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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (9. Band = Hessen, 2): Die geteilte Landgrafschaft Hessen 1582-1618 - Grafschaften Waldeck, Solms, Erbach und Stolberg-Königstein - Reichsstädte Frankfurt, Friedberg, Gelnhausen und Wetzlar — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.30289#0140
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Hessen-Kassel

anfangs ihres studirens recht angefuhret, unterrichtet und
die grundfest, darauff hernach die höhere studia zu bawen,
woll und muglich legen, welches dan in der particular- unser
stat und flecken angeordneten schulen beschehen und voll-
zogen werden muß. Wo aber das nicht geschicht und die
jugent gleich in primo limine verhindert, verseumbt, un-
gleich oder ubel instituiret wirdt, so ist ihnen solches fur
und fur nachtheilig, verhinderlich und schedlich.
So wollen, ordnen und befehlen wir hirmit ernstlich, das un-
ser consistorium zugleich auff die particularschulen, damit
dieselben mit gelertten, gottsfurchtigen und zu solchem
ampt und arbeit unverdroßen schulmeistern besetzt, bestelt
und wol versorget und versehen werden, ein vleißige auff-
sicht haben sollen, wie volgt.
Erstlich, so offt und dick ein schulmeister oder collaborator
von seinem schuldienst abziehet und die stette ihrem her-
kommen nach unserm consistorio einen andern nominire
und praesentire, so soll derselbe praesentirtte und zugelaßen
seines herkommens, lehr und lebens glaubwurdige testimo-
nia unserm consistorio furbringen und zeigen. Wenn dises
also richtig geschehen, als denn soll der denominirte von den
consistorialibus sowol seiner pietet halben auff unsern cate-
chismum [Katechismus von 1607, oben, Nr. 7c] als auch in
grammaticis und reliquis philosophiae partibus mit sonderm
vleiß examinirt und in einer oder zwo lectiones im paed-
agogio oder statschull zu Marpurg gehört und probiret wer-
den. Were er in dem allen richtig und zu solcher admini-
stration tauglich erkant, sollen ihme darauff volgende arti-
cel furgehaltten werden:
Zum ersten, das er wol bedencken und zu hertzen faßen wol-
le, daß sein dienst ein hoch, theur und von Gott geordnet
ampt und mittel sey, die kinder mit der lehr und Gottes-
forcht zu erhaltung des predigampts und guten regiments zu
unterrichten und auffzuziehen. Derowegen solle und welle er
vermittels gotlicher gnaden der schul, so ihm befohlen, trew-
lich versehen, die assignirte und gewonliche schulstunden
steiff [= streng] observiren und ohne einige versaumbnis
haltten und also laboriren, daß man jederzeit bey der jugend
seinen vleiß scheinbarlich erfinde.
Insonderheit aber soll er die jugend in catechismo trewlich
unterrichten und sich nach den praeceptis grammaticis und
dialecticis und andern der jugend notigen und nutzlichen
autoribus und lectionibus, auch in der gantzen institution
unserm paedagogio zu Marpurg laut und vermög der hie-
neben verfasten schulordnung sich conformiren undt gleich-
heit mit denen haltten. Undt weil die grammatica nach dem
catechismo daß nötigste stuck in den particularschulen ist,
soll er dieselbe fur undt fur treiben und uben, damit die
knaben gute und gewiße grammatici und der lateinischen
sprach zue reden und schreiben etwaß mechtig werden.
Weil denn auch die exempel bey der jugend viel vermögen,
so woll zum guten als zum bösen, so soll er der jugend mit
einem zuchtigen, nuchtern und erbahren leben vorgehen und
-leuchten.
Deßgleichen soll er in der zuchtigung und straff der kinder
bescheidentlich umbgehen, erstlich mit glimpfigen [= ange-
messenen] wortten und, da die nicht verfenglich, mit der
ruten straffen, dabey alle ungeburliche streich, als zum
heupt und angesicht, item backenschlege, bey den haren zi-
hen und reuffen, allen gifftigen zorn, poltern und derglei-
chen unbescheidenheit gentzlich vermeiden.

