Metadaten

Aristophanes; Verlag Antike [Hrsg.]
Fragmenta comica (FrC) ; Kommentierung der Fragmente der griechischen Komödie (Band 10,9): Aristophanes fr. 590-674: Übersetzung und Kommentar — Heidelberg: Verlag Antike, 2016

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.53731#0213
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
1
2 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Incertarum fabularum fragmenta (fr. 653) 209
Zitatkontext Der Glosse liegt wohl eine attizistische Quelle zugrunde (Ael.
D. α 98 Erbse). Es geht um die Frage der Aspirata im Wort άμίς (vgl. hier
unten, zum Wort), wofür außer Aristophanes auch Eup. fr. 52 [Autolykos]
(τί δήτ’ άν, εί μή τήν άμίδα καθεϋδ’ έχων;) und Men. fr. 252 [Nomothetes]
(έκκαίδεκα / κεΐνθ’ άμίδες) herangezogen werden. Aristophanes’ Worte sind
im Zavordensis am Rande zitiert. Eine weitere attizistische Quelle (Moer. κ
22 Hansen κατεσκέδασε τήν άμιδα Αττικοί- κατέχεεν "Ελληνες) betrachtet
denselben Ausdruck (vielleicht direkt von Aristophanes übernommen) als
attisches Äquivalent von καταχεϊν ,herabgießen“ (vgl. auch P. Magd., BCH
27 [1903] 177 τό ούρον κατέχεεν μου, aus dem 3. Jh. v. Chr.). Eine Diskussion
über den Gebrauch der άμίδες am Symposion findet sich in Athen, epit. 117c-e
(zu den für das Fragment relevanten Stellen vgl. hier unten, Interpretation).
Interpretation Aus den Worten des Sprechers läßt sich folgende Situation
rekonstruieren: der Inhalt eines Nachttopfs wurde - wie üblich in athenischen
Haushalten (vgl. Hurschmann 2000) - von oben auf die Straße geleert, wo-
bei sich der Sprechende gerade dort unten befand, zudem aus irgendeinem
Grund mit offenem Mund; mit der unangenehmen Folge - das ist daraus
zu schließen daß er Urin schlucken mußte. Dies scheint zum einen eine
komische Konstellation zu reflektieren, in der etwas Ekelerregendes herabfällt
und jemanden trifft, der den Mund gerade offen hält: in Ar. Nub. 172-3 (είτ’
άνω κεχηνότος / άπό τής οροφής νύκτωρ γαλεώτης κατέχεσεν) wird etwa
Sokrates beim Beobachten des Himmels von den Exkrementen einer Eidechse
ebenfalls mit offenem Mund erwischt. Zum anderen scheint das absichtliche
Leeren eines Nachttopfs über jemanden auch eine offensive Geste gewesen
zu sein, wie etwa in Dem. 54,4 (έτυπτον και τάς άμίδας κατεσκεδάννυον
και προσεούρουν; zum Ausschütten von Urin und Fäkalien auf Personen in
verschiedenen Kulturen vgl. Bossi 1986, 31-2).
Ein absichtlicher Einsatz ist ebenfalls in zwei durchaus einander ähnli-
chen Satyrspiel-Zitaten bezeugt, die in Athen, epit. 117cd - im Rahmen einer
Diskussion über Verstösse in der späteren Dichtung gegen das traditionell
maßvolle Benehmen der homerischen Helden - in direkter Reihenfolge über-
liefert sind (vgl. hier oben, Zitatkontext): in Aesch. fr. *180 R. (χ — όδ’ έστιν,
δς ποτ’ άμφ’ έμοι βέλος / γελωτοποιόν, τήν κάκοσμον ούράνην, / έρρνψεν
ούδ’ ήμαρτε- περί δ’ έμω κάρα / πληγεισ’ έναυάγησεν όστρακουμένη, / χωρίς
μυρηρών τευχέων πνέουσ’ έμοί) und in Soph. fr. 565 R. (άλλ’ άμφί θυμω τήν
κάκοσμον ούράνην / έρριψεν ούδ’ ήμαρτε- περί δ’ έμω κάρα / κατάγνυται τό
τεύχος ού μύρου πνέον) erzählt wahrscheinlich Odysseus von jemandem, der
ihn mit einem stinkenden Nachttopf (ourane) getroffen hatte, der an seinem
Kopf zerbrach.
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften