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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Sprengler-Ruppenthal, Anneliese [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 1. Teil): Stift Hildesheim, Stadt Hildesheim, Grafschaft Oldenburg und Herrschaft Jever — Tübingen: J.B.C. Mohr (Paul Siebeck), 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.32954#0304
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Kirchenordnung 1573

umb des Herrn Christi willen, ob sie gleich noch
seher schwach sind.
Zum dritten wird in unsern kirchen geleret, das
der mensch Gottes gesetz in diesem leben nicht er-
füllen kan. Und obgleich ein mensch eusserliche
zucht etlichermassen zu halten vermag aus natür-
lichen kreften, so vermag er doch one das evange-
lium und one den Son Gottes und one den heiligen
Geist diese werk im herzen auch nicht anzufahen,
als rechte gottesfurcht, rechten glauben und ver-
trauen zu Gott11 sondern dieser angefangne ge-
horsam folget der widergeburt.
Und obgleich nach der widergeburt dieser ge-
horsam angefangen wird, so ist dennoch noch
grosse schwacheit und sünd im menschen und sind
unsere werk noch weit nicht erfüllung des gesetzes12.
Ob die bepstliche lere recht sey,
das ein mensch für und für in zweifel
bleiben sol, ob er vergebung der sünden
habe und Gott gefellig sey13?
Antwort:
Bepstliche lere, das die menschen in zweifel
bleiben sollen, ist grausame, heidnische blindheit.
Darumb ist not, darvon oft erinnerung zu tun, be-
sonder dieweil die bepstlichen diesen ihren grosen
irrtum noch für und für sterken und haben in ihrem
falschen concilio zu Trident diesen artikel gesetzet14
das der mensch für und für im zweifel bleiben sol,
ob er Gott gefellig sey. Haben auch den spruch
felschlich auf ihre meinung gezogen, da Salomon
spricht [Pred 7, 14. 8, 14]: Der mensch sol nicht
aus glück oder unglück in diesem leben schliessen,
das er Gott darumb gefellig oder nicht gefellig sey.
Dieses ist ein hoher trost, das David weis, das er
nicht verworfen ist von Gott, ob er gleich verjagt

11 Melanchthon, aaO.: + rechte anruffung, rechte
liebe zu Gott.
12 Dies ganze Stück der ,,lere" im allgemeinen wörtlich
nach Melanchthon, Der ordinanden examen 1552,
unter Benutzung des 2. Wittenberger Druckes; vgl.
MW VI, 194f. mit Anm. 46; Sehling V, 169f.
13 Die Frage wörtlich nach Melanchthon, Der ordi-
nanden examen 1552, MW VI, 195; Sehling V, 170.
14 Vgl. Conc. Trid., Sess. VI vom 13. Jan. 1547, De-

ist [2.Sam 15,25]. Und Jeroboam sol nicht stolz
sein und tichten, er sey Gott gefellig, denn er sey
ein gewaltiger, sieghaftiger könig worden [1.Kön
11, 37]. Also wil Salomon, von Gottes willen sol
man aus seinem wort schliessen und nicht aus glück
oder unglück15.
Darumb sprech ich widerumb, wie zuvor gesagt
ist, alle menschen, die in sünden wider gewissen
leben oder one glauben an den Herrn Christum, die
sollen gewislich schliessen, das sie in Gottes zorn
sind. Und so sie nicht zu Gott bekert werden, fallen
sie in ewige straffe. Denn also spricht Johannes
[3, 36]: Wer nicht gleubt an den Son Gottes, der
wird das leben nicht sehen, sondern der zorn
Gottes bleibt auf ihm. Item 1.Corinth. 6 [9]: Last
euch nicht betriegen, hurer, abgöttische, ehebrecher
etc. werden das reich Gottes nicht ererben.
Dagegen aber alle, die schrecken in ihren herzen
für Gottes zorn fülen und wolten gern zu Gott be-
kert sein und sich bessern, diese sollen nicht im
zweifel bleiben, sondern festiglich gleuben, das ihnen
Gott ihre sünd vergeben wolle aus gnaden umb des
Herrn Christi willen, und sollen also hinfürder in
gottesfurcht und glauben zunemen und nicht in
sünden wider gewissen verharren.
Und das der zweifel unrecht sey, beweiset erst-
lich das symbolum16 selbst, darin du sprichst: Ich
gleub vergebung der sünden. Wenn nu dein herze
spricht: Ich zweifel, ob mir meine sünde vergeben
werden, so streitet dein herz wider die wort im
symbolo.
Zum andern, Gottes verheissung und eid ist ge-
wislich war, und alle, so nicht daran gleuben, die
schmehen Gott und wollen ihn nicht erkennen als
warhaftig.
Nu ist offentlich, das Gott vergebung der sünden
umb seins Sons willen zugesagt hat und gebeut

cretum de iustificatione, cap. 9 und 12, can 13ff.;
Denzinger30, Nr. 802. 805. 823ff. Vgl. z.B. can. 15,
Denzinger30, Nr. 825: ,,Si quis dixerit, hominem
renatum et iustificatum teneri ex fide ad credendum,
se certo esse in numero praedestinatorum: A.S."
Die beiden letzten Absätze wörtlich nach Melan-
chthon, Der ordinanden examen 1552, MW VI, 195;
Sehling V, 170.
16 Symbolum Apostolicum, Bek. Schr., 21.

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