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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2001 — 2002

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I. Das Geschäftsjahr 2001
DOI Kapitel:
Gesamtsitzung am 14. Juli 2001
DOI Artikel:
Kirchhof, Paul: Antrittsrede vom 14. Juli 2001
DOI Artikel:
Kieser, Alfred: Wissenschaft und Beratung
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.66350#0094
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14. Juli 2001

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Entwurf eines einheitlichen Bundessteuergesetzbuches zu erarbeiten, in dem die
gegenwärtig vermutlich 173 Bundesgesetze, die vom Steuerrecht handeln, in einem
Gesetzbuch zusammengefasst, die gegenwärtig mehr als 30 Bundessteuern auf 3 oder
4 - die Steuern auf das Einkommen, den Umsatz, die Erbschaft und eventuell einen
besonderen Verbrauch - zurückgeführt, in dieser Kodifikation auch Systemmängel,
Widersprüche und Formulierungsschwächen ausgeräumt werden. Zugleich soll der
Erklärungspflichtige wieder in die Lage versetzt werden, die an ihn formularmäßig
gestellten Fragen aus eigenem Rechtsverstehen zu beantworten und insbesondere ein-
zusehen, warum er so viel und sein Kollege möglicherweise so wenig Steuern zahlt.
4. Auch hier erlebe ich, dass eine wertegeprägte Rechtsordnung sich nur auf der
Grundlage eines stetigen kulturellen Rahmens entfalten kann. Nicht selten verstummt
der Kritiker, der dem Steuerstaat korrumpierende Privilegien vorwirft, bei der Rüge
der eigenen Pfründe. Deswegen ist eine ständige Begegnung von Wissenschaft und
politischer Praxis notwendig. Das öffentliche Recht braucht auch das öffentliche Wort,
die Wissenschaftler auch die Tugend der Geduld, der gelassenen Beharrlichkeit. Ich
habe für die Publikationsreihe unserer steuerwissenschaftlichen Vorhaben das Symbol
der ersten in Deutschland bekannten Justitia aus dem Bamberger Dom gewählt, die
mit offenen - nicht verbundenen - Augen den Sachverhalt beobachtet, mit der Waage
richtet, den Urteilsspruch dann aber mit dem Schwert auch durchsetzt.
Unsere Gegenwart ist in glücklicher Weise für die Wissenschaft vom Staat offen. Sie
verpflichtet durch öffentliche Ehrung. Das hat sich in den vergangenen l1/? Jahren -
nach Ausscheiden aus dem Gericht - fünffach ereignet. Außerdem wurden mir neue
akademische Aufgaben zugedacht: Ich bin Vorsitzender der deutschen Steuerjuristi-
schen Gesellschaft und Mitglied der ständigen Deputation des deutschen Juristentages,
gehöre dem Beirat von zwei großen Wissenschaftsstiftungen und nunmehr auch dem
Universitätsrat der Universität Heidelberg an. Die besondere Ehre, in diese - unsere -
Akademie aufgenommen worden zu sein, verstehe ich als Einladung, das Fundament
der eigenen Wissenschaft in dieser akademischen Begegnung zu festigen. Die Europäi-
sche Menschenrechtskonvention ist verabschiedet worden „unter der Voraussetzung,
dass keiner fragt warum“. Diese Rechtsetzung unter Vorbehalt der Unbegründetheit
oder gar der Unbegründbarkeit aber kann auf Dauer nicht gelingen. Recht wächst
allein in seinen kulturellen Wurzeln. Deshalb bin ich sehr glücklich, in der Akademie
immer wieder ein Stück Kulturwissenschaft in das Staatsrecht mitnehmen zu dürfen.
Meine wichtigste kulturelle Prägung aber erwähne ich zum Schluss: Ich bin verheira-
tet, habe zwei Söhne, zwei Töchter und zwei Enkelkinder.
Herr Alfred Kieser hält einen Vortrag: „Wissenschaft und Beratung“
Es gibt Hinweise darauf, dass Wissenschaftler, insbesondere auch die Wissenschaftler
der Betriebswirtschaftslehre, in ihrer Rolle als Berater der Praxis weniger gefragt sind
als professionelle Unternehmensberater, die nicht nur von Unternehmen, sondern
zunehmend auch von Politikern konsultiert werden. Wertet man beispielsweise aus,
welche Experten in Managementzeitschriften wie manager magazin zu Wort kom-
men, so sind es zunehmend Unternehmensberater, während der Anteil an Wirt-
schaftswissenschaftlern zurück geht. Sieht man sich an, welche Autoren in einer Buch-
reihe, die sich explizit an Praktiker wendet, zu Wort kommen, so gilt auch hier, dass
Unternehmensberater tendenziell häufiger vertreten sind als Wirtschaftswissenschaft-
 
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