan-
gelio lehren solle."
3 Vgl. oben Anm. 1. Ausführlich zitiert wird Luther in
der FC, Solida declaratio V, Bek. Schr., 955f. (WA
12, 632f.: Sermon aus dem J. 1523, 7. So. n. Trini-
tatis; WA 15, 228: Antwort Doctor Martini Luthers
[auf Eyn sendbriff Er Wolffen von Salhausen an
D. Mart. Luther]; Schmalkaldische Artikel, Bek.
Schr., 436f.). Dazu ibid. 957: ,,... wie Lutherus wi-
der die gesetzstürmer redet: Alles, was die sünde
strafet, ist und gehöret zum gesetze, dessen eigen
ampt ist, sünde strafen und zur erkenntnus der sün-
den führen... Und nachdeme der unglaube ein
wurzel und brunnenquell aller sträflichen sünden ist,
so strafet das gesetze auch den unglauben."

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