Einleitung
meisterin erledigte die im Haus anfallenden Arbeiten, wobei sie durch Mägde Unterstützung erhielt. Beim
Siechenhof fiel in den Aufgabenbereich der Hofmeisterin die Aufsicht über das Vieh und die Milch- und
Käseherstellung; in anderen Spitälern war sie für das Brauen und Backen zuständig318.
Der Siechenhof oder St. Pankratiushof, der erstmals 1265 in einer Urkunde Erwähnung findet319,
bestand aus zwei Gemeinschaftshäusern, aus dem Oberhaus und dem Unter- bzw. Theilhaus. Im Unter-
oder Theilhaus saßen die Pfründer, die dort über eigene Kammern verfügten. Im Oberhaus waren dagegen
die sogenannten Beisitzer sowie die Armen und Bettler untergebracht320. Der Aufenthalt von Bettlern war
aber auf ein oder zwei Nächte beschränkt. Neben den Gemeinschaftshäusern besaß der Siechenhof eine
Reihe von landwirtschaftlichen Gebäuden, zu denen auch die Molkerei gehörte. Das Spital verfügte über
eine eigene Kapelle und einen eigenen Friedhof321. Seelsorgerlich betreut wurden die Bewohner vom Pfarrer
und Kaplan der Stephanigemeinde im Osten der Stadt322.
Die Bewohner sollten ein untadeliges Leben führen, das von Arbeit und Gebet geprägt war323. Für das
Haus leisteten die Insassen z.B. Dienst in der Krankenpflege oder sie halfen beim Einbringen der Ernte.
Waren sie zu diesen Arbeiten nicht in der Lage, mußten sie einen Ersatz stellen oder stattdessen eine
Gebühr zahlen. Die Bewohner konnten sich aber auch durch verschiedene Tätigkeiten außerhalb des Hau-
ses Geld zu ihrer Pfründe hinzuverdienen. Unter allen Umständen sollte der Eindruck des Müßiggangs
vermieden werden. Durch ein vorbildliches Leben hoffte man, die Bürger der Stadt für die Gabe von
Almosen zu gewinnen. Die Gegenleistung der Spitalinsassen für die Almosen bestand wie im Mittelalter im
Gebet für die Wohltäter324.
Nach der Ordnung von 1588 fand in der Gemeinschaftsstube des Siechenhofes jeden Tag eine Betstunde
sowie am Donnerstag ein eigener Gottesdienst statt. An den Sonn- und Festtagen besuchten die Bewohner
die Gottesdienste in der Kirche St. Stephani. Die Teilnahme am Gottesdienst und der regelmäßige Empfang
des Abendmahls wurden kontrolliert. Säumigen Personen drohte dabei der zeitweise Entzug der Versorgung
(den Korb höher hängen).
27. Disziplinarmandat, 22. Februar 1595 (Text S. 338)
Konkreter Anlaß für die Verkündigung des Disziplinarmandats im Februar 1595 durch Bürgermeister und
Rat der Stadt Goslar waren die Erfolge der Osmanen, denen im vorangegangenen Jahr die Eroberung einer
Reihe wichtiger ungarischer Festungen (darunter auch die der Festung Raab) gelungen war. Das Mandat
richtet sich in erster Linie an die Wirte, die in ihren Wirtshäusern das Musizieren und das Spielen mit
Karten und Würfeln, vor allem aber den Mißbrauch des Namen Gottes durch Fluchen, Schwören und
lästerliche Reden unterbinden sollen325.
28. Verzeichnis der in Goslar gültigen Lehrschriften, 11. Mai 1595 (Text S. 339)
Der Gedanke einer verbindlichen Sammlung von Lehrschriften geht auf Philipp Melanchthon zurück, der
1560 ein „Corpus doctrinae Christianae“326 veröffentlichte. Es enthielt die drei altkirchlichen Symbole, die
318 Zum Aufgabenbereich der Hofmeisterin vgl. ebd., Art. 30-
32.
319 UB Goslar 2, Nr. 108, S. 173-175.
320 Vgl. Dreves, Armenwesen, S. 118.
321 Vgl. dazu Graf, Niederkirchenwesen, S. 94f. und 453.
322 Zur Stephanigemeinde vgl. die Einleitung S. 179 sowie
Nr. 4, Anm. 8.
323 Vgl. auch für das Große Hl. Kreuz Bruchmann, Haus-
ordnung, Art. 22: sondern sick als begebene arme lude hol-
den stille und fromeliken.
324 Vgl. Sehling, EKO XI, S. 29.
325 Zum Vorgehen des Rates gegen den Mißbrauch des
Namen Gottes vgl. die Neue Ordnung (Nr. 18, S. 293).
326 Corpus doctrinae Christanae, quae est summa orthodoxi
et catholici dogmatis, complectens doctrinam puram et
veram evangelii Iesu Christi secundum divina propheta-
rum et apostolorum scripta, Leipzig: Ernst Vögelin 1560;
Corpus doctrinae Christianae, Das ist gantze summa der
rechten, waren christlichen lehre des heyligen Evangelii
nach innhalt göttlicher prophetischen und apostolischen
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meisterin erledigte die im Haus anfallenden Arbeiten, wobei sie durch Mägde Unterstützung erhielt. Beim
Siechenhof fiel in den Aufgabenbereich der Hofmeisterin die Aufsicht über das Vieh und die Milch- und
Käseherstellung; in anderen Spitälern war sie für das Brauen und Backen zuständig318.
