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Orth, Christian; Aristophanes
Fragmenta comica (FrC) ; Kommentierung der Fragmente der griechischen Komödie (Band 10,3): Aristophanes, Aiolosikon - Babylonioi (fr. 1-100): Übersetzung und Kommentar — Heidelberg: Verlag Antike, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.53730#0329
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Άνάγυρος (fr. 59)

325

früheren Brauch handelt, oder sogar um ein zur Zeit des Stücks allgemein
übliches Vorgehen.
Die modernen Interpretationsversuche gehen entweder von der Erwäh-
nung von Armen und Reichen im Zitatkontext oder vom Inhalt des im selben
Metrum stehenden und wahrscheinlich aus demselben Kontext stammenden
fr. 58 aus und gelangen dabei zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen:
Kock I (1880) 406 vermutet (gefolgt von Ehrenberg 1951, 345 mit Anm.
5), dass Aristophanes den alten Badebrauch, der darin bestanden habe, dass
die Armen die Reichen und die Reichen die Armen wuschen (und daher kei-
ne Schwämme nötig waren) auf das Staatswesen übertragen habe und die
Forderung aufgestellt habe, zu einem Zustand zurückzukehren, in dem sich
Reiche und Arme gegenseitig helfen und die - mit den Schwämmen gleichge-
setzten - Demagogen und Sykophanten außen vor bleiben.246 Überzeugender
und klarer wird dieselbe Hypothese von Ehrenberg 1951, 345 formuliert:
„Plundering the rieh became not only the purpose of avaricious individuals; to
offer the chance of it to the masses in court and assembly was a favourite item
in the demagogues’ domestic policy, and the sycophants were the middlemen
who by false denunciations provided the victims. The soil was prepared in
which the weed grew and flourished. The whole Situation is reflected in a
significant, though somewhat complex, metaphor [Ar. fr. 59]: when one day
rieh and poor wash each other in the public baths (that is, support and help
each other instead of thinking each of himself only), on that day no one will
any longer need those sponges, soaked full, as it were, with the property
of others, and thrusting themselves between the classes and groups of the
people“. Stützen lässt sich eine solche politische Interpretation durch zwei
schon von Kock verglichene Passagen bei Aristophanes: In der (epirrhemati-
schen) Parabase der Frösche (686-705. 718-37 [troch. tetr.]) fordert der Chor
die Athener zu innerer Geschlossenheit und zur Beilegung innerathenischer
Konflikte auf (wobei die Forderungen mehrmals mit χρήνοα formuliert werden
[690. 692] und in Vers 688 έξισώσοα τούς πολίτας die Forderung erhoben wird,

246 Kock weicht insofern von der Darstellung im Zitatkontext ab, als (1) nach seiner
Darstellung nicht nur die Reichen die Armen mitwuschen, sondern vielmehr die
Reichen die Armen wuschen, und die Armen die Reichen, und (2) bei dem alten
Brauch überhaupt keine Schwämme benötigt wurden. Während (2) gut mit καί
τούς σπόγγους έαν im Fragment vereinbar ist, wirft (1) die Frage auf, warum
dann überhaupt noch getrennt von Reichen und Armen die Rede ist, wenn sie
sich in ihrer Funktion in nichts voneinander unterscheiden. Problematisch ist auch
Interpretation von παραλοϋσθαι, das sich kaum auf das gegenseitige Waschen
beziehen kann (vgl. auch unten zum Lemma).
 
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