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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Dörner, Gerald [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 2. Teil): Grafschaft Schaumburg, Goslar, Bremen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.30840#0622
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Bremen

Rem mali exempli esse ecclesiam a schola divelli
Dan solcher protestation zuwiddern wirdt gleich-
woll dem rahde ungutlich von dem ministerio bey-
gemeßen, alse ob sie scholam ab ecclesia aut eccle-
siam a schola divellieren13 wolten, deßen sich doch
ihre erb. w. viell anders zuberichten. Ja, auch eben
darumb, das sie scholam ab ecclesia | nicht wolten
divellieren, hatt ein erbar rath den jetzigen recto-
rem14, sobaldt er alhie angekommen, dohin ermanet
undt vermocht, das er mit dem ministerio conferie-
ret, die auch (des raths wißens) an ihme der lehr und
religion halber nichts zu reprehendieren gehabt, son-
dern domals ihne selbst der sinceritet oder puritet
halber in religione gelobet und geruhmet haben sol-
len, daß also der rahdt bey sich nicht ermeßen kan,
woher doch das ministerium ursach genommen, sich
der divulsion oder disiunction scholae ab ecclesia zu-
beschweren oder eine mehrere coniunction cum
schola zubegeren, eß wehre dan sach, das sie eine
solche coniunctionem scholae cum ecclesia gern ha-
ben wolten, dadurch sie zugleich das gebiete uber
die schull und bestellung der schuldiener, wo nicht
gantz, doch zum theill, mit an sich ziehen möchten.
Dieweill aber solchs also von alters nicht herge-
bracht, so ist auch dem | rahde bedencklich15, sich
deßfals ihr hergebrachtes ius verschmeleren oder
endtziehen zu laßen.
Darnegst wirdt auch ein erb. rahdt von den herrn
des ministerii vast unbillich insimulieret16, alse sol-
ten sie durch die beschehene endturlaubung zweyer
schuldiener zur distruction der schulen ursach geben
wollen, da doch die tagliche erfarung und große un-
kosten, so der rahdt uff die schull jerlichs verwen-
det, genugsamb an den tagk und zeugnuß geben, das
sich der rahdt mit aller geburender sorgfeltigkeit an-
gelegen sein laß, wie die schull erbauwet und nicht
destruieret werden möchte.

13 Abtrennen, wegreißen.
14 Zu dem im Jahr 1600 berufenen Rektor des Gymnasiums
Andreas Widmar s. Nr. 25a, Anm. 17.

Schrödern und canthorn belangendt
Und zwar, das Schröder17 und der canthor ihrer
dienste endturlaubet, hatt ein erb. rath dazu erheb-
liche, auch rechtmeßige und billiche ursach gehabt,
und zwar darunter mehr bedacht und erwogen, dan
etwa die herrn des ministerii gethan oder noch
vieleicht thuen möchten. | Zweiffelt auch nicht, wan
die herrn des ministerii bey sich semotis privatis af-
fectibus etwas tieffer erwogen hetten oder noch er-
wogen werden, ob der gedachten beyder gewesener
schuldiener behaltung oder endturlaubung mehr zur
aedification oder destruction der schulen gereichen
könte, sie wurden sich ihrer dimission halber nicht
so hart bekummert haben.
Und sollen die herrn des ministerii einen erbarn
rahdt nicht so gahr albern oder auch iniquum ach-
ten und halten, alse ob ihre erb. w. incognita aut
sine iusta causa die gedachte beyde schuldiener ihrer
dienste endtsetzet, vielweniger insimulieren, alse
hetten ihre erb. w. in deme zu viell gethan und con-
tra omnium iudiciorum regulam procedieret.
Dan obwoll der rahdt auß besondern, hochwichtigen
ursachen und bedencken nicht vor rathsamb ange-
sehen, deßwegen einen besondern processum iudicia-
rium anzustellen, adeoque per modum accu-| satio-
nis procedieren zulaßen, solchs auch in dergleichen
fellen bißanhero niemalß ublich noch gebrauchlich
gewesen, so hatt gleichwoll in diesem fall der rahdt
vor solcher endturlaubung per modum inquisitionis
sich der sachen mit allen dero umbstenden zuvor
genugsamb erkundiget und also nicht incognita, sed
satis perspecta causa und zwar dermaßen verfaren,
wie es die gelegenheit und notturfft, auch erhaltung
guter tranquillitet, friedens und einigkeit in der
schulen erfurdert.
Ohne das gleichwoll auch ein erb. rahdt, nicht we-
niger alß ein jeder ander herr und obrigkeit, gemech-
15 Erscheint es [...] zweifelhaft, gefährlich s. FWb 3,
Sp. 392; Adelung 1, Sp. 780.
16 Verdächtigt, beschuldigt, s. FWb 8, Sp. 158.
17 Zu ihm vgl. Nr. 25a, Anm. 18.

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