Läszlo Kakosy
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gelang es ihm immer wieder, überraschende Aspekte zu entdecken, die sich schließ-
lich zu einem neuen Bild der ägyptischen Religion, insbesondere der Spätzeit,
zusammenfugten. Kaum ein Ägyptologe hat so viel wie L. Kakosy getan zur
Aufdeckung verborgener Kontinuitäten, die die altägyptische Religion mit der grie-
chisch-römischen Antike verbinden. Zu den vielen bislang vernachlässigten Themen
und Bereichen, die L. Kakosy eine besondere Aufhellung verdanken, gehören z.B.
Magie, Sternglaube, Tierkult und Volksglauben, insbesondere in der Spätzeit, im Hel-
lenismus, der Kaiserzeit, und der Spätantike. Jeder einzelne seiner zahllosen Aufsätze
macht auf entlegenes Material aufmerksam, zieht bislang unbekannte oder unbeach-
tete Daten heran und macht überraschende Zusammenhänge sichtbar. Seine Spezia-
lität waren die Grenzgebiete, Überschneidungen, Zwischenbereiche und Synkretis-
men zwischen der ägyptischen und der antiken Welt.
Kakosys Liebe zum alten Ägypten manifestierte sich in unermüdlicher Arbeit.
Hinter seinem bescheidenen, liebenswürdigen und zurückhaltenden, oft geradezu
melancholischen Auftreten verbargen sich eine stupende Arbeitsenergie und ein
enzyklopädisches Wissen. Sem Arbeitstag zählte 16 bis 17 Stunden und sein in vier
Sprachen (!) publiziertes CEuvre umfaßt annähernd 400 Publikationen. Es erstreckt
sich auf alle Gebiete der Ägyptologie und oft darüber hinaus. Dabei treten vier bis
fünf besondere Forschungsschwerpunkte hervor, in denen Kakosy echte Pionier-
arbeit geleistet und wissenschaftliches Neuland erschlossen hat.
Die wichtigsten Arbeiten beziehen sich auf em Gebiet, das mit den Begriffen
Zeitkonstruktion, Geschichtsbewußtsein, Vergangenheitsbezug umrissen werden
kann. Diese hochoriginelle und zentrale Thematik lag schon der (unpublizierten)
Dissertation von 1961 über Die Idee des goldenen Zeitalters in der ägyptischen Religion
zugrunde. In diesen Zusammenhang gehört auch der bahnbrechende Aufsatz „Ideas
about the Fallen State/Decline of the Golden Age“ (1964), in dem Kakosy auf die
Bedeutung von Depravations- und Urverschuldungsmythen in der ägyptischen
Religion aufmerksam machte. Ebenso originell und grundlegend ist der Aufsatz
„Urzeitmythen und Historiographie“ (1964), der das untrennbare Ineinanderspiel
von Mythos und Geschichtserfahrung im ägyptischen Geschichtsbild und
Geschichtsbewußtsein aufzeigt. Hierher gehören ferner die Arbeiten „Schöpfung
und Weltuntergang“ (1963) und „Die Weltanschauliche Krise des Neuen Reichs“
(1973). Kakosy hat schlüssig gezeigt, daß in der ägyptischen Tradition (und sicher
nicht nur hier) Mythos nicht ausschließlich die Sache uralter, in der Frühgeschichte
der Menschheit oder gar in den Tiefen eines kollektiven Unbewußten verankerter
Erinnerungen ist, sondern eine zeitlos produktive Ausdrucksform geschichtlicher
Erfahrung. Auf der Basis dieses Mythosbegnffs hat er wie niemand sonst die Beson-
derheiten des ägyptischen, insbesondere spätägyptischen Geschichtsbewußtseins her-
ausgearbeitet.
