38 | JAHRESFEIER
Kindheit
Schon im Kindheitsalter galt Ludwig als phantasievoll und künstlerisch begabt. Er
baute gerne mit Holzbausteinen Kirchen und Klöster, zeichnete gut und verkleidete
sich gerne als Nonne. Er war schüchtern, menschenscheu, zeigte aber em übertrie-
benes Selbstgefühl und neigte zur Unterdrückung seines jüngeren Bruders Otto. Der
Kronprinz erhielt Privatunterricht in den Gymnasialfächern. An der Universität hat
er nur ein paar Vorlesungen gehört. Er las bis in die letzten Tage seines Lebens unend-
lich viel: deutsche Sagen, Klassiker, Schauspiel, Kunst, Architektur und Wagners
Schriften. Er lernte Libretti auswendig, ließ sich Kostüme schneidern und dekla-
mierte einzelne Rollen.
Ludwig II. war mit den germanischen Heldensagen an den Wänden des väter-
lichen Schlosses Hohenschwangau in den bayerischen Bergen aufgewachsen, wo er
die glücklichsten Tage seiner Jugend verbracht hatte. Nach dem Urteil des damali-
gen Hofarztes Dr. Gietl war Ludwig schüchtern, hatte „em angstvolles Gemüt und
eine überschwengliche Phantasie“. Von der Familie wurde er wegen Überspanntheit
ausgelacht, worauf er hochempfindlich und mit ausgeprägten Vermeidungsstrategien
reagierte
Die Krankheit des Bruders Otto
Ludwigs drei Jahre jüngerer Bruder Otto wurde 23jährig wegen abnormer Verhal-
tensweisen und häufigen Besuchen bei Prostituierten „niedrigen Standes“ vom Hof-
arzt Dr. Gietl zweieinhalb Stunden exploriert. Das daraufhin berufene psychiatrische
Konsilium diagnostizierte „eine krankhafte Reizbarkeit des Gehirns und des gesam-
ten Nervensystems“ und führte sie auf „Blutleere wegen ungeordneter Lebensweise“
zurück. Der Hofstabsarzt Dr. Brattier sah jedoch die Ursache der Krankheit in einer
angeborenen Anlage und in wiederholten Erkrankungen an Wechselfieber im
Orient, begründet durch eine längere Orientreise.
Das Ärztekonsihum hatte die Verbringung Ottos in psychiatrische Betreuung
vorgeschlagen.
Die Behandlung bestand u. a. in moralischer Gesprächstherapie, Magnetisieren,
Faradisieren, Bäder mit Mutterlaugenextrakt, Kaltwasserkur, Chloralhydrat und
Morphium.
Die Psychiatrie jener Tage verfügte weder über ein einheitliches Klassifika-
tionssystem, noch über hinreichende Kenntnisse der meisten Krankheitsursachen
und ihrer wirksamen Behandlung. Da sich Ottos Zustand in den folgenden Jahren
verschlechterte, wurde das Schlößchen Fürstenried für seine geschlossene Verwah-
rung hergerichtet. Von Irrenpflegern bewacht blieb er dort bis zu seinem Tode 1916.
1913 berichtete ein Gutachterkonsilium (im Auftrag von Regierung und
Prinzregent), Otto habe seit vielen Jahren kein Wort mehr gelesen oder geschrieben,
stieße unverständliche Worte hervor, greife das Essen mit bloßen Händen und defä-
ziere in Schubladen oder Schränke. Die Gutachter stellten unter Vermeidung einer
Diagnose das Endstadium einer lang dauernden psychischen Erkrankung fest. Wahr-
scheinlich handelte es sich um fortgeschrittene Demenz bei progressiver Paralyse,
womit sich Otto bei Prostituierten infiziert haben könnte.
Kindheit
Schon im Kindheitsalter galt Ludwig als phantasievoll und künstlerisch begabt. Er
baute gerne mit Holzbausteinen Kirchen und Klöster, zeichnete gut und verkleidete
sich gerne als Nonne. Er war schüchtern, menschenscheu, zeigte aber em übertrie-
benes Selbstgefühl und neigte zur Unterdrückung seines jüngeren Bruders Otto. Der
Kronprinz erhielt Privatunterricht in den Gymnasialfächern. An der Universität hat
er nur ein paar Vorlesungen gehört. Er las bis in die letzten Tage seines Lebens unend-
lich viel: deutsche Sagen, Klassiker, Schauspiel, Kunst, Architektur und Wagners
Schriften. Er lernte Libretti auswendig, ließ sich Kostüme schneidern und dekla-
mierte einzelne Rollen.
Ludwig II. war mit den germanischen Heldensagen an den Wänden des väter-
lichen Schlosses Hohenschwangau in den bayerischen Bergen aufgewachsen, wo er
die glücklichsten Tage seiner Jugend verbracht hatte. Nach dem Urteil des damali-
gen Hofarztes Dr. Gietl war Ludwig schüchtern, hatte „em angstvolles Gemüt und
eine überschwengliche Phantasie“. Von der Familie wurde er wegen Überspanntheit
ausgelacht, worauf er hochempfindlich und mit ausgeprägten Vermeidungsstrategien
reagierte
Die Krankheit des Bruders Otto
Ludwigs drei Jahre jüngerer Bruder Otto wurde 23jährig wegen abnormer Verhal-
tensweisen und häufigen Besuchen bei Prostituierten „niedrigen Standes“ vom Hof-
arzt Dr. Gietl zweieinhalb Stunden exploriert. Das daraufhin berufene psychiatrische
Konsilium diagnostizierte „eine krankhafte Reizbarkeit des Gehirns und des gesam-
ten Nervensystems“ und führte sie auf „Blutleere wegen ungeordneter Lebensweise“
zurück. Der Hofstabsarzt Dr. Brattier sah jedoch die Ursache der Krankheit in einer
angeborenen Anlage und in wiederholten Erkrankungen an Wechselfieber im
Orient, begründet durch eine längere Orientreise.
Das Ärztekonsihum hatte die Verbringung Ottos in psychiatrische Betreuung
vorgeschlagen.
Die Behandlung bestand u. a. in moralischer Gesprächstherapie, Magnetisieren,
Faradisieren, Bäder mit Mutterlaugenextrakt, Kaltwasserkur, Chloralhydrat und
Morphium.
Die Psychiatrie jener Tage verfügte weder über ein einheitliches Klassifika-
tionssystem, noch über hinreichende Kenntnisse der meisten Krankheitsursachen
und ihrer wirksamen Behandlung. Da sich Ottos Zustand in den folgenden Jahren
verschlechterte, wurde das Schlößchen Fürstenried für seine geschlossene Verwah-
rung hergerichtet. Von Irrenpflegern bewacht blieb er dort bis zu seinem Tode 1916.
1913 berichtete ein Gutachterkonsilium (im Auftrag von Regierung und
Prinzregent), Otto habe seit vielen Jahren kein Wort mehr gelesen oder geschrieben,
stieße unverständliche Worte hervor, greife das Essen mit bloßen Händen und defä-
ziere in Schubladen oder Schränke. Die Gutachter stellten unter Vermeidung einer
Diagnose das Endstadium einer lang dauernden psychischen Erkrankung fest. Wahr-
scheinlich handelte es sich um fortgeschrittene Demenz bei progressiver Paralyse,
womit sich Otto bei Prostituierten infiziert haben könnte.