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Sitzungen
Systeme erwiesen. Man versteht dabei unter einem klassischen Billard ein beschränk-
tes Gebiet, in dem sich ein Teilchen - die „Billardkugel“ - reibungsfrei bewegt. Die
Dynamik der Bewegung in einem solchen Billard hängt von der Form der Berandung
ab, denn nur mit dieser tritt die Billardkugel durch ideale Reflexion in Wechselwir-
kung. Folgerichtig unterscheidet man je nach Art dieser Berandung, also nach der spe-
ziellen Form des „Billardtisches“, zwischen regulären und chaotischen Billards. Im
regulären Fall - z.B. in einem Rechteck - entfernen sich zwei eng benachbarte Teil-
chenbahnen nicht oder nur linear voneinander, in einem chaotischen Billard - z.B.
einem Rechteck mit abgerundeten Ecken, das damit die Form eines Stadions annimmt
- hingegen exponentiell.
Der Versuch, das Konzept des klassischen deterministischen Chaos, d. h. kleine
Änderungen der Anfangsbedingungen implizieren große Auswirkungen, auf ein
Quantensystem zu übertragen, scheint zunächst zu scheitern, da die Tatsache der
exponentiellen Entfernung benachbarter Trajektorien mit der Heisenbergschen
Unschärferelation ihren Sinn verliert. Um so erstaunlicher ist daher, daß zunächst
Gutzwiller (1970) mit der Theorie der periodischen Bahnen eine semiklassische Quan-
tisierung gelungen ist, und später Bohigas und Mitarbeiter (1984) durch die Anwen-
dung der im Rahmen der Kernphysik von Wigner, Dyson und Mehta schon in den
50er Jahren des letzten Jahrhunderts entwickelten Zufallsmatrix-Theorien auf Billard-
systeme einen universellen Zusammenhang zwischen den statistischen Eigenschaften
der Spektren von Quantensystemen mit der chaotischen Dynamik des korrespondie-
renden klassischen Systems vermutet haben (Bohigassche Vermutung).
Experimentell standen zunächst nur wenige Systeme zur Verfügung - neben den
bereits erwähnten Atomkernen hauptsächlich hochangeregte Wasserstoffatome in
starken Magnetfeldern -, in denen nach dem Auftreten von Quantenchaos gesucht
werden konnte. Ein experimentell leichter zu kontrollierendes System, etwa eine
quantenmechanische Version eines Billards, ist erst in den letzten zehn Jahren realisiert
worden. Dabei macht man sich die mathematische Analogie zwischen der stationären
Schrödingergleichung für ein Punktteilchen in einem unendlich tiefen Potentialtopf
und der Helmholtzgleichung zur Beschreibung eines flachen Mikrowellenresonators
zunutze. In letzterem existieren bis zu einer gewissen Grenzfrequenz lediglich trans-
versal magnetische Anregungsmoden, bei denen das elektrische Feld senkrecht auf
Boden und Deckel steht. Die Äquivalenz der beiden Wellengleichungen erlaubt damit
die Simulation der Bewegung eines quantenmechanischen Teilchens in seinem Poten-
tial durch elektromagnetische Wellen in flachen (zweidimensionalen) Mikrowellenre-
sonatoren. Der Reflexion an harten Wänden im klassischen Fall entspricht beim
Quantenbillard der oben erwähnte unendlich tiefe Potentialtopf mit Dirichletschen
Randbedingungen für die Wellenfunktion. Es ist damit schon intuitiv einsichtig, daß
unter Verwendung supraleitender Mikrowellenresonatoren - z.B. aus dem Metall
Niob gefertigt, das bei einer Temperatur von 9,2 K supraleitend wird und nahezu sei-
nen elektrischen Widerstand verliert - wegen der geringen Wandverluste das quanten-
mechanische Problem besser simuliert werden kann, als das mit normalleitenden
Resonatoren jemals möglich wäre.
