Manfred Fuhrmann | 141
essen seines Lehrers Büchners verpflichtet ist und andererseits bereits den für den
Gelehrten bezeichnenden systematischen Zugriff erkennen läßt. Die Habilitations-
schrift (Freiburg 1959, publiziert 1960) untersucht Das systematische Lehrbuch. Ein
Beitrag zur Geschichte der Wissenschaften in der Antike. 1962 nahm Fuhrmann einen Ruf
auf eine latinistische Professur nach Kiel an, 1966 wurde er nach Konstanz berufen,
wo er bis zu seiner Emeritierung lehrte. Nachdem er 1965/66 sowohl Untersuchun-
gen zur Textgeschichte der pseudoaristotelischen Alexander-Rhetorik {der Te/VY] des Anaxi-
menes von Lampsakos) und eine Edition dieses Textes vorgelegt hatte, wurde er
1969/70 innerhalb der Klassischen Philologie allgemein mit zwei programmatisch-
polemischen Vorträgen und deren Publikationen bekannt: Die Antike und ihre Ver-
mittler. Bemerkungen zur gegenwärtigen Situation der klassischen Philologie (Konstanzer
Antrittsvorlesung) und Wie klassisch ist die klassische Antike? (Vortrag auf der Jahres-
versammlung der Mommsen-Gesellschaft), Schriften, deren Diagnosen und Urteile
gegenüber der fortwirkenden Tradition der großen Klassischen Philologie der Wei-
marer Krisenzeit zum Teil ungerecht waren, die aber in ihrer frischen Kraft und Pro-
grammatik zugleich höchst anregend wirkten. Der aus seiner Situationsanalyse ent-
wickelte Reformvorschlag besagte, die Verbindung von Latinistik und Gräzistik zu
trennen, Latinistik als Fach der gesamten Latinität bis in die Neuzeit zu institutiona-
lisieren und Rezeptionsgeschichte der Antike in das Studium und die Forschung zu
integrieren. Dieses Programm war, wie sich bald zeigte und wie auch Fuhrmann
selbst in gewisser Weise in seiner Antrittsrede vor der Akademie gesehen hat, em ver-
kürzter Ausdruck dessen, was er selbst zu leisten sich vorgesetzt hatte, die nur schein-
bar revolutionäre Äußerung eines konservativen Bildungsbürgers und Humanisten,
der die Klassische Philologie einerseits an ihre Verwandtschaft mit den neueren Phi-
lologien erinnern und mit der modernen Literaturwissenschaft und Literaturtheorie
verbinden, andererseits die geschichtliche Vermittlung der antiken Literatur zu uns
hm im allgemeinen Bildungsbewußtsein verankern wollte. Fuhrmann hatte recht
damit, die Vertreter der Klassischen Philologie zur Teilnahme an der Neubeurteilung
des Mittelalters aufzufordern und rezeptionsgeschichtliche Studien nicht erst bei
dem Humanismus einsetzen zu lassen. In seiner Forderung nach stärkerer Berück-
sichtigung und Neubewertung der Spätantike stand er ebenso im Einklang mit der
neueren Entwicklung altertumswissenschaftlicher Forschungsinteressen. Außerdem
machte er Ernst mit dem weiteren Literaturbegriff der Antike.
Dieses umfassendere Programm hat Manfred Fuhrmann in bewundernswerter
Vielfalt eingelöst. Schon allein die Anzahl der Sachgebiete (die hier jeweils mit eini-
gen wenigen Dokumentationen illustriert werden) seiner Vermittlungsleistungen ist
erstaunlich.
