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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2008 — 2009

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I. Das Geschäftsjahr 2008
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Antrittsreden
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Koch, Peter: Antrittsrede vom 26. Juli 2008
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https://doi.org/10.11588/diglit.67591#0123
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ANTRITTSREDEN

verstorben ist) — eine Zusammenarbeit, aus der nicht nur seine grundlegende Habi-
litationsschrift zum lexikalischen Bedeutungswandel in romanischen Sprachen, son-
dern auch wichtige theoretische Grundlagen für die Tübinger lexikalisch-semanti-
schen Untersuchungen hervorgingen.
Die Berliner Jahre waren überhaupt eine spannende Zeit. Am dritten Tag mei-
ner dortigen Diensttätigkeit wurde die deutsche Wiedervereinigung vollzogen. An
der Freien Universität wurde man Zeuge eines drastischen, teilweise schmerzhaften
Veränderungsprozesses. Überhaupt erlebte man — viel unmittelbarer als etwa hier im
Südwesten — das nicht immer ganz leichte Zusammenwachsen der beiden Teile des
Landes und der Stadt mit. Dass ich mit meiner Familie schließlich — für viele kaum
verständlich — nach Tübingen ging, hing auch mit einer Präferenz für Süddeutsch-
land und für überschaubarere Städte zusammen.
Der Wechsel gehörte zu unserem Leben. Schon 1990 allerdings, als wir gerade
Mainz verließen, wo wir nicht mehr als zwei Jahre gewohnt hatten, quittierte unser
damals siebenjähriger Sohn diesen nun schon zweiten Großumzug in seinem Leben
mit der Bemerkung, ich müsse mir jetzt aber mal einen anderen Beruf suchen;
das gehe doch so nicht weiter. In Mainz hatte ich von 1988 bis 1990 meine erste
Professur für Romanische Sprachwissenschaft, nachdem ich zuvor dieselbe Stelle
vertreten hatte — als Pendler von Freiburg i. Br. aus, wo 1987 gerade meine Habili-
tationsschrift angenommen wurde.
Diese in meiner Freiburger Hochschulassistenten-Zeit entstandene, von Hans-
Martin Ganger betreute Habilitationsschrift, beschäftigte sich mit der Schriftlichkeit
und Pragmatik in Brief- und Redemodellen des 13. Jahrhunderts in Italien und war
aufs engste verknüpft mit dem damals gerade entstehenden Sonderforschungsbereich
321 Übergänge und Spannungsfelder zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit, den unser
Akademie-Kollege Wolfgang Raible ins Leben rief. Er hat mein linguistisches Den-
ken durch diesen SFB, aber auch schon lange davor, vom ersten Tag seiner Anwe-
senheit in Freiburg an, ganz tief mit geprägt.
In den Forschungskontext Mündlichkeit/Schriftlichkeit, der uns damals alle zu
faszinieren begann, gehört auch meine Zusammenarbeit mit Wulf Oesterreicher
(heute Professor an der Universität München). Aus dem an einem Arbeitswochen-
ende im Schwarzwald hingeworfenen Papier für eine Hauptseminarsitzung, für die
sich kein Referent gefunden hatte, wurde 1985 der erste Artikel, in dem wir unser
Nähe-Distanz-Modell vorstellten, das später in einer Buchpublikation konkretisiert
wurde und das wir seitdem, von manchen als duo infernal apostrophiert, nicht ganz
ohne Erfolg landauf, landab vertreten. Die einmalig intensive und bereichernde
Zusammenarbeit mit Wulf Oesterreicher, die bis heute andauert, ist für mich das
wichtigste Forschungsprojekt — ohne einen einzigen Euro Drittmittel!
Und wieder begegnen wir hier der Suche nach Vergleichbarkeit des scheinbar
Unvergleichbaren. Jede Einzelsprache organisiert ihre Varietäten auf idiosynkratische
Weise, und dennoch beinhaltet die Variation zwischen Mündlichkeit und Schrift-
lichkeit universale, quasi anthropologische kommunikative Differenzen, die sich
denn auch in allen Sprachen der Welt in entsprechenden universalen sprachlichen
Merkmalen niederschlagen.
 
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