In den Zusammenhang des Themenschwerpunkts „Religion und Geschichte“
gehört auch die glänzende, höchst anregende Studie „Nubien als mythisches Land
im Altertum“ (1966), in der Kakosy am Beispiel Nubiens die Faktoren aufzeigt, auf
denen die religiöse Bedeutung eines Landes beruht: heilige Orte (Gebel Barkai), reli-
giöse Gründungen (Abusimbel etc.), Erinnerung (Rückblick auf historische Glanz-
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gelang es ihm immer wieder, überraschende Aspekte zu entdecken, die sich schließ-
lich zu einem neuen Bild der ägyptischen Religion, insbesondere der Spätzeit,
zusammenfugten. Kaum ein Ägyptologe hat so viel wie L. Kakosy getan zur
Aufdeckung verborgener Kontinuitäten, die die altägyptische Religion mit der grie-
chisch-römischen Antike verbinden. Zu den vielen bislang vernachlässigten Themen
und Bereichen, die L. Kakosy eine besondere Aufhellung verdanken, gehören z.B.
Magie, Sternglaube, Tierkult und Volksglauben, insbesondere in der Spätzeit, im Hel-
lenismus, der Kaiserzeit, und der Spätantike. Jeder einzelne seiner zahllosen Aufsätze
macht auf entlegenes Material aufmerksam, zieht bislang unbekannte oder unbeach-
tete Daten heran und macht überraschende Zusammenhänge sichtbar. Seine Spezia-
lität waren die Grenzgebiete, Überschneidungen, Zwischenbereiche und Synkretis-
men zwischen der ägyptischen und der antiken Welt.
Kakosys Liebe zum alten Ägypten manifestierte sich in unermüdlicher Arbeit.
Hinter seinem bescheidenen, liebenswürdigen und zurückhaltenden, oft geradezu
melancholischen Auftreten verbargen sich eine stupende Arbeitsenergie und ein
enzyklopädisches Wissen. Sem Arbeitstag zählte 16 bis 17 Stunden und sein in vier
Sprachen (!) publiziertes CEuvre umfaßt annähernd 400 Publikationen. Es erstreckt
sich auf alle Gebiete der Ägyptologie und oft darüber hinaus. Dabei treten vier bis
fünf besondere Forschungsschwerpunkte hervor, in denen Kakosy echte Pionier-
arbeit geleistet und wissenschaftliches Neuland erschlossen hat.
Die wichtigsten Arbeiten beziehen sich auf em Gebiet, das mit den Begriffen
Zeitkonstruktion, Geschichtsbewußtsein, Vergangenheitsbezug umrissen werden
kann. Diese hochoriginelle und zentrale Thematik lag schon der (unpublizierten)
Dissertation von 1961 über Die Idee des goldenen Zeitalters in der ägyptischen Religion
zugrunde. In diesen Zusammenhang gehört auch der bahnbrechende Aufsatz „Ideas
about the Fallen State/Decline of the Golden Age“ (1964), in dem Kakosy auf die
Bedeutung von Depravations- und Urverschuldungsmythen in der ägyptischen
Religion aufmerksam machte. Ebenso originell und grundlegend ist der Aufsatz
„Urzeitmythen und Historiographie“ (1964), der das untrennbare Ineinanderspiel
von Mythos und Geschichtserfahrung im ägyptischen Geschichtsbild und
Geschichtsbewußtsein aufzeigt. Hierher gehören ferner die Arbeiten „Schöpfung
und Weltuntergang“ (1963) und „Die Weltanschauliche Krise des Neuen Reichs“
(1973). Kakosy hat schlüssig gezeigt, daß in der ägyptischen Tradition (und sicher
nicht nur hier) Mythos nicht ausschließlich die Sache uralter, in der Frühgeschichte
der Menschheit oder gar in den Tiefen eines kollektiven Unbewußten verankerter
Erinnerungen ist, sondern eine zeitlos produktive Ausdrucksform geschichtlicher
Erfahrung. Auf der Basis dieses Mythosbegnffs hat er wie niemand sonst die Beson-
derheiten des ägyptischen, insbesondere spätägyptischen Geschichtsbewußtseins her-
ausgearbeitet.
In den Zusammenhang des Themenschwerpunkts „Religion und Geschichte“
gehört auch die glänzende, höchst anregende Studie „Nubien als mythisches Land
im Altertum“ (1966), in der Kakosy am Beispiel Nubiens die Faktoren aufzeigt, auf
denen die religiöse Bedeutung eines Landes beruht: heilige Orte (Gebel Barkai), reli-
giöse Gründungen (Abusimbel etc.), Erinnerung (Rückblick auf historische Glanz-