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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2005 — 2006

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I. Das Geschäftsjahr 2005
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Wissenschaftliche Sitzungen
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Öffentliche Gesamtsitzung in Freiburg am 22. Oktober 2005
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Grußwort des Rektors der Universität Freiburg Wolfgang Jäger
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https://doi.org/10.11588/diglit.67593#0072
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22. Oktober 2005 | 85

wandte Wissenschaften mit der größten Mikrosystemtechnik Deutschlands. Em
Beispiel für die konsequent interdisziplinäre Ausrichtung der Forschung ist der Frei-
bürger Zentrenverbund Life Sciences, der flexible Strukturen aufbietet und streng
themenorientiert arbeitet.
Er integriert dabei Fragestellungen und Methoden aus den Natur- und den
Geisteswissenschaften. Damit steht er beispielhaft für die notwendigen, dynamischen
Strukturentscheidungen, die die Universität Freiburg zu einer der führenden Rese-
arch Universities Deutschlands gemacht haben. Wir setzen alle Kräfte em, um diese
Position weiter zu verbessern, auch im internationalen Wettbewerb exzellenter Uni-
versitäten.
Die Heidelberger Akademie der Wissenschaften hätte sich für ihre auswärtige
öffentliche Sitzung in Freiburg kaum em aktuelleres, aber auch kaum em bedrücken-
deres Thema wählen können als das Erdbeben von Lissabon im Jahre 1755.
Der verheerende Tsunami in Südostasien an den Weihnachtstagen des letzten
Jahres und ganz aktuell das Erdbeben in Indien und Pakistan haben uns wieder ein-
mal drastisch vor Augen geführt, welche Bedrohungen Naturkatastrophen für Leib
und Leben der unmittelbar Betroffenen noch immer schaffen. Zugleich stellen sie
uns wiederum Herausforderungen für unser Naturverständnis, unsere politischen
Entscheidungsstrukturen und für Fragen der kulturellen Verarbeitung epochaler
Katastrophen. Damit ist der Kreis zur Rezeption des Lissabonner Erdbebens rasch
geschlossen. Paradigmatisch steht dieses historische Ereignis für die Erschütterungen,
die ein solches Naturphänomen für den geistigen Diskurs der jeweiligen Zeit dar-
stellt.
Es hinterließ einen tiefen Einschnitt im kulturellen Gedächtnis Europas. Die
Aufklärung mit ihrem Fortschrittsoptimismus, aber auch die Theologie und ihr
Gottesbild, wurden tief erschüttert in ihrem Selbstverständnis und suchten nach
Erklärungsmustern. Voltaire und Rousseau stritten über die Bedeutung des Un-
glücks, der junge Goethe und auch Kant nahmen sich des Phänomens an.
Die Auseinandersetzung um das Verhältnis des Menschen zur Natur hat seit-
dem nicht an Bedeutung verloren, sondern kehrt heute beispielsweise in globalen
ökologischen Problemstellungen wieder. Die tragischen Ereignisse der jüngeren
Geschichte stellen eben nicht nur Fragen an die Geologie, welche Möglichkeiten der
Prävention und Schadensbegrenzung bestehen. Auch die Politik, die Soziologie, die
Philosophie, die Theologie, die Literatur und die Medien sind involviert und suchen
nach ihren ureigensten Antworten. Auf welch großes Interesse nicht nur die histori-
sche Einordnung, sondern auch die aktuelle Diskussion über strukturelle Entspre-
chungen zwischen dem historischen Verarbeitungsprozess der Lissabonner Ereignis-
se und heutigen Herausforderungen in der Öffentlichkeit trifft, zeigt beispielhaft die
große Nachfrage, die das Buch von Horst Günther „Das Erdbeben von Lissabon und
die Erschütterung des aufgeklärten Europa“ derzeit auf dem Buchmarkt findet.
Diese Vielfalt der Problemstellungen spiegelt sich in hervorragender Weise
auch in Ihrem Programm für die auswärtige öffentliche Sitzung der Heidelberger
Akademie der Wissenschaften wider. Es belegt die Notwendigkeit und Fähigkeit der
beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zum Dialog. Ich bin mir sicher,
 
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