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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2008 — 2009

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III. Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses
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B. Das WIN-Kolleg
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3. Forschungsschwerpunkt "Der menschliche Lebenszyklus - Biologische, gesellschaftliche, kulturelle Aspekte"
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https://doi.org/10.11588/diglit.67591#0283
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FÖRDERUNG DES WISSENSCHAFTLICHEN NACHWUCHSES

Apollodor entwickeln zum Beispiel eine Semiotik, deren Kenntnis es erlaubt, anhand
der Zeichen körperlichen Alterns weitergehende Rückschlüsse zu ziehen.
Vor diesem Hintergrund wurde die Pragmatisierung von Alterstopoi in der
Verteidigungsrede Pro se de magia des Apuleius untersucht. Durch die Beschreibung
seines vom Alter gekennzeichneten Philosophenkörpers inszeniert sich der spre-
chende iuvenis als ein Nachfolger des Socrates vor Gericht. Seine Ehefrau Pudentilla
hingegen — zur Zeit der Eheschließung offenbar eine wohlhabende ältere Witwe —
wird durch intertextuelle Bezüge auf lyrische Texte verjüngt und wieder in ein
gebärfähiges Alter gebracht. Bewusst vermeidet der Sprecher jeglichen Bezug zur
römischen Komödie in der Darstellung seiner selbst und seiner Frau — dieser dient
dagegen der Figurenzeichnung seiner Gegner.
Lukians biographische Skizze des Propheten Alexander von Abonuteichos ent-
larvt den Widerspruch zwischen den idealen heroischen, philosophischen und reli-
giösen personae, die dieser verkörpern will, und seinem eigentlichen Ingenium. Es wird
performativ Distanz hergestellt zwischen dem idealtypischen altersgerechten Verhal-
ten und dem Umgang mit dem Tod bei diesen personae einerseits und dem tatsäch-
lichen verzweifelten Versuch des Protagonisten, die Zeichen des Alters zu verdecken,
andererseits. Es konnte anhand dieser Fallbeispiele gezeigt werden, wie sowohl die
Rhetorik, die epideiktische Züge trägt, als auch die Satire für ihre Ziele das Poten-
tial ausnutzen, das die unterschiedliche Kodierung des altersgemäßen habitus corporis
innerhalb philosophischer, religiöser und literarischer Diskurse birgt.
3. Identität und Differenz. Zur Wechselwirkung von genealogischer Prägung und personalem
Lebenszyklus im mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Erzählen
Das Teilprojekt setzt an der Beobachtung an, dass auffällig viele narrative Entwürfe
in der volkssprachigen Literatur des Mittelalters den Lebenslauf eines Helden über
mehrere Altersstufen verfolgen und die Figur signifikante Übergangsriten ebenso
wie radikale persönliche Veränderungen durchlaufen lassen. Häufig wird die Biogra-
phie mit einer prägenden Elternvorgeschichte kombiniert, die eine erbliche, konstant
bleibende Komponente im Charakter des Protagonisten verankert. Das Zusammen-
spiel von Lebensaltern und genealogischer Prägung, von Differenz und Identität
wird vor allem am Beispiel des romanhaften Erzählens untersucht, und im vergan-
genen Jahr konnte für das typologisch gewählte Textcorpus von fünf Romanen aus
dem 12. bis 16. Jahrhundert die relevante Forschungsliteratur in eine Datenbank auf-
genommen und gesichtet werden.
In einem weiteren Schwerpunkt galt die Projektarbeit in diesem Jahr der
Betrachtung flankierender höfischer Gattungstraditionen, um aus einem Panorama
literarischer Positionsbestimmungen eine Lebensaltertopik zu erschließen, die das
Teilprojekt in ein komplexeres Bewertungsschema literarischer Alterskonzeptionen
einbettet und vergleicht, wie in anderen Gattungen das Thema eines linearen Lebens-
ablaufs nicht nur beschrieben, sondern poetologisch fruchtbar gemacht wird. Für die
Gattungen Minnesang und Sangspruch wurde eine Gruppe signifikanter Textbeispie-
le identifiziert und auf topische Strukturen in der Lebensalterdarstellung analysiert.
 
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