Und demnach die ingenia nicht alle gleich, so soll er sich
derselben prudenter accommodiren, die guten ingenia mit
guten worten regieren und durch ungestumes poldern nicht
abschrecken oder vom studiren abwendig machen, sondern
sie den eltern commendiren mit ermahnung, sie wollen die
knaben an der schul und ihrem studiren nicht hindern, son-
dern befordern, der hoffnung, sie werden Gott dem herrn zu
ehren und dem gemeinen nutz zum besten einen nutzlichen
und gelertten man aus ihnen erzihen, Die aber, welche nicht
mit so vehigen ingeniis begabt, obgedachter maßen mit
wortten und bescheidener, gebuhrender maß ermahnen und,
da ein knab so ein gar ungelernig und eines ungeschickten
kopffs wehre, das kein vleiß noch arbeit bey ihm wolte ver-
fangen, soll er den eltern solches anzeigen mit erinnerung,
daß sie ihem in zeitten zu handwercken oder andern ehrli-
chen dingen verhelffen, doch soll darin nicht so sehr geeilet
und der knab nicht ehe aus der schul genommen werden, er
habe dan zum wenigsten seinen catechismum zuvor wol ge-
fast und gelernet. Weil dan auch vertraglichkeit und gehor-
sam einem jungen gesellen sonderlich wol anstehet, soll er
sich jegen seinen pfarrer, obrigkeit und die inspectores scho-
lae gehorsamblich und gegen menniglich friedfertig erzeigen,
alles hadders und zanksucht mußig gehen.
Endlich soll er sich in dießem seinem ampt also verhaltten,
daß er davon am jungsten tage fur Gott rechenschafft geben
und daßelbe gegen unß als dem magistrat verantwortten
konne und sich bey menniglich also commendirt machen
möge, darmit, da er in minimo fidelis erfunden, ad maiora
konne erhoben und promovirt werden. Wenn er nun diesem
allem mit Gottes hulff nah zu kommen angelobt, so soll das
consistorium ihn in unserm nahmen und mit befelch an den
pfarherrn, amptman und burgermeistern, dahin er nominirt,
schicken mit befelch, das ihn der pfarrer in gegenwertigkeit
der itzgedachten personen wie auch des inspectoris scholae
in die schul introduciren und ihme die knaben zu regieren
und lehren befehlen solle, darbei ihm dan zugleich geburli-
cher schutz wieder alle gewaltsames uberlauffen [= Überfül-
len, eintrichtern] in der schul und betrawen [= bedrohen], so
zuweilen von den eltern der zucht halben zugeschehen
pflegt, wie auch die gewonliche besoldung verheißen und zu-
gesagt werden sollen.
Von inspectorn der particularschulen
Damit die administration und unterhaltung der schulen de-
sto nutzlicher angericht, ins werck gebracht und darin er-
haltten werden möge, so wollen und ordnen wir, das in allen
und jeden stetten und flecken, da schulen sein, neben dem
pfarrer zwen fromme, gottsfurchtige, verstendige und, wo
manß haben kan, gelertte menner aus dem rhat oder gemei-
ne zu inspectorn der schul von den superintendenten geord-
net werden, welche nachvolgender gestalt mit allem vleiß
ihre inspection auff die schulen haben und dieselben visiti-
ren sollen.
I. Erstlich sollen dieße verordnete drey inspectores scholae
alle monat zum wenigsten einmahl die schule visitiren und
sehen, wo undt wie darin unsere schulordnung eingerichtet
sey und wie deren gelebt werde. Wo sie dan mangel befin-
den, sollen sie die schulmeister und collaboratores zur obe-
servantz unser schulordnung mit vleiß anhaltten.
II. Deßgleichen sollen die deputirtt inspectores alle halbe
jar ein examen in der schulen alzeit, erste Aprilis, das ander

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