Verluste durch die endliche Leitfähigkeit der Billardwände, insbesondere bei aus
Kupfer gefertigten Resonatoren, führen immer zu einer Verbreiterung der Resonanz-
linien - ein Effekt, der z. B. von einem gedämpften mechanischen Pendel wohlbekannt
ist. Diese Breite führt ab einer gewissen Frequenz und - damit verbunden - ab einer
Sitzungen
Systeme erwiesen. Man versteht dabei unter einem klassischen Billard ein beschränk-
tes Gebiet, in dem sich ein Teilchen - die „Billardkugel“ - reibungsfrei bewegt. Die
Dynamik der Bewegung in einem solchen Billard hängt von der Form der Berandung
ab, denn nur mit dieser tritt die Billardkugel durch ideale Reflexion in Wechselwir-
kung. Folgerichtig unterscheidet man je nach Art dieser Berandung, also nach der spe-
ziellen Form des „Billardtisches“, zwischen regulären und chaotischen Billards. Im
regulären Fall - z.B. in einem Rechteck - entfernen sich zwei eng benachbarte Teil-
chenbahnen nicht oder nur linear voneinander, in einem chaotischen Billard - z.B.
einem Rechteck mit abgerundeten Ecken, das damit die Form eines Stadions annimmt
- hingegen exponentiell.
Der Versuch, das Konzept des klassischen deterministischen Chaos, d. h. kleine
Änderungen der Anfangsbedingungen implizieren große Auswirkungen, auf ein
Quantensystem zu übertragen, scheint zunächst zu scheitern, da die Tatsache der
exponentiellen Entfernung benachbarter Trajektorien mit der Heisenbergschen
Unschärferelation ihren Sinn verliert. Um so erstaunlicher ist daher, daß zunächst
Gutzwiller (1970) mit der Theorie der periodischen Bahnen eine semiklassische Quan-
tisierung gelungen ist, und später Bohigas und Mitarbeiter (1984) durch die Anwen-
dung der im Rahmen der Kernphysik von Wigner, Dyson und Mehta schon in den
50er Jahren des letzten Jahrhunderts entwickelten Zufallsmatrix-Theorien auf Billard-
systeme einen universellen Zusammenhang zwischen den statistischen Eigenschaften
der Spektren von Quantensystemen mit der chaotischen Dynamik des korrespondie-
renden klassischen Systems vermutet haben (Bohigassche Vermutung).
Experimentell standen zunächst nur wenige Systeme zur Verfügung - neben den
bereits erwähnten Atomkernen hauptsächlich hochangeregte Wasserstoffatome in
starken Magnetfeldern -, in denen nach dem Auftreten von Quantenchaos gesucht
werden konnte. Ein experimentell leichter zu kontrollierendes System, etwa eine
quantenmechanische Version eines Billards, ist erst in den letzten zehn Jahren realisiert
worden. Dabei macht man sich die mathematische Analogie zwischen der stationären
Schrödingergleichung für ein Punktteilchen in einem unendlich tiefen Potentialtopf
und der Helmholtzgleichung zur Beschreibung eines flachen Mikrowellenresonators
zunutze. In letzterem existieren bis zu einer gewissen Grenzfrequenz lediglich trans-
versal magnetische Anregungsmoden, bei denen das elektrische Feld senkrecht auf
Boden und Deckel steht. Die Äquivalenz der beiden Wellengleichungen erlaubt damit
die Simulation der Bewegung eines quantenmechanischen Teilchens in seinem Poten-
tial durch elektromagnetische Wellen in flachen (zweidimensionalen) Mikrowellenre-
sonatoren. Der Reflexion an harten Wänden im klassischen Fall entspricht beim
Quantenbillard der oben erwähnte unendlich tiefe Potentialtopf mit Dirichletschen
Randbedingungen für die Wellenfunktion. Es ist damit schon intuitiv einsichtig, daß
unter Verwendung supraleitender Mikrowellenresonatoren - z.B. aus dem Metall
Niob gefertigt, das bei einer Temperatur von 9,2 K supraleitend wird und nahezu sei-
nen elektrischen Widerstand verliert - wegen der geringen Wandverluste das quanten-
mechanische Problem besser simuliert werden kann, als das mit normalleitenden
Resonatoren jemals möglich wäre.
Verluste durch die endliche Leitfähigkeit der Billardwände, insbesondere bei aus
Kupfer gefertigten Resonatoren, führen immer zu einer Verbreiterung der Resonanz-
linien - ein Effekt, der z. B. von einem gedämpften mechanischen Pendel wohlbekannt
ist. Diese Breite führt ab einer gewissen Frequenz und - damit verbunden - ab einer