Der Siechenhof oder St. Pankratiushof, der erstmals 1265 in einer Urkunde Erwähnung findet319,
bestand aus zwei Gemeinschaftshäusern, aus dem Oberhaus und dem Unter- bzw. Theilhaus. Im Unter-
oder Theilhaus saßen die Pfründer, die dort über eigene Kammern verfügten. Im Oberhaus waren dagegen
die sogenannten Beisitzer sowie die Armen und Bettler untergebracht320. Der Aufenthalt von Bettlern war
aber auf ein oder zwei Nächte beschränkt. Neben den Gemeinschaftshäusern besaß der Siechenhof eine
Reihe von landwirtschaftlichen Gebäuden, zu denen auch die Molkerei gehörte. Das Spital verfügte über
eine eigene Kapelle und einen eigenen Friedhof321. Seelsorgerlich betreut wurden die Bewohner vom Pfarrer
und Kaplan der Stephanigemeinde im Osten der Stadt322.
Die Bewohner sollten ein untadeliges Leben führen, das von Arbeit und Gebet geprägt war323. Für das
Haus leisteten die Insassen z.B. Dienst in der Krankenpflege oder sie halfen beim Einbringen der Ernte.
Waren sie zu diesen Arbeiten nicht in der Lage, mußten sie einen Ersatz stellen oder stattdessen eine
Gebühr zahlen. Die Bewohner konnten sich aber auch durch verschiedene Tätigkeiten außerhalb des Hau-
ses Geld zu ihrer Pfründe hinzuverdienen. Unter allen Umständen sollte der Eindruck des Müßiggangs
vermieden werden. Durch ein vorbildliches Leben hoffte man, die Bürger der Stadt für die Gabe von
Almosen zu gewinnen. Die Gegenleistung der Spitalinsassen für die Almosen bestand wie im Mittelalter im
Gebet für die Wohltäter324.
Nach der Ordnung von 1588 fand in der Gemeinschaftsstube des Siechenhofes jeden Tag eine Betstunde
sowie am Donnerstag ein eigener Gottesdienst statt. An den Sonn- und Festtagen besuchten die Bewohner
die Gottesdienste in der Kirche St. Stephani. Die Teilnahme am Gottesdienst und der regelmäßige Empfang
des Abendmahls wurden kontrolliert. Säumigen Personen drohte dabei der zeitweise Entzug der Versorgung
(den Korb höher hängen).
27. Disziplinarmandat, 22. Februar 1595 (Text S. 338)
Konkreter Anlaß für die Verkündigung des Disziplinarmandats im Februar 1595 durch Bürgermeister und
Rat der Stadt Goslar waren die Erfolge der Osmanen, denen im vorangegangenen Jahr die Eroberung einer
Reihe wichtiger ungarischer Festungen (darunter auch die der Festung Raab) gelungen war. Das Mandat
richtet sich in erster Linie an die Wirte, die in ihren Wirtshäusern das Musizieren und das Spielen mit
Karten und Würfeln, vor allem aber den Mißbrauch des Namen Gottes durch Fluchen, Schwören und
lästerliche Reden unterbinden sollen325.
28. Verzeichnis der in Goslar gültigen Lehrschriften, 11. Mai 1595 (Text S. 339)
Der Gedanke einer verbindlichen Sammlung von Lehrschriften geht auf Philipp Melanchthon zurück, der
1560 ein „Corpus doctrinae Christianae“326 veröffentlichte. Es enthielt die drei altkirchlichen Symbole, die
318 Zum Aufgabenbereich der Hofmeisterin vgl. ebd., Art. 30-
32.
319 UB Goslar 2, Nr. 108, S. 173-175.
320 Vgl. Dreves, Armenwesen, S. 118.
321 Vgl. dazu Graf, Niederkirchenwesen, S. 94f. und 453.
322 Zur Stephanigemeinde vgl. die Einleitung S. 179 sowie
Nr. 4, Anm. 8.
323 Vgl. auch für das Große Hl. Kreuz Bruchmann, Haus-
ordnung, Art. 22: sondern sick als begebene arme lude hol-
den stille und fromeliken.
324 Vgl. Sehling, EKO XI, S. 29.
325 Zum Vorgehen des Rates gegen den Mißbrauch des
Namen Gottes vgl. die Neue Ordnung (Nr. 18, S. 293).
326 Corpus doctrinae Christanae, quae est summa orthodoxi
et catholici dogmatis, complectens doctrinam puram et
veram evangelii Iesu Christi secundum divina propheta-
rum et apostolorum scripta, Leipzig: Ernst Vögelin 1560;
Corpus doctrinae Christianae, Das ist gantze summa der
rechten, waren christlichen lehre des heyligen Evangelii
nach innhalt göttlicher prophetischen und apostolischen
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