Zur Integration der Klassischen Philologie im Verbund der Philologien und
Literaturwissenschaften und zu ihrem Anschluß an neue Fragehorizonte und Theo-
riemodelle hat Fuhrmann vor allem durch seine Mitarbeit an dem Projekt „Poetik
und Hermeneutik“ beigetragen; vom zweiten Kolloquium und zweiten Band an
(1964/1966) hat er in dieser Arbeitsgruppe aktiv mitgewirkt und immer wieder
wichtige enzyklopädisch-systematische Beiträge verfaßt. Hervorgehoben sei der Bei-
trag „Zur Funktion grausiger und ekelhafter Motive in der lateinischen Dichtung“
essen seines Lehrers Büchners verpflichtet ist und andererseits bereits den für den
Gelehrten bezeichnenden systematischen Zugriff erkennen läßt. Die Habilitations-
schrift (Freiburg 1959, publiziert 1960) untersucht Das systematische Lehrbuch. Ein
Beitrag zur Geschichte der Wissenschaften in der Antike. 1962 nahm Fuhrmann einen Ruf
auf eine latinistische Professur nach Kiel an, 1966 wurde er nach Konstanz berufen,
wo er bis zu seiner Emeritierung lehrte. Nachdem er 1965/66 sowohl Untersuchun-
gen zur Textgeschichte der pseudoaristotelischen Alexander-Rhetorik {der Te/VY] des Anaxi-
menes von Lampsakos) und eine Edition dieses Textes vorgelegt hatte, wurde er
1969/70 innerhalb der Klassischen Philologie allgemein mit zwei programmatisch-
polemischen Vorträgen und deren Publikationen bekannt: Die Antike und ihre Ver-
mittler. Bemerkungen zur gegenwärtigen Situation der klassischen Philologie (Konstanzer
Antrittsvorlesung) und Wie klassisch ist die klassische Antike? (Vortrag auf der Jahres-
versammlung der Mommsen-Gesellschaft), Schriften, deren Diagnosen und Urteile
gegenüber der fortwirkenden Tradition der großen Klassischen Philologie der Wei-
marer Krisenzeit zum Teil ungerecht waren, die aber in ihrer frischen Kraft und Pro-
grammatik zugleich höchst anregend wirkten. Der aus seiner Situationsanalyse ent-
wickelte Reformvorschlag besagte, die Verbindung von Latinistik und Gräzistik zu
trennen, Latinistik als Fach der gesamten Latinität bis in die Neuzeit zu institutiona-
lisieren und Rezeptionsgeschichte der Antike in das Studium und die Forschung zu
integrieren. Dieses Programm war, wie sich bald zeigte und wie auch Fuhrmann
selbst in gewisser Weise in seiner Antrittsrede vor der Akademie gesehen hat, em ver-
kürzter Ausdruck dessen, was er selbst zu leisten sich vorgesetzt hatte, die nur schein-
bar revolutionäre Äußerung eines konservativen Bildungsbürgers und Humanisten,
der die Klassische Philologie einerseits an ihre Verwandtschaft mit den neueren Phi-
lologien erinnern und mit der modernen Literaturwissenschaft und Literaturtheorie
verbinden, andererseits die geschichtliche Vermittlung der antiken Literatur zu uns
hm im allgemeinen Bildungsbewußtsein verankern wollte. Fuhrmann hatte recht
damit, die Vertreter der Klassischen Philologie zur Teilnahme an der Neubeurteilung
des Mittelalters aufzufordern und rezeptionsgeschichtliche Studien nicht erst bei
dem Humanismus einsetzen zu lassen. In seiner Forderung nach stärkerer Berück-
sichtigung und Neubewertung der Spätantike stand er ebenso im Einklang mit der
neueren Entwicklung altertumswissenschaftlicher Forschungsinteressen. Außerdem
machte er Ernst mit dem weiteren Literaturbegriff der Antike.
Dieses umfassendere Programm hat Manfred Fuhrmann in bewundernswerter
Vielfalt eingelöst. Schon allein die Anzahl der Sachgebiete (die hier jeweils mit eini-
gen wenigen Dokumentationen illustriert werden) seiner Vermittlungsleistungen ist
erstaunlich.
Zur Integration der Klassischen Philologie im Verbund der Philologien und
Literaturwissenschaften und zu ihrem Anschluß an neue Fragehorizonte und Theo-
riemodelle hat Fuhrmann vor allem durch seine Mitarbeit an dem Projekt „Poetik
und Hermeneutik“ beigetragen; vom zweiten Kolloquium und zweiten Band an
(1964/1966) hat er in dieser Arbeitsgruppe aktiv mitgewirkt und immer wieder
wichtige enzyklopädisch-systematische Beiträge verfaßt. Hervorgehoben sei der Bei-
trag „Zur Funktion grausiger und ekelhafter Motive in der lateinischen Dichtung“