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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2008 — 2009

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III. Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses
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B. Das WIN-Kolleg
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3. Forschungsschwerpunkt "Der menschliche Lebenszyklus - Biologische, gesellschaftliche, kulturelle Aspekte"
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https://doi.org/10.11588/diglit.67591#0281
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294 | FÖRDERUNG DES WISSENSCHAFTLICHEN NACHWUCHSES

der Literatur der Neuzeit die Subjektivierung des Alters in den Vordergrund rückt,
so dass die topischen Zuschreibungsmuster als perspektivische reflektiert werden.
1. Lebensphasen und Alterskonzepte im Alten Testament
Das Teilprojekt widmet sich den Lebensaltern im Alten Testament und fragt nach der
biblischen Differenzierung von Lebensphasen wie Kindheit, Jugend, Alter sowie
nach Merkmalen und Kennzeichen dieser Lebensabschnitte. Bei der Beschreibung
und Bewertung der Lebensphasen liegt der Schwerpunkt des Teilprojektes auf den
biblischen Alterskonzepten. Hinweise auf die biblische Sicht des Alters lassen sich
aus der exegetischen Untersuchung der alttestamentlichen Altersbeschreibungen
gewinnen. Wichtige Texte sind in diesem Zusammenhang die Altersbeschreibung in
Kohelet 12, Psalm 71 als Gebet eines alten Menschen, Psalm 92 oder Weisheit Salo-
monis 4.
Ein Schwerpunkt der Projektarbeit lag im vergangenen Jahr auf der Exegese
der Psalmengruppe 90—92. Ausgehend von Ps 90 setzt sich diese Psalmengruppe mit
dem Problem der Vergänglichkeit und Sterblichkeit des Menschen auseinander und
gibt darauf verschiedene Antworten: in Ps 90 in der Bitte um einen weisen Umgang
mit dem Wissen um den Tod sowie in der Bitte um Gottes Erbarmen angesichts
menschlicher Vergänglichkeit; in Ps 91 in der Zusage eines langen, erfüllten Lebens
in Gottes Nähe und in Ps 92 schließlich in der zuversichtlichen Hoffnung auf ein
hohes Alter voller Lebenskraft für den Gerechten. Im Zentrum der Untersuchung
stand die Altersmotivik in Ps 92.Weisheitliches Denken und Tempeltheologie durch-
dringen sich gegenseitig in dieser Psalmengruppe, die einen Bogen von der
Beschreibung der allgemeinen Vergänglichkeit (Ps 90) zur Lebensfülle bis ins hohe
Alter im Heiligtum (Ps 92) spannt.
Einen zweiten Schwerpunkt der Projektarbeit bildete die Untersuchung der
Alterstopik in der alttestamentlichen Weisheitsliteratur (Proverbien, Hiob, Jesus
Sirach und Weisheit Salomonis), ausgehend von demTopos des grauhaarigen weisen
Alten. Ein Thema der Spruchweisheit (Proverbien) ist der rechte Lebensweg, denn
die Sprüche wollen zu einem rechten Lebenswandel anleiten, so dass der Mensch ein
langes und gelingendes Leben führen kann. In diesem Zusammenhang erwähnen die
Proverbien, wenn auch selten, die Lebensphase des hohen Alters, jedoch nicht deren
Schattenseite, die Altersgebrechen, sondern die positiven Merkmale Altersweisheit
und Alterswürde. Die Grauhaarigkeit der Alten ist Zeichen ihrer Weisheit und geach-
teten gesellschaftlichen Stellung (Prov 16,31; 20,29). Diese Sicht des Alters wird in
der jüngeren Weisheitsschrift Jesus Sirach entfaltet. Die topische Zusammenstellung
von Grauhaarigkeit/Alter und Weisheit zerbricht jedoch in anderen Texten der jün-
geren Weisheit angesichts von Leiden und vorzeitigem Tod des Gerechten (Hiob;
Weisheit Salomonis). Eine kritische Sicht der Altersweisheit liegt z.B. Hi 12,l2f.2O
und 32,5ff. zugrunde: Angesichts des Leidens des Gerechten versagt die Weisheit der
Alten (Hi 32,5ff.), denn sie stößt an ihre Grenzen bei dem Versuch, Hiobs Unglück
zu erklären. Gegenüber einer gleichsam zwangsläufigen Korrelation von hohem
Alter und Weisheit betonen Hi 12,20 und 32,8f. die Unverfügbarkeit der Weisheit,
 
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