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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2001 — 2002

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I. Das Geschäftsjahr 2001
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Sitzung der Phil.-hist. Klasse am 10. November 2001
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Gehrke, Hans-Joachim: Auf der Suche nach dem Land der Griechen: Wissenschaftliche Reisen und die Erforschung der griechischen Geschichte im 19. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.66350#0114
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Sitzung der Phil.-hist. Klasse
am 10. November 2001
Die Klasse gedenkt vor Eintritt in die Tagesordnung des verstorbenen korr. Mitglieds
Gerhard Ebeling.
Herr Hans-Joachim Gehrke hält einen Vortrag: „Aul der Suche nach dem Land der
Griechen: Wissenschaftliche Reisen und die Erforschung der griechischen Geschichte
im 19. Jahrhundert“
In der wissenschaftlichen Exploration Griechenlands durch Forschungsreisen war
Deutschland eine „verspätete Nation“. Vor allem englische und französische Künstler
und Gelehrte bereisten das Land im ausgehenden 18. und frühen 19. Jahrhundert
bereits intensiv, und dabei trat neben das ästhetische zunehmend auch ein landes-
kundliches Interesse. Solche Forschungen gipfelten in der französischen „Expedition
de Moree“ (1829) im Zusammenhang mit dem Peloponnes-Feldzug gegen Ibrahim
Pascha, einem wissenschaftlichen Großunternehmen von markant interdisziplinärem
Zuschnitt.
Die Präsenz deutscher Gelehrter verstärkte sich schlagartig unter der Herrschaft des
Wittelsbachers Otto in Griechenland. Sie waren bei ihren Untersuchungen im Lande
durch zwei vorangehende wissenschaftliche Entwicklungen geprägt: Die neuere Geo-
graphie hatte mit Alexander von Humboldt und Carl Ritter ihre klassische Gestalt
erhalten. Beide vertraten eine dezidiert ganzheitliche Sicht. Humboldt, der sich um ein
System der Natur bemühte, das er aus empirischen Einzelbeobachtungen durch
Erschließungen von Regelhaftigkeiten abstrahierte, betonte den unmittelbaren
Zusammenhang von physischem Ambiente und menschlicher Kultur. Ganz ähnlich,
allerdings mit stärker theologisch-pädagogischer Grundierung, sah Ritter in der Erde
bzw. den diversen Landschaften einen die menschliche Gesellschaft und Zivilisation
prägenden Raum. Darüber hinaus hatte sich m der neuen Altertumswissenschaft eine
deutliche Wendung zu den Realien der Antike ergeben. In der „Sachphilologie“
August Boeckhs ging es nicht zuletzt auch um die Ermittlung der Kontexte der klas-
sischen Texte.
Der Boeckh- und Ritter-Schüler Karl Otfried Müller, seit 1819 Professor in Göt-
tingen, betonte in diesem Zusammenhang besonders das räumliche Ambiente, Topo-
graphie und Geographie der Alten Welt. Er hat dieses - begabt mit einer starken Kraft
der Anschauung - imaginiert und präsentiert, unter genauer Kenntnis der seinerzeiti-
gen Explorationen. Seine Reise nach Griechenland (1840) sollte diese Studien krönen
und zugleich die Basis für die Abfassung einer ‘integralen’, Land und Leute miteinbe-
ziehenden Griechischen Geschichte bilden. Müller ist während dieser Reise verstor-
ben, aber sein Schüler und Begleiter Ernst Curtius ist in seinen Bahnen weiterge-
schritten. Sem Lebenswerk ist in gewisser Weise eine Extrapolation von Müllers Kon-
zepten.
Dies zeigt schon Curtius’ historisch-landeskundliche Arbeit über die Peloponnes
(1851/52), die die innige Verbindung von Raum und Mensch bis in die Details hinein
markierte. Curtius, eine charismatische Persönlichkeit und ein einflußreicher Gelehr-
ter, hat das Griechenland-Bild seiner Zeit maßgeblich geprägt. Er hat in Griechenland
selbst zahlreiche Projekte angestoßen oder selber realisiert, auf nahezu allen für die
 
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