Metadaten

Orth, Christian; Aristophanes
Fragmenta comica (FrC) ; Kommentierung der Fragmente der griechischen Komödie (Band 10,3): Aristophanes, Aiolosikon - Babylonioi (fr. 1-100): Übersetzung und Kommentar — Heidelberg: Verlag Antike, 2017

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.53730#0229
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Άνάγυρος

225

Verzehr der Jagdbeute. Tsantsanoglou 1984, 83 vermutet plausibel, dass die
Sprecherin hier nicht unter leidenschaftlicher Liebe, sondern vielmehr unter
großem Hunger leidet.24
4. Stützen lässt sich diese Vermutung, wenn man einige weitere Fragmente
heranzieht, die ebenfalls im anapästischen Dimeter (oder von dessen katalekti-
scher Variante) stehen und auch inhaltlich mit fr. 53 vergleichbar sind. In fr. 55
καν μηδέν έλης, στήσον μυάγραν wird für den Fall, dass der Gesprächpartner
„nichts fängt“, das Aufstellen einer Mausefalle vorgeschlagen, in fr. 57 και
μην χθές γ’ ήν Πέρδιξ χωλός ist (vielleicht ebenfalls als mögliche Jagdbeute)
von einem Rebhuhn die Rede (was dort allerdings mit einem Witz über einen
lahmen Schankwirt namens Perdix verbunden wird), und fr. 56 ούχ έψητών
λοπάς έστιν drückt wohl einfach das Fehlen selbst von billigen kleinen
Fischen (und damit wiederum Armut und Hunger) aus.25 Zusammen mit fr.
53 könnten diese Verse aus einem paratragischen Wechselgesang in anapä-
stischen Dimetern stammen (auf die Beteiligung mehrerer Sprecher deutet
die zweite Person und der Imperativ in fr. 55, und auch και μην in fr. 57 passt
besonders gut direkt nach einem Sprecherwechsel); vgl. bei Aristophanes Nub.
889-948, Vesp. 1482-95, Pac. 82-101 und Thesm. 39-62.26 Interessant ist in
diesem Zusammenhang, dass gerade auch das in fr. 53 parodierte euripideische
Vorbild zu einem solchen Wechselgesang zwischen Phaidra und ihrer Amme
in anapästischen Dimetern gehört. Es wäre also möglich, dass diese Passage
aus dem Hippolytos insgesamt das Vorbild (oder eines der Vorbilder) für ei-
nen ähnlichen Wechselgesang im Anagyros geliefert hat. fr. 57 jedenfalls lässt
sich unter der Annahme, dass hier eine Amme in einem Wechselgesang mit
einer unter Hunger leidenden und nach Jagdbeute suchenden Frau spricht,
besonders gut erklären: In diesem Fall könnte es sich um eine doppeldeutige
Antwort handeln auf die Klage der Gesprächspartnerin, dass es nicht möglich
ist, Vögel (oder speziell Rebhühner) zu fangen, die auf einer Ebene bedeutet:
„und doch war gestern noch ein Rebhuhn lahm (also leicht zu fangen)“, und auf
der anderen: „und doch war noch gestern der Schankwirt Perdix lahm“ (wobei
dann die Sprecherin zugleich - einem Komödienklischee entsprechend - als
regelmäßige Besucherin eines Schankwirts und damit als trunksüchtig cha-
rakterisiert würde).

24 Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass Phaidra im Hippolytos um-
gekehrt aus eigenem Willen seit drei Tagen nichts mehr gegessen hat (Eur. Hipp.
275-7).
25 Vgl. zu diesen Fragmenten die Diskussion von Tsantsanoglou 1984, 82-4.
26 Vgl. unten zu fr. 53, Interpretation, und zu fr. 54, Interpretation.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften