Wolfgang Kaiser
145
Antrittsrede von Herrn WOLFGANG KAISER
an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften vom 25. Oktober 2008.
Herr Sekretär, sehr geehrte Mitglieder der Akademie,
im Zusammenhang mit meinem Arbeits- und For-
schungsgebiet, der antiken Rechtsgeschichte, habe ich
schon häufig das „Gesamtverzeichnis der griechischen
Papyrusurkunden Ägyptens“, nicht selten auch die
„Epigraphische Datenbank Heidelberg“ im Internet
benutzt und das „Deutsche Rechtswörterbuch“ kon-
sultiert. Es ist mir daher eine besondere Freude, nun zu
dem Kreis derer gehören zu dürfen, die diese großen
Projekte angestoßen und getragen haben.
Meine Begeisterung für die Antike reicht zurück
in die Schulzeit am Dom-Gymnasium in Freising, meiner Geburtsstadt.Vielleicht war
es nur das Ergebnis einer Subtraktion, das meine Eltern dazu bewog, mich auf ein
humanistisches Gymnasium zu schicken. Denn die Alternative wäre ein musisches
Gymnasium gewesen und ich schien meinen Eltern nicht sonderlich musikalisch zu
sein. Die Wahl erwies sich als glücklich, denn während ich bereits in der fünften Klas-
se beim Vorsingen versagte, wählte ich später Latein und Griechisch als Leistungs-
kurse.Vor allem der Leistungskurs in Griechisch vermittelte mir den Zugang zu früh-
griechischer Lyrik, vorsokratischer Philosophie und dem Denken Platons.
Doch war der Weg in die Wissenschaft nicht vorgezeichnet. Nach meinem Abi-
tur schwebte mir zunächst eine steile Karriere als Offizier bei der Bundeswehr vor.
Doch scheiterte ich bei der Aufnahmeprüfung — weniger an der intellektuellen denn
an der sportlichen Komponente. Meine Militärzeit verbrachte ich anschließend zwar
bei der ersten Gebirgsdivision, allerdings im Flachland und als Panzerfahrer. Danach
war ich wieder offen für neue berufliche Perspektiven.
Obwohl mich meine Mutter gerne im gehobenen Verwaltungsdienst gewusst
hätte, zog ich ein Jurastudium an der Ludwig-Maximilians-Universität in München
vor. So fand ich mich zum Beginn des WS 1984/85 zusammen mit ungefähr 800
weiteren Studienanfängern zur ersten Vorlesung ein.
Der Zufall wollte es, dass mein späterer Lehrer Dieter Nörr in diesem Seme-
ster die Zivilrechtsvorlesung für Anfänger hielt. Zum ersten Mal begegnete mir hier
die juristische Seite der Antike, wenn Dieter Nörr die römischen Wurzeln vieler
Institute des heutigen Zivilrechts in die Vorlesung einbrachte. Der Enthusiasmus, mit
dem er über die juristische Hochkultur der Römer sprach, übertrug sich auf mich
und bewog mich, im zweiten Semester das antikrechtliche Seminar zu besuchen, das
er mit zwei weiteren Kollegen, Gerhard Thür und Dieter Medicus, am Leopold-
Wenger-Institut veranstaltete. Anhand von griechischen und lateinischen Quellen-
texten diskutierte man Rechtsfragen des Neuen Testaments. Plötzlich eröffneten sich
völlig neue Perspektiven auf an sich geläufige Texte.
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Antrittsrede von Herrn WOLFGANG KAISER
an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften vom 25. Oktober 2008.
Herr Sekretär, sehr geehrte Mitglieder der Akademie,
im Zusammenhang mit meinem Arbeits- und For-
schungsgebiet, der antiken Rechtsgeschichte, habe ich
schon häufig das „Gesamtverzeichnis der griechischen
Papyrusurkunden Ägyptens“, nicht selten auch die
„Epigraphische Datenbank Heidelberg“ im Internet
benutzt und das „Deutsche Rechtswörterbuch“ kon-
sultiert. Es ist mir daher eine besondere Freude, nun zu
dem Kreis derer gehören zu dürfen, die diese großen
Projekte angestoßen und getragen haben.
Meine Begeisterung für die Antike reicht zurück
in die Schulzeit am Dom-Gymnasium in Freising, meiner Geburtsstadt.Vielleicht war
es nur das Ergebnis einer Subtraktion, das meine Eltern dazu bewog, mich auf ein
humanistisches Gymnasium zu schicken. Denn die Alternative wäre ein musisches
Gymnasium gewesen und ich schien meinen Eltern nicht sonderlich musikalisch zu
sein. Die Wahl erwies sich als glücklich, denn während ich bereits in der fünften Klas-
se beim Vorsingen versagte, wählte ich später Latein und Griechisch als Leistungs-
kurse.Vor allem der Leistungskurs in Griechisch vermittelte mir den Zugang zu früh-
griechischer Lyrik, vorsokratischer Philosophie und dem Denken Platons.
Doch war der Weg in die Wissenschaft nicht vorgezeichnet. Nach meinem Abi-
tur schwebte mir zunächst eine steile Karriere als Offizier bei der Bundeswehr vor.
Doch scheiterte ich bei der Aufnahmeprüfung — weniger an der intellektuellen denn
an der sportlichen Komponente. Meine Militärzeit verbrachte ich anschließend zwar
bei der ersten Gebirgsdivision, allerdings im Flachland und als Panzerfahrer. Danach
war ich wieder offen für neue berufliche Perspektiven.
Obwohl mich meine Mutter gerne im gehobenen Verwaltungsdienst gewusst
hätte, zog ich ein Jurastudium an der Ludwig-Maximilians-Universität in München
vor. So fand ich mich zum Beginn des WS 1984/85 zusammen mit ungefähr 800
weiteren Studienanfängern zur ersten Vorlesung ein.
Der Zufall wollte es, dass mein späterer Lehrer Dieter Nörr in diesem Seme-
ster die Zivilrechtsvorlesung für Anfänger hielt. Zum ersten Mal begegnete mir hier
die juristische Seite der Antike, wenn Dieter Nörr die römischen Wurzeln vieler
Institute des heutigen Zivilrechts in die Vorlesung einbrachte. Der Enthusiasmus, mit
dem er über die juristische Hochkultur der Römer sprach, übertrug sich auf mich
und bewog mich, im zweiten Semester das antikrechtliche Seminar zu besuchen, das
er mit zwei weiteren Kollegen, Gerhard Thür und Dieter Medicus, am Leopold-
Wenger-Institut veranstaltete. Anhand von griechischen und lateinischen Quellen-
texten diskutierte man Rechtsfragen des Neuen Testaments. Plötzlich eröffneten sich
völlig neue Perspektiven auf an sich geläufige Texte.