164 | NACHRUFE
bis zum Eintritt in den Ruhestand 2002 innehatte. Einen Ruf nach Erlangen lehn-
te er ebenso ab wie das Angebot, Direktor des Instituts für Europäische Geschichte
in Mainz in der Abteilung für Abendländische Religionsgeschichte zu werden. Sei-
ner Fakultät hat er 1980—1983 und 2000—2002 als Dekan gedient; er vertrat sie
zudem 1984—1990 in der Synode und im Landeskirchenrat der Evangelischen Lan-
deskirche in Baden. 1988—1992 war Herr Seebaß Vorsitzender des Fakultätentages
der Evangelisch-theologischen Fakultäten der Bundesrepublik Deutschland. Nicht
zuletzt in diesem Amt hat er sein Interesse für Kirchenrecht, das sein Lehrer Maurer
geweckt hatte, in der Praxis zur Geltung bringen können. 1991—1993 war er am
Neuaufbau der Theologischen Fakultäten der Humboldt-Universität Berlin und der
Universität Leipzig beteiligt. Viele Jahre gehörte er dem Verwaltungsrat der Univer-
sität Heidelberg an und war in universitären Gremien und Ausschüssen tätig. In Wür-
digung seiner Verdienste verlieh ihm der Rektor zu seinem 70. Geburtstag 2007 die
Große Universitätsmedaille.
Aus Verantwortungsbewusstsein und im Bestreben, sein Fach in der Öffent-
lichkeit präsent zu halten, hat Herr Seebaß sich auch sonst immer gern in die Pflicht
nehmen lassen — die Spannweite reichte vom Fortsetzungskomitee des Internationa-
len Luther-Kongresses über den Vorstand des Vereins für Reformationsgeschichte bis
zum Kuratorium des Internationalen Wissenschaftsforums Heidelberg. 1997 richtete
er den 9. Internationalen Kongress für Lutherforschung in Heidelberg aus. Herr
Seebaß hatte Freude am Repräsentieren und Organisieren und auch eine besondere
Begabung dafür — nicht zuletzt die Heidelberger Akademie der Wissenschaften hat
davon profitiert. „Die ihm eigene Gabe der öffentlichen Rede“, die der Nachruf der
Theologischen Fakultät an ihm rühmte, nutzte er in Vorträgen auch für ein breiteres
Publikum und in Rundfunksendungen. Gastvorlesungen führten ihn in die USA
und nach Australien. Durch Mitwirkung an großen Ausstellungen wie der Luther-
ausstellung in Nürnberg 1983 und der Bibliotheca-Palatina-Ausstellung in Heidel-
berg 1985/86 hat er zur öffentlichen Wahrnehmung kirchenhistorischer Themen
beigetragen.
Das wissenschaftliche Werk von Gottfried Seebaß ist zu großen Teilen von Frage-
stellungen geleitet, die sich aus seinen beiden akademischen Qualifikationsschriften
entwickelt haben. Es umfasst vor allem zahlreiche Aufsätze (die Bibliographie von
2001 nennt 276 Nummern, einschließlich vieler Rezensionen, Gelegenheitsanspra-
chen, Zeitungsartikel, Vorworte und ungedruckter Predigten); für größere Mono-
graphien hat ihm die aktive Mitwirkung in Gremien der unterschiedlichsten Art
sowie die sorgfältige Betreuung der Osiander- und der Bucer-Edition nicht die nöti-
ge Zeit gelassen. Auszeichnend hervorzuheben ist die Quellennähe der meisten
Arbeiten; insbesondere Dissertation und Habilitationsschrift beruhen weithin auf
Materialien, die in ausgedehnten Archivforschungen gewonnen wurden. In der
Untersuchung von Einzelproblemen scheute der Verfasser nicht vor philologischer
Kleinarbeit und Detailtreue, etwa bei subtilen Textvergleichen, zurück.
