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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2009 — 2010

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I. Das Geschäftsjahr 2009
DOI Kapitel:
Zentenarfeier am 3. und 4. Juli 2009
DOI Kapitel:
Festakt am 4. Juli 2009
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Markl, Hubert: Akademische Wissenschaft und wirtschaftlicher Erfolg: Forschung im Zangengriff vielfältiger Interessen
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https://doi.org/10.11588/diglit.66333#0056
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4. Juli 2009 | 71

am Leben zu erhalten, denn am Ende könnte er sie mehr benötigen als andere
Unternehmungen, auf deren schuldenbefrachtete Rettung die Parteien doch so stolz
sind.
Nicht alles, was dabei an den Akademien geschieht, mag einem jeden immer
klar sein und zielflihrend erscheinen: so ist das eben bei Wissenschaft wie Kunst, sonst
brauchten wir ja gar keinen Wettbewerb der Ideen und Lösungen. Nur von bester
Qualität sollte es immer sein — und wenigstens gelegentlich dem wirklichen Leben
nahe und verpflichtet. Wenn nicht alles täuscht, könnten sie künftig die wichtigsten
Knotenpunkte des globale Netzwerkes wissenschaftlicher Kultur bedeuten, das die
Menschheit künftig vielleicht mehr benötigt, um die Fährnisse einer bedrohlichen
Zukunft zu bestehen, als Coca Cola, Handys oder Computerspiele und all den inno-
vativen Krimskrams der Märkte.
Wenn kluge Räte und wenn vor allem guter Rat aus der Wirtschaft unsere wis-
senschaftlichen Einrichtungen dabei hilfreich begleiten und gut beraten, dann wären
sie am Ende doch an der richtigen Stelle, die dem Gemeinwohl dient. Denn die
Freiheit der Wissenschaft — zu der sie sich dann aber nicht nur in Reden bekennen,
sondern die sie auch in der Praxis beachten müssen! — ist nicht nur ein hoher Wert
der Verfassung, sondern Lebensblut einer lebenstüchtigen Gesellschaft. Aber frei kön-
nen nur Menschen sein, die selbst darüber bestimmen können, wie sie zu leben wün-
schen, nicht nach den Maßgaben anderer — mögen dies nun Journalisten, Juristen,
Theologen, Arzte, Philosophen oder Ökonomen sein. Ohne unabhängige Wissen-
schaft geht das nicht. Politiker, die meinen, die Wissenschaft möge gerne frei sein,
solange nur nichts dabei herauskommt, was den eigenen Interessen schaden könnte,
— wie man dies manchenorts heute z.B. wieder bei der grünen Gentechnik erleben
muss, wo die deutschen Phantomschmerzen von Politik und Öffentlichkeit lustvoll
geschürt werden, — könnten sich täuschen: am Ende werden ihnen immer jene
Gesellschaften den Rang ablaufen, die die Wissenschaften nicht nur solange in den
Dienst nehmen und unterstützen, solange sie diese nützlich finden, sondern die auch
die Erneuerung des Denkens und Handelns — vielleicht manchmal zähneknirschend
— ertragen, die Wissenschaft nun einmal mit sich bringt, mag sie sich auch noch so
akademisch aufführen, wie heute an diesem Jahrhundertfest! Denn es gilt für diese
Akademie wie für andere Akademien: sie dürfen keine Museen sein, die ihren Nabel
beschauen, sondern Schatzhäuser, aus denen sich etwas machen läßt!
Sto lat, das wünschen unsere slawischen Freunde einem Betagten zum Geburts-
tag, daß er die 100 wohlbehalten erreichen soll: der Heidelberger Akademie der Wis-
senschaften wünsche ich viel, viel mehr gute Jahre, und daß sie das Beste daraus
machen möge, denn die Hundert hat sie ja schon in glänzender Verfassung erreicht!
Mein Wunsch für sie lautet daher auch nicht: „Weiter so!“, sondern:
„Mit voller Kraft voraus zu neuen Ufern!“
 
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