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JAHRESFEIER
denen das Streben nach Erkenntnis als solches als legitim begriffen wird, werden
enger. Die großen Wissenschaftsorganisationen können inzwischen em Lied davon
singen, was es heißt, wenn die Suche nach Erkenntnis sich immer mehr an Nütz-
lichkeitskriterien rechtfertigen muß. Humboldts eigene Antwort auf die Nützlich-
keitsfrage kennen wir: Nur Wissenschaft, die nicht im Vorhinein auf Nützlichkeit
verpflichtet werde, könne auf lange Frist im Nachhinein nützlich werden. Angesichts
der Ressourcenansprüche, mit denen die Wissenschaft heute der Gesellschaft
gegenübertritt, mag es mit einer so knappen Antwort nicht mehr getan sein. Aber
soviel ist gewiß: Es ist für die Wissenschaft überlebenswichtig, daß das Netz der
Nützlichkeitslegitimität nicht ganz zugezogen wird.
Die Akademien stehen am Rande, nicht im Zentrum des Wissenschaftsbetrie-
bes. Es mag sein, daß diese Marginalität ihnen die Chance eröffnet und die Pflicht
auferlegt, in ihren wissenschaftlichen Aktivitäten mindestens symbolisch einen
Gegenakzent zu setzen, einzustehen, heißt das, für den ursprünglichen, den primären
Sinn von Wissenschaft. „Höchste und letzte Freistatt von Wissenschaft“ — das ist eine
Formel von zu hohem Pathos. Aber in der aktuellen Deutung, die ich ihr zu geben
versucht habe, und in bescheidenere Worte gefaßt, mag sie eine Aufgabe bezeichnen,
die die Zeitläufte den Akademien zuweisen.
JAHRESFEIER
denen das Streben nach Erkenntnis als solches als legitim begriffen wird, werden
enger. Die großen Wissenschaftsorganisationen können inzwischen em Lied davon
singen, was es heißt, wenn die Suche nach Erkenntnis sich immer mehr an Nütz-
lichkeitskriterien rechtfertigen muß. Humboldts eigene Antwort auf die Nützlich-
keitsfrage kennen wir: Nur Wissenschaft, die nicht im Vorhinein auf Nützlichkeit
verpflichtet werde, könne auf lange Frist im Nachhinein nützlich werden. Angesichts
der Ressourcenansprüche, mit denen die Wissenschaft heute der Gesellschaft
gegenübertritt, mag es mit einer so knappen Antwort nicht mehr getan sein. Aber
soviel ist gewiß: Es ist für die Wissenschaft überlebenswichtig, daß das Netz der
Nützlichkeitslegitimität nicht ganz zugezogen wird.
Die Akademien stehen am Rande, nicht im Zentrum des Wissenschaftsbetrie-
bes. Es mag sein, daß diese Marginalität ihnen die Chance eröffnet und die Pflicht
auferlegt, in ihren wissenschaftlichen Aktivitäten mindestens symbolisch einen
Gegenakzent zu setzen, einzustehen, heißt das, für den ursprünglichen, den primären
Sinn von Wissenschaft. „Höchste und letzte Freistatt von Wissenschaft“ — das ist eine
Formel von zu hohem Pathos. Aber in der aktuellen Deutung, die ich ihr zu geben
versucht habe, und in bescheidenere Worte gefaßt, mag sie eine Aufgabe bezeichnen,
die die Zeitläufte den Akademien zuweisen.