Die Dissertation über „Das reformatorische Werk des Andreas Osiander“
(1967 erschienen) entdeckte die historische Gestalt des Nürnberger Reformators
und dessen eigenwillige Theologie in ihrer Bedeutung gewissermaßen neu und
bis zum Eintritt in den Ruhestand 2002 innehatte. Einen Ruf nach Erlangen lehn-
te er ebenso ab wie das Angebot, Direktor des Instituts für Europäische Geschichte
in Mainz in der Abteilung für Abendländische Religionsgeschichte zu werden. Sei-
ner Fakultät hat er 1980—1983 und 2000—2002 als Dekan gedient; er vertrat sie
zudem 1984—1990 in der Synode und im Landeskirchenrat der Evangelischen Lan-
deskirche in Baden. 1988—1992 war Herr Seebaß Vorsitzender des Fakultätentages
der Evangelisch-theologischen Fakultäten der Bundesrepublik Deutschland. Nicht
zuletzt in diesem Amt hat er sein Interesse für Kirchenrecht, das sein Lehrer Maurer
geweckt hatte, in der Praxis zur Geltung bringen können. 1991—1993 war er am
Neuaufbau der Theologischen Fakultäten der Humboldt-Universität Berlin und der
Universität Leipzig beteiligt. Viele Jahre gehörte er dem Verwaltungsrat der Univer-
sität Heidelberg an und war in universitären Gremien und Ausschüssen tätig. In Wür-
digung seiner Verdienste verlieh ihm der Rektor zu seinem 70. Geburtstag 2007 die
Große Universitätsmedaille.
Aus Verantwortungsbewusstsein und im Bestreben, sein Fach in der Öffent-
lichkeit präsent zu halten, hat Herr Seebaß sich auch sonst immer gern in die Pflicht
nehmen lassen — die Spannweite reichte vom Fortsetzungskomitee des Internationa-
len Luther-Kongresses über den Vorstand des Vereins für Reformationsgeschichte bis
zum Kuratorium des Internationalen Wissenschaftsforums Heidelberg. 1997 richtete
er den 9. Internationalen Kongress für Lutherforschung in Heidelberg aus. Herr
Seebaß hatte Freude am Repräsentieren und Organisieren und auch eine besondere
Begabung dafür — nicht zuletzt die Heidelberger Akademie der Wissenschaften hat
davon profitiert. „Die ihm eigene Gabe der öffentlichen Rede“, die der Nachruf der
Theologischen Fakultät an ihm rühmte, nutzte er in Vorträgen auch für ein breiteres
Publikum und in Rundfunksendungen. Gastvorlesungen führten ihn in die USA
und nach Australien. Durch Mitwirkung an großen Ausstellungen wie der Luther-
ausstellung in Nürnberg 1983 und der Bibliotheca-Palatina-Ausstellung in Heidel-
berg 1985/86 hat er zur öffentlichen Wahrnehmung kirchenhistorischer Themen
beigetragen.
Das wissenschaftliche Werk von Gottfried Seebaß ist zu großen Teilen von Frage-
stellungen geleitet, die sich aus seinen beiden akademischen Qualifikationsschriften
entwickelt haben. Es umfasst vor allem zahlreiche Aufsätze (die Bibliographie von
2001 nennt 276 Nummern, einschließlich vieler Rezensionen, Gelegenheitsanspra-
chen, Zeitungsartikel, Vorworte und ungedruckter Predigten); für größere Mono-
graphien hat ihm die aktive Mitwirkung in Gremien der unterschiedlichsten Art
sowie die sorgfältige Betreuung der Osiander- und der Bucer-Edition nicht die nöti-
ge Zeit gelassen. Auszeichnend hervorzuheben ist die Quellennähe der meisten
Arbeiten; insbesondere Dissertation und Habilitationsschrift beruhen weithin auf
Materialien, die in ausgedehnten Archivforschungen gewonnen wurden. In der
Untersuchung von Einzelproblemen scheute der Verfasser nicht vor philologischer
Kleinarbeit und Detailtreue, etwa bei subtilen Textvergleichen, zurück.
Die Dissertation über „Das reformatorische Werk des Andreas Osiander“
(1967 erschienen) entdeckte die historische Gestalt des Nürnberger Reformators
und dessen eigenwillige Theologie in ihrer Bedeutung gewissermaßen neu und