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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2003 — 2004

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I. Das Geschäftsjahr 2003
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Wissenschaftliche Sitzungen
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Öffentliche Gesamtsitzung am 18. Oktober 2003 in Mannheim
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Wenzel, Friedemann: Der gespannte Planet Erde - Die Weltspannungskarte in Forschung und Praxis
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https://doi.org/10.11588/diglit.67592#0075
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18. Oktober 2003 | 87

nungsinformationen entnehmen wir oberflächennahen Messungen (,overcoring’),
Hochdruckexperimenten in Bohrlöchern (hydro-fracturing) und jungen geologi-
schen Indikatoren.
Die Weltkarte der tektonischen Spannungen
Das Gros der Daten in der Weltspannungskarte stammt aus Erdbebenbeobachtungen
(70%) und Bohrlochrandausbrüchen (20%). Die Weltspannungskarte stellt dabei
nicht nur eine Sammlung von 14.000 Daten - organisiert in einer Datenbank - dar,
die aus Erdbebenkatalogen, über Kontakte zu Firmen und Forschungsinstitutionen
und über eigene Arbeiten gewonnen werden, sondern bietet diese Daten auf einer
Webseite http://www.world-stress-map.org an, stellt Softwarepakete zur Dar-
stellung und Nutzung zur Verfügung, informiert ca. 1000 ‘Kunden’ (davon 30% aus
der Industrie) über Neuigkeiten mit Hilfe eines ‘e-mail Newsletter’ und hat Stan-
dards zur Gewinnung von Spannungsdaten aus Bohrlochmessungen entwickelt.
Der Schritt von der punktuellen, lokalen Messung zur Gewinnung und Dar-
stellung von Daten auf globaler Skala ist in den Geowissenschaften häufig kritisch für
das Verständnis von Phänomenen. Em Beispiel: Die Reflexionen elastischer Wellen
aus 40 km Tiefe, die Mohorovicic 1909 beobachtete, gewinnt ihre Bedeutung erst
aus der Tatsache, dass jahrzehntelange seismologische Arbeit sicherstellte, dass die
Erde global von einer Kruste bedeckt wird, deren mittlere Dicke unter den Ozea-
nen 8 km und unter den Kontinenten 40 km beträgt. Die Mohorovicic Diskonti-
nuität, die die Kruste vom Erdmantel trennt, separiert die leicht aufschmelzbaren
Teile des Erdmantels, die sich oben ansammeln wie die Schlacke im Hochofen.
Schon sehr schnell nach den ersten Kompilierungen globaler Spannungsdaten
wurde klar, dass es regionale Spannungsprovinzen gibt, deren Lage und Größe
unmittelbar von der Geometrie und Dynamik der Plattenbewegung bestimmt wer-
den. Damit wird die Vorstellung, dass elastische Platten, deren innere Spannungen
von den Plattenrandkräften kontrolliert werden, über einem viskosen Erdmantel
gleiten, kollidieren und zerbrechen, in erster Ordnung bestätigt. Gleichzeitig ermög-
lichte die Beobachtung der systematischen Abweichung der Richtung von SH an der
San Andreas Verwerfung, die vertikal auf ihr steht, von der großräumigen Richtung
(N20°E) die Erkenntnis, dass an dieser Verwerfung die pazifische Platte vom Nord-
amerikanischen Kontinent fast entkoppelt ist.
Die Bedeutung für die geowissenschaftliche Grundlagenforschung als globaler
Referenzdatensatz nimmt ständig zu. Sie spielt eine wesentliche Rolle bei der immer
noch offenen Frage, was eigentlich die Bewegung der lithosphärischen Platten
antreibt. Ist es die viskose Kopplung an den konvektierenden Erdmantel, oder sind
die Plattenrandkräfte, die durch den Druck der mittelozeanischen Rücken und
durch den Zug der abtauchenden Platten entstehen, verantwortlich? Sind die Plat-
ten und deren Bewegung nur em Reflex der Konvektionsmuster im Mantel, oder
organisieren umgekehrt die Platten mit ihrer hohen Festigkeit die Strömungen im
Mantel der Erde? Ein weiteres grundlegendes Thema, das ohne quantitative Span-
nungsdaten nicht lösbar sein wird, ist das Verständnis für die Physik der Erdbeben.
 
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