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Orth, Christian; Aristophanes
Fragmenta comica (FrC) ; Kommentierung der Fragmente der griechischen Komödie (Band 10,3): Aristophanes, Aiolosikon - Babylonioi (fr. 1-100): Übersetzung und Kommentar — Heidelberg: Verlag Antike, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.53730#0312
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308

Aristophanes

war er gestern ein lahmes Rebhuhn“201 (in Bezug auf ein vorher genanntes
Subjekt), was dann einerseits auf die „salacitas“ der Rebühner, und ande-
rerseits auf das Sprichwort άριστα χωλός ο’ίφει (oder zumindest den darin
ausgedrückten Gedanken) Bezug nehmen könnte (eine solche Interpretation
schlagen Kassel/Austin, PCG III.2 (1984) 59 vor: „an ‘heri vero furebat libi-
dine’“). Tatsächlich ist die besondere Neigung der Rebhühner zur Paarung
gut bezeugt (vgl. Arist. HA 488b3-4 καί τα μέν αφροδισιαστικά, οίον τό των
περδίκων καί άλεκτρυόνων γένος, Athen. 9,389a [zu Phryn. com. fr. 55] τό δε
ζωον επί λαγνείας συμβολικώς παρείληπται, Ael. ΝΑ 4,1. 7,19, Eust. in Od.
1681,38-40 vol. I p. 410,26-28 Stallbaum; Gossen 1914, 350,8-12), doch wird
das Sprichwort άριστα χωλός οίφεΐ (Diogenian. 2,2 vol. I p. 196 Leutsch-
Schneidewin) sonst nur in Bezug auf die Fruchtbarkeit von Tieren bezogen
und nirgends mit sexuellem Vergnügen in Verbindung gebracht. Der Sinn
dieses Sprichworts scheint also zu sein, dass an sich für andere Zwecke un-
brauchbare lahme Tiere für die Zucht sehr wertvoll sein können. Wenn die
Annahme einer Kombination dieses Sprichworts mit der Vorstellung von den
besonders lüsternen Rebhühnern richtig ist, dann könnte der Vers vielleicht
eher bedeuten: „aber gestern war er ein besonders guter/leidenschaftlicher
Liebhaber“ (vielleicht als Worte einer ehebrecherischen Frau?).
Einfacher lässt sich der Vers aber wohl unter der Annahme verstehen,
dass hier tatsächlich von dem auch in den Vögeln erwähnten Schankwirt mit
dem Spottnamen Perdix die Rede ist („und doch war gestern jedenfalls Perdix
lahm!“).202 Das ist gerade auch dann möglich, wenn das Fragment tatsächlich
in denselben Kontext gehört wie fr. 53, 55 (und vielleicht auch 56) und aus
einer Passage in anapästischen Dimetern stammt, in der der große Hunger
einer Person (vielleicht der mit Phaidra parallelgesetzten Stiefmutter der
Anagyroslegende) thematisiert wird. Der Beginn des Verses mit καί μην ... γ’
(vgl. zum Lemma) stützt dabei noch zusätzlich die schon aus fr. 55 gewonnene
Annahme, dass es sich dabei um einen Dialog (bzw. Wechselgesang) handelt
(der vielleicht einem ähnlichen Dialog in anapästischen Dimetern zwischen
Phaidra und der Amme im Hippolytos nachgebildet ist, vgl. oben S. 225-6).
καί μην χθές γ’ ήν Πέρδιξ χωλός („und doch war gestern wenigstens Perdix
lahm“) könnte dann die Antwort auf eine Klage der Sprecherin von fr. 53 sein,
dass es zur Zeit schwer oder ganz unmöglich sei, ein Rebhuhn (πέρδιξ) zu

201 So (allerdings mit der Deutung von Πέρδιξ als Eigenname) Henderson 2007, 137
(vgl. unten Anm. 202).
202 Ebenfalls an einen Bezug auf Perdix, aber mit anderer syntaktischer Deutung des
Fragments, denkt Henderson 2007, 137, der übersetzt: „in fact just yesterday he
was a lame Partridge“.
 
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