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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2004 — 2004

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I. Das Geschäftsjahr 2004
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Jahresfeier am 15. Mai 2004
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Häfner, Heinz: Ein unzurechtnungsfähiger (?) König an einem Wendepunkt deutscher Geschichte - Ludwig II. von Bayern
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https://doi.org/10.11588/diglit.66960#0027
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15. Mai 2004 | 39

Thronbesteigung und Wahrnehmung der Regierungsaufgaben
Am 10.3. 1864 verstarb König Max II. unerwartet. Am selben Tage wurde Ludwig
mit 18 V2 Jahren zum König ausgerufen.
Ludwig II., 1,91 m groß, ein schöner Mann mit versonnenen Augen, entsprach
dem romantischen Schönheitsideal der Zeit. Anfangs kam er seinen Aufgaben als
Souverän in einer Epoche tiefgreifender politischer Veränderungen engagiert nach.
Er empfing jeden Tag einen Minister und berief bereits im ersten Jahr mit von der
Pfordten einen neuen Ministerrat, der seiner vorsichtigen, auf die Erhaltung Bayerns
zielenden Außenpolitik zwischen den Großmächten Österreich und Preußen besser
entsprach. Aber schon im folgenden Jahr zog er sich aus Regierungspräsenz und
Öffentlichkeit deutlich zurück.
Der politische Horizont
Nach dem zweiten deutsch-dänischen Krieg 1864 spitzte sich der Hegemonialkon-
flikt der beiden Großmächte zu. Es kam zum deutschen Bruderkrieg 1866, der für
Österreich und die süddeutschen Staaten mit einer schweren Niederlage (Schlacht
bei Königsgrätz) endete. In den Berliner Friedensverhandlungen verpflichtete sich
Bayern, im Kriegsfall die eigenen Truppen dem Oberbefehl des Königs von Preußen
zu unterstellen, womit auch die politische Abhängigkeit Bayerns besiegelt war.
Ludwig II. hatte widerstrebend die Mobilmachung unterzeichnet. Niederlage
und Schwächung Bayerns belasteten ihn schwer. Er sprach von Abdankung und
Todeswünschen.
Menschenscheu, Weltflucht und Homoerotik
Im Laufe der Jahre verschlimmerte sich die Menschenscheu Ludwigs II. Die
Aufenthalte in München nahmen ab, in Hohenschwangau zu. Seine geliebten
Schauspiel- und Opernaufführungen im Hoftheater ließ der König geschlossen ver-
anstalten, zwischen 1872 und 1886 insgesamt 209. Er verlegte Ausritte und winter-
liche Schlittenfahrten auf die Nacht. In den letzten Jahren seines Lebens hatte er die
Nacht zum Tag gemacht, erteilte kaum mehr Audienzen und verkehrte mit seinen
Ministern nur noch brieflich. Gesetzesvorlagen, Gnadenakte und dgl. unterzeichnete
er bis zuletzt korrekt und ohne Verzögerung.
Gesellschaftliche Anlässe führten zu schweren Erwartungsängsten mit Erre-
gungszuständen. Er versuchte sie zu vermeiden oder trank erhebliche Mengen Alko-
hol. Wegen seiner Kopfschmerzen und Schlafstörungen nahm er häufig Chloral-
hydrat.
Den sozialen Ängsten kontrastierte die schwärmerische, oftmals distanzlose
Zuwendung des Königs zu Schauspielern, Kabinettssekretären und jungen Reiter-
soldaten.2 Er ließ sich von Männern aus einfachem Stande duzen, schrieb ihnen Lie-
besbriefe, veranstaltete in Felsengrotten auf Fellen germanische Trinkgelage, spielte
‘Schneiderlein leih’ mir Deine Schere’ und dergleichen. Tiefe Religiosität, schwere
2 An den Kabinettssekretär Ludwig von Müller schrieb er beispielsweise: „Mein vielgeliebter, angebe-
teter Ludwig, sei tausendmal gegrüßt, geküßt, mein angebeteter Ludwig
 
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