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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2005 — 2006

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I. Das Geschäftsjahr 2005
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Wissenschaftliche Sitzungen
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Sitzung der Math.-nat. Klasse am 16. April 2005
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Appenzeller, Immo: Woraus besteht unser Kosmos?
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https://doi.org/10.11588/diglit.67593#0055
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SITZUNGEN

möglich, den gesamten Bereich des Kosmos zu überblicken und zu untersuchen, aus
dem Licht und andere elektromagnetische Wellen die Erde erreichen können. Da ein
Blick in große Entfernungen (wegen der endlichen Lichtgeschwindigkeit) immer
ein Blick weit in die Vergangenheit ist, bedeutet das auch, dass wir nun praktisch die
gesamte Geschichte des Kosmos seit dem Urknall überblicken können. Außerdem
wissen wir nun recht zuverlässig, aus welchen Bausteinen sich die Materie und die
Energie in unserer Welt zusammensetzen. Das überraschende Ergebnis der neuen
Beobachtungen war, dass die uns bekannten Formen von Materie und Energie nur
einen winzigen Bruchteil der Masse im Kosmos ausmachen, während der weitaus
größte Teil der kosmischen Materie für uns unsichtbar ist und bis jetzt weder iden-
tifiziert noch physikalisch verstanden werden konnte.
Unverstandene astronomische Beobachtungen gaben in der Vergangenheit
immer Anstöße zu Fortschritten bei der Entwicklung der physikalischen Gesetze.
Bekannteste Beispiele hierfür sind die genaue Vermessung der Bewegung der Plane-
ten unseres Sonnensystems, die die Grundlage sowohl für die Newtonsche Mecha-
nik des 17. Jahrhunderts als auch für Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie des 20.
Jahrhunderts bildete. Es spricht vieles dafür, dass auch die neuen Ergebnisse über den
Masse- und Energieinhalt des Kosmos ein wichtiger Ansatzpunkt für die Fortent-
wicklung der Gesetze der Physik sein wird. Um dies zu erklären, werde ich zunächst
versuchen, den aktuellen Stand unserer Kenntnisse über den Inhalt unseres Univer-
sums zusammenzufassen und dann kurz auf die sich daraus ergebenden Probleme
und Chancen für die Physik eingehen.
2 Die bekannten Bausteine des Universums
Im kosmischen Kontext sind wir Bewohner des kleinen Planeten Erde, der sich in
einer Umlaufbahn um den Stern Sonne befindet. Planeten und Sterne sind für uns
daher die vertrautesten größeren Bausteine des Universums. Unser Sonnensystem ist
kein Einzelfall. Planeten wurden inzwischen um die meisten Sternen gefunden, die
bis jetzt darauf untersucht wurden und bei denen mit den gegenwärtigen Methoden
Planeten prinzipiell nachgewiesen werden können. Obwohl es also viele Planeten
gibt, tragen sie jedoch zur kosmischen Massenbilanz nicht wesentlich bei, da bei allen
bekannten Planetensystemen die Masse des zentralen Sterns wesentlich größer ist als
die Gesamtmasse der Planeten. Zusammen mit dem interstellaren Gas bilden die
Sterne die Galaxien. Unsere Sonne ist zum Beispiel (mit rund 100 Milliarden wei-
teren Sternen) ein Mitglied der Milchstraßengalaxie. Neben Sternen und Gas ent-
halten Galaxien auch ‘Schwarze Löcher’, also extrem konzentrierte Massen, aus
deren innerem Schwerefeld weder Licht noch Materie entkommen kann. Da in der
Umgebung von Schwarzen Löchern eine extrem effiziente Energieerzeugung mög-
lich ist, spielen sie für den Energiehaushalt der Galaxien eine wichtige Rolle. Zur
Gesamtmasse der Galaxien tragen sie aber nur wenig bei.
Aus der Bewegung der Sterne, der Bewegung des Gases und aus der Licht-
ablenkung von Hintergrundobjekten durch den Gravitationslinseneffekt kann man
die Masse von Galaxien ziemlich genau bestimmen. Interessanterweise findet man
dabei fast immer Werte, die wesentlich größer sind als die Masse, die man durch Auf-
 
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