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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften — 2004

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I. Das Geschäftsjahr 2004
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Wissenschaftliche Sitzungen
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Gesamtsitzung am 10. Juli 2004
DOI Artikel:
Pfeiffer, Jürgen: Willensfreiheit und Hirnforschung
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Pfleiderer, Christian: Verleihung des Akademiepreises an Dr. Christian Pfleiderer
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https://doi.org/10.11588/diglit.66960#0079
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10.Juli 2004 | 91

So sehr wir das Bewusstsein, treffender gesagt, das Gefühl haben, uns im Rah-
men äußerer Zwänge frei entscheiden zu können, so selbstverständlich ist es dem
Einsichtigen, dass wir nie rein rational entscheiden, weil stets unser Schatz an Erfah-
rungen, Sym- und Antipathien, kurz, unser ganzes emotional beeinflusstes Gedächt-
nis und natürlich auch unser soziales Umfeld unsere Entscheidung mitbestimmen.
Roth sagt: „Das Gefühl des ‘freien Willensaktes’ entsteht in uns, nachdem limbische Struk-
turen und Funktionen bereits festgelegt haben, was wir zu tun haben “. Und W Singer
unterstützt dies: „Die Hypothese, die ich diskutieren möchte, ist, dass die Erfahrung, ein
autonomes, subjektives Ich zu sein, auf Konstrukten beruht, die im Laufe unserer kulturellen
Evolution entwickelt wurden “. Dass em solches Konstrukt materiegebunden ist, ist Sin-
ger selbstverständlich, - keine neue Erkenntnis, denn schon bei Schiller liest man:
„Aber die Tätigkeit der menschlichen Seele ist ...an die Tätigkeit der Materie gebunden. “.
Immerhin sagt aber auch Roth: „Man muss akzeptieren, dass eine unmittelbare Gleich-
setzung von Bewusstsein und dem Feuern kortikaler Neurone unzulässig ist“.
Vermag nun em Zeitintervall von der Dauer einiger hundert Millisekunden,
das im EEG auftaucht, bevor uns der eigene Entschluss zu dieser Bewegung bewus-
st wird, vermag dieses Ärgernis Zweifel an unserer Willensfreiheit zu begründen?
Wie sagt Wallenstein (26): „ Wer’s möglich? Könnt’ ich nicht mehr, wie ich wollte?“ Libet
selbst geht nicht so weit wie G. Roth oder W. Singer. Er verlagert allerdings unsere
Entscheidungsvorgänge weitgehend ins Vorbewusste, begründet mit dem Nachweis,
dass in dem o. a. Zeitintervall von 350 msec die Möglichkeit bestehe, während einer
vorbewusst bleibenden Filterphase em Veto einzulegen. In der Tat wird unserem
Bewusstsein, meinem Ich, eine Entscheidung erst als solche klar, wenn das Gehirn
alle hierfür notwendigen Abgleichungen vollzogen hat. Es handelt sich um em
Bewusstwerden, — ein Vorgang, der eine gewisse Zeit erfordert. Libet (2004) versteht
dabei durchaus die Probleme moralischer und juristischer Art bei Leugnung einer
Willensfreiheit. Er lässt die Fragen nach Determinismus und freiem Willen offen,
weil die Antworten nicht beweisbar bzw. falsifizierbar sind, nimmt aber letztlich doch
zugunsten des freien Willens Stellung. Erinnert wurde hierzu an die Stellungnahmen
von Max Planck zu Kausalität und Willensfreiheit.

AKADEMIEPREIS
Der Präsident überreicht Herrn Dr. Christian Pfleiderer (Physik, Universität Karls-
ruhe) den Akademiepreis 2004 für seine Arbeiten zu Quantenphasenübergängen.
Herr Pfleiderer stellt seine preisgekrönten Arbeiten vor.
Sehr geehrter Graf Kielmansegg,
sehr geehrte Mitglieder der Akademie der Wissenschaften,
meine Damen und Herren,
über die Anerkennung meiner Arbeiten zu Quantenphasenübergängen durch den
Akademiepreis 2004 freue ich mich außerordentlich. Ich möchte die Gelegenheit
 
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