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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2007 — 2007

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II. Die Forschungsvorhaben
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Tätigkeitsberichte
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Der Akademie zugeordnete Forschungsvorhaben
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Biographie und Krankheit Ludwigs II., König von Bayern (1845-1886)
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https://doi.org/10.11588/diglit.66959#0255
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268 | TÄTIGKEITSBERICHTE

DER AKADEMIE ZUGEORDNETE FORSCHUNGSVORHABEN
Biographie und Krankheit Ludwigs II., König von Bayern (1845-1886)
Projektgruppe:
die ordentlichen Mitglieder der Akademie Heinz Häfner und Paul Kirchhof sowie
der wissenschaftliche Mitarbeiter (Hist.) Felix Sommer M.A.
Wie schon in den vorausgehenden Berichten für die Jahre 2005 und 2006 dargestellt
ist das Ziel dieses Projekts die möglichst gründliche und umfassende Analyse des
gegen Ludwig II. von Bayern geführten Entmündigungs-, Entmachtungs- und Fest-
setzungsverfahrens. Rechtlicher und tatsächlicher Angelpunkt dieses Verfahrens war
die psychiatrische Begutachtung des Königs durch den Münchner Psychiater Bern-
hard von Gudden. Sein Gutachten war durch die Mitzeichnung von weiteren drei
Psychiatern im bayerischen Staatsdienst zum Kollegialgutachten erhoben worden.
Das Gutachten wurde ohne Anhörung und Untersuchung des Königs und ohne
Hinzuziehung von Berichten der Leibärzte erstattet. Es kam zur Diagnose einer
unheilbar fortschreitenden Geisteskrankheit des Königs, die als „Paranoia“ und
„primäre Verrücktheit mit Geistesschwäche“ klassifiziert wurde. Mit der Feststellung
dauerhafter Regierungsunfähigkeit des Königs wurden die rechtlichen und tatsäch-
lichen Voraussetzungen für die Etablierung der Regentschaft nach Teil II, §11, der
Bayerischen Verfassung von 1818 und des Regierungsentzugs gegen König Ludwigs
II vorbehaltlich der Zustimmung der Kammern als erfüllt betrachtet.
Das Quellenstudium für unser erstes Projekt (damals auch noch im Geheimen
Hausarchiv der Wittelsbacher), dessen Ergebnis 2004 der Heidelberger Akademie der
Wissenschaften unter dem Titel „Em unzurechnungsfähiger (?) König an einem Wen-
depunkt deutscher Geschichte — Ludwig II. von Bayern“ vorgetragen wurde, hatte
bereits begründete Zweifel an der Korrektheit des Gutachtens und an der Richtig-
keit der Beurteilung des Geisteszustands Ludwigs II. erweckt. — Mit der Bewilligung
des hier berichteten interdisziplinären Forschungsvorhabens durch die Fritz Thyssen
Stiftung und die Robert Bosch Stiftung verloren wir die unbefristete Zugangserlaub-
nis zum Geheimen Hausarchiv. — Unsere umfassenden Quellenstudien und darüber
hinausgehenden Recherchen im Rahmen des hier berichteten Projekts haben den
erwähnten Verdacht nachhaltig bestätigt und erweitert. Der Gutachter v. Gudden ver-
stieß gegen ärztliche Regeln und ethische Normen, deren Gültigkeit auch zur dama-
ligen Zeit anhand führender Fachpublikationen belegt werden konnte. Die Feststel-
lung einer Geisteskrankheit des Königs erwies sich als unbegründet.
Wir hatten zu beachten, dass medizinische und psychiatrische Beurteilungen
einer Person nach etwa 120 Jahren ein fragwürdiges Unterfangen sind, auch wenn
dies im historischen Kontext nicht immer vermieden werden kann. Im Fall des Gut-
achtens über Ludwig II. bestanden jedoch ungewöhnlich günstige Voraussetzungen:
Da die Gutachter den König nicht gekannt und nicht untersucht hatten, da sie ihr
Gutachten auf schriftliche Informationen und dokumentierte Zeugenaussagen auf-
bauten — aus Pietät bewusst ausgeschlossen haben sie nur die sexuellen Aktivitäten
 
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