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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2001 — 2002

DOI Kapitel:
I. Das Geschäftsjahr 2001
DOI Kapitel:
Gesamtsitzung am 14. Juli 2001
DOI Artikel:
Kirchhof, Paul: Antrittsrede vom 14. Juli 2001
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https://doi.org/10.11588/diglit.66350#0093
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Sitzungen

Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland dem Auseinanderstreben
der wissenschaftlichen Kräfte des deutschen Staatsrechts entgegenzuwirken und dem
Staat in seinem Recht eine gemeinsame normative Mitte zu bewahren. Die 126 an die-
sem Werk mitwirkenden Kollegen dürfen für sich in Anspruch nehmen, einen Bau-
stein für die Wiedervereinigung Deutschlands geleistet zu haben, um das Haus dieses
Rechtsstaates, dessen elementares Fundament - das Staatsgebiet, das Staatsvolk und
die Staatshoheit - sich grundlegend verändert hat, im alten Stil erneuern zu können.
Meine staatsrechtlichen Arbeitsschwerpunkte schlagen sich in diesem Handbuch
deutlich nieder. Ich habe die deutsche Sprache als staatskonstituierendes Element bei
den Staatsgrundlagenbestimmungen behandelt und dabei an Studien zum Phänomen
des Regierens durch sprachliches Einwirken angeknüpft, eine Arbeit über die
Rechtsänderung durch geplanten Sprachgebrauch - der Versuch einer Rechtsverfäl-
schung durch diejenigen, die für Änderungen des Rechtstextes keine Mehrheit finden
und ihm deshalb in gezielten Sprechaktionen einen anderen Inhalt geben wollen - fort-
gesetzt und suche gegenwärtig - für die dritte Auflage - mit Überlegungen zur deut-
schen Sprache in der europäischen Gemeinschaft und im Völkerrecht einen gewissen
Abschluss.
Mein zweiter Arbeitsschwerpunkt im Handbuch gilt dem Demokratieprinzip, das
seine parlamentarische Mitte zu verlieren droht, wenn die europäische Union ihr
Recht durch den Rat - einem Exekutivorgan - setzt, der Bund Nebenhaushalte gebildet
hat, deren Volumen das eines Bundeshaushalts übersteigt, und der Parteien- und Ver-
bändestaat eine vereinbarte Gesetzgebung praktiziert, in der die Bundesregierung mit
Parteien und Verbänden bestimmte Regelungen abspricht und den Bundestag, den
Gesetzgeber, fast in die Rolle eines bloßen Notars drängt. Zudem verliert die Demokra-
tie ihre Erneuerungsfähigkeit, wenn sie sich zu langfristig bindet und insbesondere ihre
Finanzmittel fast nur noch zur Erfüllung von Ansprüchen und Zusagen einsetzen muss.
Als dritten Gegenstand habe ich das Verhältnis von Verfassungsvoraussetzungen
und Verfassungsinhalten erörtert. Der freiheitliche Staat ist darauf angewiesen, dass
seine Bürger die Freiheitsangebote, die sie von Rechts wegen ausschlagen dürfen, in
ihrer Mehrzahl tatsächlich annehmen. Würden die Menschen keine Ehe und keine
Familie mehr gründen, nicht am Erwerbsleben durch Arbeit und nicht an der Demo-
kratie durch Wahlen teilnehmen, sich nicht mehr für die Wissenschaft anstrengen oder
die religiösen Fragen nach dem Unauffindbaren nicht mehr stellen, hätte kein Frei-
heitsberechtigter das Recht verletzt; der freiheitliche Staat wäre jedoch an seiner Frei-
heitlichkeit gescheitert.
3. In unserem Handbuch habe ich schließlich auch das Steuerverfassungsrecht dar-
gestellt, das gegenwärtig besonders gefordert ist. Unser Steuerrecht ist wegen der vie-
len Ausnahmetatbestände, Subventionsangebote und Formulierungsmängel ein total
verstimmtes Klavier. Dieses Instrument kann man nunmehr als Virtuose spielen, um
ihm dennoch eine schöne Melodie individueller Steuerersparnis zu entlocken. Man
kann es aber auch als Klavierstimmer grundlegend erneuern und damit jeder Taste
wieder den ihr zugehörigen Ton zuordnen. Ich nähere mich dem Steuerrecht in beiden
Funktionen. Zu Beginn dieses Jahres - nach der Unternehmenssteuerreform - habe ich
einen Kompaktkommentar zum Einkommensteuerrecht vorgelegt, in dem die einzel-
nen Vorschriften detailgenau erläutert, in ihren Gestaltungsmöglichkeiten analysiert
und in ihrer Verfassungsmäßigkeit kritisiert worden sind. Zugleich habe ich mich auf
den Weg gemacht, im Rahmen meines Instituts mit einer neuen Forschergruppe den
 
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