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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (9. Band = Hessen, 2): Die geteilte Landgrafschaft Hessen 1582-1618 - Grafschaften Waldeck, Solms, Erbach und Stolberg-Königstein - Reichsstädte Frankfurt, Friedberg, Gelnhausen und Wetzlar — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.30289#0167
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12. Polizeiordnung [1574]

und daruber, wan sie nun zu ihren manbaren36 jah-
ren kommen und nichts gelernet haben, sich in diebs-
und andere gesellschafften oder an den bettelstab
begeben mussen, so sollen unßere pfarhern, schul-
meister und beampten solche gesellen, ehe sie ihnen
etwas aus dem casten reichen oder sie ufnehmen,
vleißig examiniren und sich nicht allein erkundigen,
woher sie seien, wie sie heißen, wer ihre eltern sein,
wo sie studirt, warumb sie dis ortts zupleiben oder
wohin sie zuziehen gedencken, sondern auch der lehr
halber tentirn und anhören, ob sie auch nach irem
alter genug studiret, item, was sie vor ingenia ha-
ben. Befinden sie dan, das sie arm, fromb und vlei-
ßig sein | und richtige anttwortt uf alles geben kön-
nen und sonsten also geschaffen, das bei ihnen die
allmußen und beforderung nicht ubel angewendet,
alsdan ihnen ein zehrpfenig mitheilen und vortzie-
hen lassen oder, da sie des ortts verharren wolten,
dem schulmeister zu vleißiger uffsicht und under-
weißung, den nachbarn aber zu milter handtrei-
chung und ufnehmung, zum besten bevehlen. Wur-
dens aber große, ungeschickte bengell und landlauf-
fer sein, die dem müßigang und bettlen nachziehen,
so soll man sie wedder ufnehmen noch ihnen etwas
geben, sondern wie die landtstreicher wieder zuruck
und zum thor hinaußweißen. Ebenmeßigen proceß
sollen auch unßere pfarhern, eltisten und beampten
mit denen, so sich fur verjagte pfarhern, schulmei-
ster oder dienstloße schreiber ausgeben, halten und
denselbigen, so sie vermercken wurden, daß sie
struntzer37, die ires wunderlichen kopfs oder unge-
schicklicheitt halber nirgendts pleiben köntten oder
sonsten vagabundi weren, entwedder nichts geben
oder gar gering abfertigen, mit denen aber, so be-
kanth oder gutt zeugnuß hetten irer gottseligkeitt,
lehr, wandel und weßen, oder | man sonsten solches
aus irer redt abnehmen köndte, sollen sie ein christ-
liches mitleiden tragen und ihnen alle gute beforde-
rung aus dem gottescasten, auch aus dem ihrigen
gutwillig beweißen und vorthelffen, wie das die
b-b Handschrift bricht hier ab. Text ergänzt aus dem Ab-
druck bei Steiner, siehe oben, Anm. a.
36 Erwachsenen, ehefähigen.
37 Prahler, Aufschneider, Grimm, DWb 20, Sp. 137.

christliche liebe von einem jeden erfordertt und oh-
nedas in solchen notfellen löblich und rumlich ist.
[7.] Von zeugeunern, spielleuthenn, gaucklern und
denen, so uff den gemeinen märck[t]en geringfugige
gluckhaffen38 anrichtenn
Die zeugeuner sollen billich under die landstreicher
gerechnet und um soviel desto weniger gelitten wer-
den, dieweill ihre gesellschafft underm schein ver-
sprochener peregrination uf nichts anders dan uf
verretherey, betrug und stelen gerichtet, darunder
sie den namen Gottes und die heilige tauff in viell
wege mißbrauchen und die leuthe nicht allein mit
ihrem lugenhafftigen wahrsagen und verbottenen
teufelskunsten betrigen und bestelen, sondern auch
uf nichtige und abergleubische dinge zu fuhren un-
derstehen. Wan dan ohnedas in den reichsconstitu-
tionen ernstlich verbotten, die zeugeuner durch die
lande teutscher | bnation ziehen, handlen oder wan-
deln zu lassen, viel weniger ihnen dazu sicherheit
und geleit zu geben39, so wollen wir auch, daß unsere
beampten ihnen in oder durch unser obrigkeit und
gebieth zu ziehen keineswegs gestatten, sondern sie
zurücktreiben oder im fall ihrer verweigerung, da sie
auch etwas gestohlenes oder sonsten verdächtiges
bey ihnen fünden, sie zu hafften einziehen und uns
darvon berichten sollen.
Und nachdem sie je bisweilen leichtfertige gesel-
len und dirnen, wie sie auch nicht anders dann huren
und buben seyndt, zu sich reitzen und in ihren
bundt aufnehmen, würdte sich dann jemandt unse-
rer unterthanen, es wäre mann- oder weibspersoh-
nen, also vorwitzig und leichtfertiger weise in ihre
gesellschaft begeben, ihre künste brauchen oder in
andere wege mit ihnen in oder außerhalb unserer
obrigkeit handeln oder wandeln, so sollen unsere be-
amten fleyßig nach selbigen trachten und, da sie in
unser gebieth anzutreffen, demnächsten ergreifen,
damit wir sie zu wohlverdienter straff bringen

38 Glückshafen, Glückskasten = Lotterie.
39 Vgl. Reichspolizeiordnung 1548, Art. 27 „Von den cigei-
nern“, DRTA.JR 16/2, S. 1019f.; 18/3, S. 2077; Weber,
Reichspolizeiordnungen, S. 203.

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